RADIO BOB!: „Wir bieten eben mehr als ‚Playlists‘“

Radio BOB big„Rock“ war – nach Pop – über Jahrzehnte das zweite wichtige Musikgenre im deutschen Radio. Dieses über viele Jahre vertraute Hörbild hat sich seit Beginn der 2010er-Jahre (primär bei den jüngeren Programmen) verändert. So verzeichnen heute beispielsweise „Dance“ oder „Singer Songwriter“ auf vielen Playlisten deutlich mehr Einsatzzeiten als die lange als unverzichtbar geltende Rockmusik. Die Gründe sind vielfältig: natürlich hatte der allgemeine Zeitgeist der 2010er die Radiomusik ebenso beeinflusst wie die Zahl neuer Format-kompatibler Rock-Hymnen. Diese wurde zuletzt eher überschaubar.

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Die einschlägigen Erfolgsmusiker früherer Jahre sind eben in die Jahre gekommen – und veröffentlichten immer weniger Songs, die den hohen Standards deutscher AC-Wellen entsprechen. Oder driften mit ihren neuen Produktionen stilistisch so weit in den Pop-Bereich ab, dass diese kaum mehr als „Rock“ einzuordnen sind. Besserung scheint zumindest bei den jungen Wellen nicht in Sicht. Axel vom Bruch, Musikchef beim NDR-Jugendradio N-JOY: „Gitarrenmusik wird fast gar nicht von unseren Radiohörer*innen nachgefragt, weder aktuelle Titel, noch Klassiker. Diese Präferenz hat sich auch im Corona-Jahr fortgesetzt“.

Allerdings ist die „Lust auf Rock“ bei den älteren Hörern offensichtlich ungebrochen. Diese Nachfrage wird im deutschen Radio auch weiter bedient. Wie etwa bei den ARD-Regionalwellen SWR1, hr1, Bayern 1 oder Bremen Eins. Oder bei regionalen Privatsendern wie Hamburg Zwei, Radio Ton, Die Neue Welle, Die Neue 107.7, Seefunk und dem Berliner Rundfunk – die alle einen hörbaren Rock-Anteil von gut 30% (und mehr) innerhalb ihrer Musikprogramme ausstrahlen. Hinzu kommt ein stattliches digitales Rock-Sortiment in Form von speziellen Webstreams oder DAB+ Dauerschleifen.

Erste Anlaufstelle für satte Gitarrenklänge bleiben jedoch die terrestrisch-ausgestrahlten Rockspartensender. Also moderierte Programme wie StarFM, ROCK ANTENNE, Classic Rock Radio, Radio 21/Rockland Radio, Rockland FM – und RADIO BOB!. Namentlich letzeres gilt als Vorzeigemodell im deutschen Radio – und hat als Beweis seit Sendestart die Zahl seiner Hörer inzwischen mehr als verzehnfacht. Rock lebt!

Alice Cooper (BIld: ©RADIO BOB!)
Alice Cooper (BIld: ©RADIO BOB!)

Als RADIO BOB! am 5. August 2008 in Hessen an den Start ging, läuteten um 12.00 Uhr die Hells Bells von AC/DC. Das hat sich bis heute nicht geändert. Das meiste andere durchaus. Aus dem ursprünglich regionalen Sender, der zunächst nur in Hessen über UKW verbreitet wurde, ist eine nationale Marke geworden: Deutschlands Rockradio. Empfangbar im ganzen Bundesgebiet über DAB+ und Internet (IP), hier zudem mit fast 40 Sidestreams. Zusätzlich wird das Programm nach wie vor in Hessen über UKW und als eigenständiges regionales Programm „RADIO BOB! rockt Schleswig-Holstein“ seit 2016 auch im nördlichsten Bundesland terrestrisch ausgestrahlt.

 

„Rock ist nicht nur Musik, sondern Teil des Lebensstils unserer Hörer“

 

Im Interview mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich spricht RADIO BOB! -Programmgeschäftsführer  Jan-Henrik Schmelter über die Entwicklung des erfolgreichsten deutschen Rocksenders.


Jan-Henrik Schmelter (Bild: ©RADIO BOB!)
Jan-Henrik Schmelter (Bild: ©RADIO BOB!)

RADIOSZENE: Herr Schmelter, RADIO BOB! hat über die Jahre seine Reichweiten immer weiter gesteigert. Zuletzt sogar exponentiell! Und dies in einem Radiomarkt, der eher rückläufig ist. Wie erklären Sie diese Entwicklung?

