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Warum die Einführung von UKW gescheitert ist

Bauer UKW DAB big

Ein Rückblick aus der Zukunft

von Helmut G. Bauer

Innovationen im Rundfunk stoßen schon immer auf heftige Ablehnung. Bereits zum Start des Fernsehens in Deutschland hat der damalige Bundestagspräsident Ehlers am 20.01.1953 an den NWDR-Intendanten ein Telegramm geschickt: „Sah eben Fernsehprogramm. Bedauere, dass Technik uns kein Mittel gibt, darauf zu schießen“. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, wenn es um die Einführung des ZDF, des Farbfernsehens, des Videotextes, des Kabel- oder Satellitenfernsehens oder um den Start des privaten Rundfunks im Jahr 1984 ging. Die Entwicklungen zeigen, dass Zuschauer und Zuhörer die neuen Technologien trotzdem angenommen haben, wenn auch manchmal nicht ganz so schnell, wie sich die Protagonisten dies gewünscht haben.

Analysiert man die dabei verwendeten Argumente stößt man immer wieder auf die gleichen Muster: Keiner braucht noch mehr Programme. Die technische Verbreitung ist nicht flächendeckend. Die Hörer bzw. Zuschauer sind nicht bereit, sich neue Empfangsgeräte zu kaufen. Die alten Geräte werden zu Elektronikschrott. Die geringe Zahl der verkauften Geräte beweist, die Ablehnung bei den Hörern und Sehern. Man soll mit dem Kauf warten, weil es bald eine neue und noch bessere Technologie gibt.

Diese Argumente werden aktuell auch wieder im Zusammenhang mit dem Start des Digitalradios vorgetragen, um die Verbreitung von Programmen über UKW zu verteidigen. Dabei wird übersehen, dass auch die Einführung von UKW heftig umstritten war, weil es die erfolgreiche Mittelwelle ablöste. Deshalb lohnt es sich, die Argumente gegen UKW nochmals in Erinnerung zu rufen und sie mit den Positionen zur Einführung von DAB+ zu vergleichen.

Die nachfolgende Gegenüberstellung soll dazu anregen, die Argumente zu überdenken und zu schärfen.

Argumente für und gegen UKW und Digitalradio DAB+ – Eine Gegenüberstellung

Die Vorteile

„Der FM-Rundfunk beschert uns eine größere Klanggüte und Natürlichkeit der Übertragung. Allen Diskussionen zum Trotz, daß die normalen Lautsprecher so hohe Frequenzen nicht abstrahlen könnten, verblüfft uns immer wieder die bisher im Rundfunk noch nicht erlebte Klanggüte. […] Fast so alt, wie der Rundfunk überhaupt ist, so alt ist neben dem Wunsch nach beständiger Qualitätsverbesserung auch der Wunsch nach einer Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren technisch gleichwertigen Programmen. […] Als Ausweg aus dieser unbefriedigenden Lage ist schon vor vielen Jahren (u. a. von v. Ardenne) das Mehrfachprogramm auf mehreren Ultrakurzwellen vorgeschlagen worden. Jetzt stehen wir unmittelbar vor der Verwirklichung.“

(H. Nitsche: „FM-Rundfunk in Deutschland“, in: Funkschau 1949, Heft 4)
 

„Wichtigster Pluspunkt von DAB+ ist sein Klang: Im Digitalfunk rauscht und knackt es nicht. DAB+ sendet in CD-naher Qualität, dank moderner Technik. […] Wenn die Umstellung erfolgt ist, wird das Angebot größer sein als bei UKW.“ (Karl-Gerhard Haas: „Rundfunk ohne Rauschen“, in: Der Stern 50/2011, S. 76)

 

„Die Dinge bewegen sich im Kreise“ – das Henne-Ei-Problem
„Zweifellos ist die Umstellung des Rundfunkbetriebes in einem so großen Lande wie die USA, das überdies die höchste Anzahl von Empfängern aufweist, kein einfaches Problem. Nicht nur daß die plötzliche Aufgabe des AM-Prinzips viele Millionen von Empfangsgeräten wertlos machen würde. Die amerikanischen Rundfunkgesellschaften werden bekanntlich aus den Einkünften der Radiowerbung finanziert. Eine Station, die heute von AM auf FM umstellen würde, sänke zwangsläufig auf einen Bruchteil ihrer früheren Hörerzahl ab und verlöre damit den größten Teil ihrer Werbekunden, die schließlich nicht dafür zu zahlen gewillt sind, daß ihre Werbesendungen nicht gehört werden. Eine Sendegesellschaft kann sich daher zu einer Änderung erst dann entschließen, wenn genügend FM-Empfänger unter ihren Hörern verbreitet sind. Dies aber kann nicht erreicht werden, solang nicht genügend FM-Geräte gebaut sind, und diese wiederum las-sen sich nur dann absetzen, wenn wenigstens ein Teil der Sendegesellschaften FM-Sender errichtet. Die Dinge bewegen sich also im Kreise. Dabei ist nicht zu übersehen, daß es um beträchtliche Werte, Gewinne oder Verluste geht.

