Warum die Einführung von UKW gescheitert ist

Katastrophale Folgen: Elektroschrott und verwaiste Hörergruppen

„Wird unser Radio ‚Altmaterial‘ werden?“

(Titel eines Beitrags in: Radio-Almanach, H. 9, 27.02.1949, S. 15, zit. nach Wilhelm Herbst: UKW-Entwicklung in Deutschland 1947-1950. Dessau: Funk Verlag Bernhard Hein e.K. 2007, S. 32-33)

„Es klingt wie ein schlechter Witz von Radio Eriwan: Voraussichtlich im Jahr 2015 – nach dem Willen der EU sogar schon 2012 – soll der Hörfunk komplett digitalisiert werden. Die in deutschen Haushalten befindlichen fast 300 Millionen UKW-Geräte würden mit einem Mal zu Elektroschrott.“
(Helmut Merschmann: „UKW-Radio in der Krise. Erlösung durch Massenverschrottung“, in: Der Spiegel vom 29.11.2006, abrufbar unter http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,451362,00.html)

„In Westdeutschland sind rund 5 Millionen Radiogeräte im Gebrauch. Bei einem Durchschnittswert von ca. 50,- DM pro Gerät ergibt dies eine Summe von 250 Millionen Mark. Unsere verarmte Volkswirtschaft kann es sich einfach nicht leisten, diesen Teil ihres Vermögens verschwinden zu lassen.“
(„Wird unser Radio ‚Altmaterial‘ werden?“, in: Radio-Almanach, H. 9, 27.02.1949, S. 15, zit. nach Wilhelm Herbst: UKW-Entwicklung in Deutschland 1947-1950. Dessau: Funk Verlag Bernhard Hein e.K. 2007, S. 32-33)

„Radios sind irgendwie unzerstörbar. Und man kann tatsächlich niemandem erklären, warum die 300 Millionen funktionierenden Radiogeräte weggeschmissen werden sollen.“
(Stefan Fischer, Medienredakteur der Süddeutschen Zeitung, in einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des Radios am 10.12.2011, nachzulesen und zu hören unter http://detektor.fm/kultur/radio-ist-konkurrenzlos-weil-wir-auf-die-ohren-gehen-diskussion-zur-zukunft/)

„Hier macht der Rundfunk einen Fehler, er propagiert den Rundfunk des reichen Mannes. Was soll die arme Kriegerwitwe tun, deren ganzer Lebensinhalt am Rundfunk hängt? Sie kann UKW nicht hören.“
(Karl Arnold, der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, in seiner Eröffnungsrede zur Funkausstellung in Düsseldorf 1950, zit. nach Reinhard Schneider: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des Ultrakurzwellen-Rundfunks. Berlin: Drei-R-Verlag 1989, S. 58)

„Das [die UKW-Abschaltung] ist natürlich großer Käse. Das ist eine idiotische Idee, denn man zerstört Wertschöpfung. Wenn 2015 ausgeknipst wird, wie es noch bis vor kurzem im Telekommunikationsgesetz stand, dann möchte ich mal die Politiker erleben, die dann die Omas vor der Tür haben und ihnen sagen müssen, dein Radio gibt’s nicht mehr.“
(Boris Lochthofen, Geschäftsführer der Regiocast-Beteiligung in Sachsen, in einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des Radios am 10.12.2011, nachzulesen und zu hören unter http://detektor.fm/ kultur/radio-ist-konkurrenzlos-weil-wir-auf-die-ohren-gehen-diskussion-zur-zukunft/)

Schädliche und störende Auswirkungen außerhalb des Hörfunks

„UKW-Sender mit gerichteter Strahlung können das Wachstum zahlreicher Pflanzen stören und hemmen. Es lassen sich auf diese Weise ganze „Breschen“ in junge Waldungen schlagen.“
(„UKW stört Wachstum“, in: Radio-Amanach, H. 24, 11.06.1950, S. 6, zit. nach Wilhelm Herbst: UKW-Entwicklung in Deutschland 1947-1950. Dessau: Funk Verlag Bernhard Hein e.K. 2007, S. 134)

„Am 1. August wurde in Deutschland das neue Digitalradio DAB+ eingeführt, das bessere Qualität und mehr Programme verspricht. Die Frequenzen von DAB+ liegen aber nicht weit von denen des Polizeifunks.