Jan-Henrik Schmelter: Grundsätzlich ist die Radionutzung seit Jahren erfreulich stabil und hoch, daran ändert auch die letzte MA im Trend nichts. Aber es stimmt, dass RADIO BOB! in den letzten Ausweisungen stetig überdurchschnittlich hinzugewonnen hat. Insbesondere die Gewinne in der aktuellen MA sind einfach grandios für uns, kein anderer Sender in Deutschland weist eine solche Wachstumsdynamik auf. Dass wir nun kumuliert 462.000 Hörer* in der Durchschnittsstunde mit der Marke erreichen, macht uns sehr stolz und zeigt, dass wir als das mit Abstand größte deutsche Rockradio unsere Mission erfolgreich umsetzen. Und genau darum geht es auch bei der Erklärung für diese Entwicklung: Es ist die Marke, die bei uns stets im Mittelpunkt steht: Wenn Rock, dann BOB!.

Martin Hülsmann, Managing Director Brand RADIO BOB! und Geschäftsführer BOB! rockt Schleswig-Holstein
Martin Hülsmann, Managing Director Brand RADIO BOB! und Geschäftsführer BOB! rockt Schleswig-Holstein

Gemeinsam mit meinem Geschäftsleitungskollegen Martin Hülsmann und dem gesamten Team setzen wir dieses klare Profil auf allen Marken-Kanälen um. Das spricht unsere Hörer und die Community an. Wir teilen mit ihnen ihre Leidenschaft für Rock, bieten ihnen relevanten Content und das nicht nur im Programm, sondern möglichst an allen Touchpoints: in unserer App, auf der Homepage, unseren Social Media-Kanälen oder auf Events, die hoffentlich auch bald wieder stattfinden können.

RADIOSZENE: RADIO BOB! war einer der Pioniere bei der bundesweiten Verbreitung des digitalen Sendestandards DAB+. Zunächst belächelt, jetzt strahlender Gewinner. Wer hat Ihnen bei Start die Gewissheit vermittelt, hier voll auf die digitale Karte zu setzen?

Jan-Henrik Schmelter: Unser Gesellschafter REGIOCAST hat im Jahr 2011 den Grundstein für DAB+ in Deutschland gemeinsam mit einigen Partnern gelegt. Es war vermutlich damals das unternehmerische Gespür, was im Ergebnis die Gewissheit vermittelt hat, hier auf die richtige Karte zu setzen. Darüber hinaus fokussiert die Strategie nicht irgendeinen Verbreitungsweg. Jeder Verbreitungsweg zählt, jeder Weg hat seine Stärken und trägt zum Erfolg der Marke bei. DAB+ hat sich in den letzten Jahren toll entwickelt und sicher haben wir mit RADIO BOB! auch unseren Anteil daran. Denn: Ein Verbreitungsweg ohne attraktiven Content, ohne attraktive Marke, ist irrelevant für den Nutzer. Insofern: Wir glauben an unsere Marke und das Feedback unserer Hörer bestätigt uns nachhaltig in unserem Weg.

RADIOSZENE: Können Sie für das Nutzungsverhältnis zwischen digitaler und UKW-Verbreitung aufschlüsseln? In welchen Bundesländern/Regionen ist BOB! (außerhalb) der UKW-Sendegebiete besonders erfolgreich?

Jan-Henrik Schmelter: Wir haben Hörer im ganzen Bundesgebiet und tragen deshalb ja auch konsequenterweise den Namenszusatz: Deutschlands Rockradio. Wir wissen aber aus dem Hörerfeedback, dass neben den Sendegebieten mit UKW-Verbreitung, also Hessen und Hamburg/Schleswig-Holstein, mit dem eigenständigen Programm RADIO BOB! rockt Schleswig-Holstein, insbesondere die Hörer in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und vor allem in Bayern und NRW RADIO BOB! als ihren Rocksender lieben.

 

„Es ist die Marke, die bei uns stets im Mittelpunkt steht“

 

RADIOSZENE: Haben Sie eine Prognose in welche Richtung und mit welcher Dynamik sich das terrestrische Digitalradio DAB+ weiterentwickelt?

Jan-Henrik Schmelter: Die Wachstumsraten und auch solche Meilensteine wie die gesetzliche Chip-Pflicht in allen Neuwagen, die seit Ende Dezember letzten Jahres gilt (jeder Neuwagen muss DAB+ Empfang ermöglichen), sprechen für sich: Im terrestrischen Bereich gehört die Zukunft DAB+. Auch der zweite Bundesmux wird seine Wirkung zeigen. Wir sind froh, dass wir dazu beitragen konnten, DAB+ als Verbreitungsweg zu etablieren und freuen uns, dass selbst die größten Zweifler zwischenzeitlich Programme auf diesem Verbreitungsweg veranstalten und damit den Verbreitungsweg noch attraktiver machen.

