Facebook-Verbot für den ORF: Ö3-Chef Georg Spatt hofft auf „Reparatur dieses Anachronismus”

In Österreich schla­gen die Wellen hoch: Pünktlich zu den ers­ten Verhandlungen über eine Novelle des ORF-Gesetzes ver­weist die Kommunikationsbehörde KommAustria auf einen Gesetzesverstoß. Die Medienwächter lie­ßen den ORF schrift­lich wis­sen, dass Facebook-Auftritte wie „Große Chance” und „Wir sind Kaiser” zu unter­las­sen sei­en. Eifrig wer­den in der Mitteilung wei­te­re 37 Seiten auf­ge­zählt, die der Aufsichtsbehörde nach jet­zi­gem Gesetzesstand ein Dorn im Auge sind. Beschränkt doch §7f,  Absatz 2, Abschnitt 25 des ORF-Gesetzes die zuläs­si­gen Social Media-Aktivitäten der­zeit aus­drück­lich auf Berichterstattung mit tages­ak­tu­el­lem Nachrichtenbezug. Der Standard teilt mit, dass die Entscheidung am Donnerstag ver­schickt wur­de - am Freitag began­nen ers­te Gespräche von ORF-Redakteuren über Gesetzesänderungen.

Da KommAustria wegen der Gesetzeslage wenig Spielraum blieb, lau­tet der Text im ent­spre­chen­den Bescheid kate­go­risch, für den öffent­lich-recht­li­chen Rundfunk Österreichs käme „eine Bereitstellung von Online-Angeboten auf Facebook sei­tens des ORF prin­zi­pi­ell nicht in Betracht”.

Gerade die­se Formulierung lässt die ORF-Oberen ent­zürnt reagie­ren. So twit­ter­te ORF-Chef Alexander Wrabetz, er wer­de den Entscheid nicht akzep­tie­ren und Ö3-Programmdirektor Georg Spatt kom­men­tier­te demons­tra­tiv auf Facebook:

Reaktion von ORF Generaldirektor Alexander Wrabetz auf twitter
Reaktion von ORF Generaldirektor Alexander Wrabetz auf twitter
Ö3-Senderchef Georg Spatt auf Facebook
Ö3-Senderchef Georg Spatt auf Facebook

Eine Berufung wür­de einen Zeitaufschub bedeu­ten, denn die bean­stan­de­ten Seiten könn­ten bis zu einer wei­te­ren Entscheidung online bleiben.

Georg Spatt, seit über 10 Jahren Ö3-Chef, nimmt gegen­über RADIOSZENE aus­führ­lich Stellung:

Ö3-Chef Georg Spatt (Bild: ORF/Hans Leitner)
Ö3-Chef Georg Spatt (Bild: ORF/Hans Leitner)

„Die Vorstellung, dass ein Gesetzgeber im Jahr 2012 wirk­lich der Meinung ist, einem mei­nungs­bil­den­den Medium, egal ob öffent­lich recht­lich, pri­vat­wirt­schaft­lich oder ‘frei’, den Zugang zu Social Media-Angeboten wie z. B. Facebook zu ver­bie­ten, ist für mich so absurd, dass ich mich jetzt ein­mal absicht­lich naiv stel­le und an das Gute, also an die rasche Reparatur die­ses Anachronismus glau­be. Und selbst­ver­ständ­lich lade ich auch alle Ö3 HörerInnen via Facebook ein, sich selbst eine Meinung dar­über zu bil­den und ihre Meinung auch mit uns und ande­ren Facebook-Freunden aus­zu­tau­schen. Dass uns viel an unse­ren Möglichkeiten liegt, mit unse­ren Hörer mög­lichst unmit­tel­bar in Kontakt zu ste­hen, ist ja nahe­lie­gend. Dass das aber auch unse­ren Hörern ein gro­ßes Anliegen ist, zeigt wohl die Tatsache, dass Ö3 mit aktu­ell mit mehr als 260.000 FB Freunden eine der die größ­ten und aktivs­ten öster­rei­chi­sche FB Communities, und auch eine der größ­ten Radio Communities im deutsch­spra­chi­gen Raum hat.

Was ein FB Verbot für Ö3 bedeu­ten wür­de? Ganz ehr­lich, rein for­mal lässt sich so etwas viel­leicht ver­bie­ten, aber unse­re HörerInnen, JournalistInnen, ModeratorInnen und Kreativen wer­den durch for­mal tech­ni­sche Verbote sicher nicht auf­hö­ren, Wege zu fin­den so mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren, wie das auf der gan­zen (zivi­li­sier­ten) Welt funktioniert.“

Der Wellenchef zeigt sich also kämpferisch.

Allerdings bie­tet sich für den ORF ein beque­mer Ausweg: Da pri­va­te Aktivitäten durch­aus zuläs­sig sind und blei­ben, blie­ben per­sön­li­che Fanseiten oder pri­va­te Auftritte von ORF-Mitarbeitern wei­ter­hin mög­lich. So dür­fen die Fans wei­ter pos­ten und auch ZiB-Moderator Armin Wolf darf wei­ter twit­tern. Allerdings ist den Medienhütern auf­ge­fal­len, dass der Ö3-Auftritt zwar von einem Fan ein­ge­rich­tet wur­de, aber ORF-Mitarbeitern inzwi­schen Administratorrechte ein­ge­räumt wur­den. Zudem stör­te sie das umfang­rei­che Angebot an Eigenmaterial in Form von Fotos und Videos.

Ö3 auf Facebook
Ö3 auf Facebook

 

Wortlaut-Auszug §4f „ORF-Gesetz” seit 01.10.2010:

Bereitstellung wei­te­rer Online-Angebote - §4f

(2) Folgende Online-Angebote dür­fen nicht im Rahmen des öffent­lich-recht­li­chen Auftrags bereit­ge­stellt werden:

[...]

25.   sozia­le Netzwerke sowie Verlinkungen zu und sons­ti­ge Kooperationen mit die­sen, aus­ge­nom­men im Zusammenhang mit der eige­nen tages­ak­tu­el­len Online-Überblicksberichterstattung

[...]

Weitere Reaktionen auf die­se Einschätzungen aber bie­ten das Bild, das zu erwar­ten war: Redakteurssprecher Dieter Bornemann und Redakteursrat Fritz Wendl unter­strei­chen die Bedeutung unmiss­ver­ständ­li­cher Gesetzesänderungen, der Österreichische Journalisten Club bezeich­net die Entscheidung als absurd - und die Zeitschriftenverleger im „Verband Österreichischer Zeitungen” begrü­ßen den Bescheid aus­drück­lich mit Hinweis auf Wettbewerbsverzerrungen.

Links
derstandard.at mit einer Auflistung der bean­stan­de­ten Seiten
rtr.at: Wortlaut des Bescheides der KommAustria