Die Beamten hören nun in ihren analogen Funkgeräten oft nur Rauschen. Besonders drastisch ist der Fall in Dortmund, wo das Innenministerium bis Sonntag die neuen Digitalsender abschalten lässt […]. Insgesamt hat das neue Digitalradio bisher mehr Ärger verursacht als neue Hörer gewonnen. In vielen Tausenden Haushalten ist seit dem Beginn der Ausstrahlung der analoge Fernsehempfang gestört. Im Frankfurter Raum ist das ZDF verschwommen, in Nordrhein-Westfalen das Programm der ARD, in Hamburg RTL. ‚Der Grund sind Antennenkabel, die nicht genügend isoliert sind‘, sagt ein Sprecher der Bundesnetzagentur.“
(Bernd Dörries: „Neues Digitalradio DAB+ abgeschaltet“, in: Süddeutsche Zeitung vom 03.09.2011, abrufbar unter http://www. sueddeutsche.de/medien/2.220/neues-digitalradio-dab-abgeschaltet-1.1138541)

Technische Alternativen

„Zu den Auswirkungen des Kopenhagener Wellenplans auf die Rundfunkversorgung des Bundesgebiets hält die Deutsche Post eine gründliche und vergleichende Prüfung aller sich anbietenden technischen Lösungen auf Bundesebene für notwendig, da es sich hierbei um außerordentlich weitreichende und folgenschwere Entschlüsse handelt. Wird doch beispielsweise bei der geplanten Einführung eines UKW-Rundfunks die Hörerschaft durch die Beschaffung von UKW-Zusatzgeräten oder -Empfängern insgesamt in viel höherem Maße mit den Kosten für die Umstellung belastet als die Sendeseite, während andere technische Lösungen denkbar sind, wie zum Beispiel Drahtfunk, bei dem der Hörer voraussichtlich in geringerem Umfang zu den Umstellungskosten herangezogen wird.“ (Ministerialrat Pressler als Vertreter der Hauptverwaltung für das Post- und Fernmeldewesen vor dem Ausschuss für Rundfunk, Film und Presse des Deutschen Bundestages im Herbst 1949, zit. nach Reinhard Schneider: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des Ultrakurzwellen-Rundfunks. Berlin: Drei-R-Verlag 1989, S. 56)

„Seit 2008 wird von den Programmanbietern zur Kostensenkung ein effizienterer Übertragungsstandard DAB+ verfolgt, der auch Grundlage für das gegenwärtig in Aufbau befindliche bundesweite Programmensemble ist. DAB+ ist jedoch nicht kompatibel mit DAB und kann von den heute im Markt befindlichen Endgeräten nicht empfangen werden.
Daneben bestehen in Europa und weltweit zahlreiche andere Verfahren, um Audioprogramme digital terrestrisch zu übertragen: Von der digitalen Mittelwelle DRM+, dem Fernsehstandard DVB-T, Handyfernsehen DVB-H oder DMB bis zu Internetradio.“ (ADAC – Zur Sache: Einführung von Digitalradio in Deutschland, Februar 2011, abrufbar unter http://www.adac.de/_mmm/pdf/tuz_ radio_sp_digitalradio_0211_63165.pdf)

„Das Letzte, was Menschen im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends brauchen, ist Digital Audio Broadcasting. Das Internet macht diesen einstigen Hoffnungsträger der digitalen Radioübertragung inzwischen überflüssig. Jetzt kostet er nur noch Gebührengelder. […] Der mit politischem Wohlwollen und viel Gebührengeld gepäppelte Wachkoma-Patient DAB (mit oder ohne plus) ist daher eine Beleidigung der technischen Intelligenz unserer Zeit. […] Es gibt längst von den Hörern akzeptierte Alternativen zu DAB. Wollte man diesen Hörern einen Gefallen tun, dann sollte man Gebührengelder in den Ausbau der Internet-Erreichbarkeit stecken. Aber dafür sind die Gelder nicht vorgesehen. Dumm nur, dass man ihnen jetzt bei der Verbrennung zusehen muss.“ (Bernd Graff: „Digital Audio Broadcasting (DAB): Beleidigung der technischen Intelligenz“, in: Süddeutsche Zeitung vom 02.07.2011, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/medien/digital-audio-broadcasting-dab-beleidigung-der-technischen-intelligenz-1.1115111)

„Wir glauben selbst nicht daran“

„‚Wir bauen UKW‘, sagt man bei den Saba-Leuten, die den billigsten Einbaupendler für 27 DM und einen Einbausuper für 82 DM auf den Markt bringen. ‚Aber wir rechnen nicht mit großem Absatz.'“
(„Musik aus dem Tisch“, in: Der Spiegel 34/1950 (24.08.1950), S. 39-41, abrufbar unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44449518. html)

„Wir machen das natürlich auch mit, aber glauben auch nicht daran. Ich saß bei der IFA auf einem Podium und da saß auch einer der Vertreter von DAB+, der versuchte, mich persönlich zu überzeugen, dass man da doch jetzt auch noch Bilder übertragen kann, und da dachte ich: Ist das nicht Fernsehen?“ (Robert Skuppin, Programmchef von radioeins, in einer Podiumsdiskussion zur Zukunft des Radios am 10.12.2011, nachzulesen und zu hören unter http://detektor.fm/kultur/radio-ist-konkurrenzlos-weil-wir-auf-die-ohren-gehen-diskussion-zur-zukunft/)

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