RADIOSZENE: Hilft Ihnen bei Ihrer konsequenten Ausrichtung auf ein Rock-Format, dass inzwischen sehr viele UKW-Radios das Genre anteilsmäßig nur noch sehr eingeschränkt bedienen?

Jan-Henrik Schmelter: Ehrlich gesagt schauen wir wenig auf andere, sondern auf uns und die Bedürfnisse unserer Community. Es geht ja nicht nur um Musik, sondern um das Lebensgefühl, das wir mit unseren Hörern teilen. Unsere Hörer lieben die Marke mit all ihren Facetten. Da können andere Sender ihren Rockanteil hoch- oder runterfahren oder auch versuchen, uns zu kopieren: Wenn Rock, dann BOB!. Das ist für unsere Hörer klar.

RADIOSZENE: Wo findet sich Ihr Kernpublikum?

Jan-Henrik Schmelter: Überall wo RADIO BOB! empfangbar ist, wir relevanten Audio-Content bieten oder wir allgemein mit unserer Marke ihre Lebenswelt bereichern.

RADIOSZENE: „Rock“ ist traditionell eine Männerdomäne, der Frauenanteil bei BOB! liegt bei etwas über 30 Prozent! Was tun Sie, um noch mehr Frauen an den Sender zu binden. Oder ist das Potential ausgeschöpft?

Jan-Henrik Schmelter: Unsere Zielgruppe sind Rockfans. Das Geschlecht ist uns vollkommen egal. Alle, die Rockmusik lieben, finden bei uns eine Heimat. Und wir sind überzeugt, dass es noch viel Heimatlose da draußen gibt, die in unserer Community sehr gut und familiär aufgenommen werden.

Gemeinsam rocken wir alles: Mit Festivalbändchen für den guten Zweck konnte der Sender über 340.000 Euro für Soloselbstständige aus der Veranstaltungsbranche sammeln.
Radio BOB!: Gemeinsam rocken wir alles

RADIOSZENE: Leuchttürme im Programm von RADIO BOB! sind sicher die Musikspecials am Abend – mit der „Alice Cooper Show“ als täglichem Zugpferd. Aber auch die regelmäßigen Shows mit Musikern wie Emil Bulls, The BossHoss oder Fury In TheSlaughterhouse. Untermauern diese Künstler noch einmal mehr die Rock-Kompetenz des Senders?

Jan-Henrik Schmelter: Beides ist ganz wichtig: Wir bieten ja eben mehr als „Playlists“. Wir bieten ein Markenerlebnis und die Teilhabe an einer Community. Zu dieser gehören bei uns eben auch die Rockstars selbst: Alice Cooper, The BossHoss, Fury in the Slaughterhouse, Tobi Sammet, die Emil Bulls oder als ganz aktuelles Beispiel die Mittelalter-Rockband Saltatio Mortis. All diese Künstler stehen bei uns hinterm Mikro und geben in ihren Sendungen oder Podcasts einen ganz persönlichen Einblick in ihre Welt. Unsere Hörer sind so ganz nah dran an ihren Stars. Im Übrigen: Fragen Sie mal die Künstler worüber sie sich mehr freuen – sich bei uns im Programm zu hören oder bei Spotify. Wir haben zu vielen Bands ganz besondere und sehr enge Beziehungen und haben ihre Songs teils erst bekannt gemacht. Radio hat hier nach wie vor eine ganz andere emotionale und besondere Kraft.

RADIOSZENE: Der weit überwiegende Teil der Rockmusik kommt von Bands, die schon sehr lange im Geschäft sind. Wirkliche Newcomer haben es eher schwer. Was tut Radio BOB! zur Förderung des Nachwuchses?

Jan-Henrik Schmelter: Newcomer sind wichtig, gerade auch im Rock. Wir sind stolz drauf, in Deutschland den Ruf zu haben, guten neuen Bands eine Chance zu bieten und ihnen beim Durchbruch zu helfen, wenn wir von Ihnen überzeugt sind: The New Roses, Thundermother, John Diva oder jüngst April Art sind einige Beispiele. Wir kümmern uns ganz bewusst und aktiv auch um diejenigen, die in den Bandkellern der Republik hart arbeiten und eine breitere Öffentlichkeit verdient haben. Deshalb haben wir auch zu Beginn der Pandemie einen extra Newcomer-Stream gestartet, für den sich hunderte Bands beworben haben. Jede Woche kommen neue Bands dazu, die wir gewissenhaft auswählen. Zudem sind wir Partner beim größten deutschen Band-Nachwuchswettbewerb, dem SPH Musicmasters und unterstützen als Medienpartner die Wacken-Music-Academy.

 

„Fragen Sie mal die Künstler worüber sie sich mehr freuen – sich bei uns im Programm zu hören oder bei Spotify“

 

RADIOSZENE: Rockmusik und die Berichterstattung darüber ist naturgemäß ein zentrales Thema. Welche weiteren redaktionellen Inhalte sind bei Radio BOB! zu hören?

Jan-Henrik Schmelter: Rock ist ja nicht nur Musik, sondern Teil des Lebensstils unserer Hörer und auch – gerade ganz aktuell – Teil gesellschaftlicher Debatten rund um die Auswirkungen der Pandemie auf Kultur und Veranstaltungen: Was passiert mit den vielen Beschäftigten in der Veranstaltungsbranche, was mit den Künstlern, die noch nicht so etabliert sind. Wir beschäftigen uns deshalb im Programm auch mit Themen wie Grundeinkommen für Musiker, sind Partner von öffentlichen Diskussionsformaten wie dem von Metality jüngst organisierten Metal Summit, bei dem zum Beispiel der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, einen Kultur-Lastenausgleich gefordert hat. Auch haben wir im Sommer eine fantastische Resonanz auf unsere Hörer-Aktion „Helft den Festivalhelden“ erhalten. Über 340.000 Euro sind dabei von unserer Community für Soloselbstständige gespendet worden und an unsere Partner vom Hilfsfond „#handforahand“ geflossen, die dafür den „Heinrich-Preis“ der Heinrich Böll-Stiftung erhalten haben. 

RADIOSZENE: Mit fast 40 Kanälen verfügen Sie über ein stattliches Angebot an Spartenstreams. Vom Artist-Channel bis Kuschelrock wird nahezu jede Facette besetzt. Wie intensiv werden diese Webradios genutzt? Wie wichtig sind sie für die digitale Gesamtstrategie?

Jan-Henrik Schmelter: Wir verstehen uns durch und durch als digitale Marke, die insbesondere in der Online Nutzung ihre Stärken mit differenzierenden Inhalten wie Podcasts oder Spezialstreams ausspielen kann. Wir bieten unseren Hörern so die ganze Vielfalt des Rocks, aber auch die Einzigartigkeit. Bei rund 40 Streams von Mittelalterrock bis Rockabilly findet bei uns jeder etwas und dazu noch Original-Content wie unseren Radio Orchid-Furystream oder Rodeo Radio, unseren The BossHoss-Stream. 

The BossHoss sind mit Rodeo Radio jeden zweiten Samstag on air (Bild: ©RADIO BOB!)
The BossHoss sind mit Rodeo Radio jeden zweiten Samstag on air (Bild: ©RADIO BOB!)

Die Zahlen der ma IP-Audio bestätigen diesen Kurs auch eindrucksvoll: wir hatten bei der letzten Ausweisung ein Wachstum von 47% gegenüber Vorjahr und weit über sieben Millionen Sessions pro Monat, kein anderer Sender in Deutschland hat eine solche Wachstumsdynamik.

RADIOSZENE: Die Festivalsaison 2020 ist wegen der Corona-Pandemie fast komplett ausgefallen. Bei Radio BOB! waren die Berichterstattung und programmliche Verbundenheit zu diesen Events in den vergangenen Jahren immer ein wichtiger Teil des Sendegeschehens. Über welche Alternativen konnten Sie dieses Defizit auffangen?

Jan-Henrik Schmelter: Natürlich war und ist das ein heftiger Schlag, weil wir gerade im Eventbereich stark engagiert sind. Dass wir mit der Marke nicht „draußen“ auf den Festivals erlebbar sein konnten, hat in der Tat so etwas wie einen „Phantomschmerz“ verursacht. Aber ganz ehrlich: Wir leiden vor allem mit unseren zahlreichen Partnern aus der Veranstaltungsbranche mit, die keine Chance haben, ihre Verluste auch nur ansatzweise wieder einzufahren, insbesondere auch die Soloselbstständigen wie Licht- und Tontechniker oder die so genannten „Stagehands“ in diesem Bereich. Deshalb haben wir ja auch unsere Aktion „Helft den Festivalhelden“ gestartet. So konnten wir unseren Hörern, für die ein Festivalsommer zum Lifestyle dazu gehört, die Chance bieten, aktiv zu helfen und sich als Teil der Rock-Community solidarisch zu zeigen. Und natürlich haben wir auch virtuelle Formate unterstützt und trotzdem über die vielen kreativen Aktionen von Veranstaltern und Künstlern berichtet oder sie sogar selbst mit ausgerichtet.

RADIO BOB handforahand Baendchen 555

*ma Audio 2020 II, Hörer pro Tag, Mo-Fr, Dspr. Bev. 14+ (inkl. RADIO BOB! rockt SH), 2ma Audio 2020 II, Hörer pro Durchschnittsstunde, Mo-Fr, Dspr. Bev. 14+ (inkl. RADIO BOB! rockt SH)