(„FM contra AM“, in: Funk-Technik, H. 8, 15.04.1947, S. 3, zit. nach Wilhelm Herbst: UKW-Entwicklung in Deutschland 1947-1950. Dessau: Funk Verlag Bernhard Hein e.K. 2007, S. 12)

„Kein Wunder, dass die Privatfunker skeptisch sind. Damit sich Werbung via DAB+ lohnt, müssen laut VPRT in den nächsten vier Jahren 16 Millionen neuartige Radios verkauft werden. Zudem muss DAB+ in der Republik lückenlos empfangbar sein.“ (Jürgen Overkott: „DAB+ – Ära der Digitalradios startet leise“, in: Der Westen vom 01.08.2011, abrufbar unter http://www.derwesten.de/ panorama/dab-aera-der-digitalradios-startet-leise-id4925882.html)

„Da bisher nur wenige Hörer sich ein neues, teureres Radio mit Digitaltechnik gönnen, ist die Verbreitung aktuell dementsprechend gering. Daher zögern viele Sender auch mit der Umstellung auf den neuen Verbreitungsweg.“ (Benjamin Horbelt: „Das neue DAB+ – ein Ladenhüter mit vielen Vorteilen“, in: Quotenmeter.de vom 09.09.2011, abrufbar unter http:// www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=51932&p3=)

„Angesichts der wenigen Nutzer bleibt auch das Programmangebot begrenzt. Meist handelt es sich um die parallele Übertragung vorhandener UKW-Angebote. Es gebe kein attraktives Pro-gramm, klagen die Hersteller aus der Unterhaltungselektronik und halten sich mit kostengünstiger Großserienproduktion zurück. Fehlende Empfänger schrecken wiederum die Programmanbieter ab. Das alte Henne- und Ei-Problem also?“ (Hans J. Kleinsteuber: „DAB-Radio: Digitale Quälerei“, in: Der Spiegel vom 03.06.1999, abrufbar unter http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/ 0,1518,25577,00.html)

„Um die Jahreswende 1949/50 meinten die Sendegesellschaften, daß die Industrie offenbar versagt habe, weil noch keine billigen UKW-Vorsatz- und -Einsatzgeräte auf dem Markt sind, von AM/FM-Empfängern ganz zu schweigen. Seit Mai/Juni dieses Jahres erklären die Hersteller der inzwischen sehr zahlreich gewordenen UKW-Modelle: Die Sender sind schuld … am geringen Interesse des pp. Publikums und den kleinen Umsätzen … Im Süden gibt’s noch immer kein zweites Programm und im Norden, wo wir eins haben, ist der UKW-Sender Langenberg der Sündenbock, weil er so unregelmäßig arbeitet, außerdem fehlen Oldenburg und Detmold noch immer. Vielleicht hat man inzwischen gemeinsam herausgefunden, daß unzweifelhaft die Radfahrer an allem schuld sind …“ („Bemerkungen zum UKW-Problem“, in: Funk-Technik, H. 16, 01.08.1950, S. 492, zit. nach Wilhelm Herbst: UKW-Entwicklung in Deutschland 1947-1950. Dessau: Funk Verlag Bernhard Hein e.K. 2007, S. 170-171)

„Eine 28-Millionen-Mark-Werbekampagne soll nun für eine Digitalradio-Gerätenachfrage sorgen und das viel diskutierte ‚Henne-Ei-Problem‘ lösen. Die Geräteindustrie fordert eine größere Programmvielfalt und die Bewerbung des neuen Empfangssystems, die Rundfunkanstalten kontern mit dem Argument zu teurer Endgeräte.“ (Mario Gongolsky: „Digitalradio DAB: Hörgenuss oder Elektroschrott?“, in: Der Spiegel vom 15.08.2011, abrufbar unter http://www.spiegel. de/netzwelt/tech/0,1518,150153,00.html)

„Es gab Vertreter der Empfänger bauenden Industrie, denen das Risiko des Einstiegs in die UKW-Technik zu hoch erschien und die deshalb am liebsten abwarten wollten, bis die Rundfunk-anstalten zumindest ihr erstes UKW-Sendernetz voll ausgebaut hatten. Sie befürchteten eine Absatzkrise bei ihrer laufenden Produktion, das waren Empfänger ohne UKW-Bereich. […]
Dabei rückte der Tag, an dem der neue Wellenplan gelten sollte, immer näher. Ein neuer Anstoß in der Empfängerfrage war sehr willkommen. Er kam von der Münchener Firma Rohde & Schwarz. Dr. Rohde: ‚Wir hatten daher inzwischen mit der Entwicklung eines Rundfunkempfängers begonnen, der die üblichen Frequenzbereiche hatte und zusätzlich für UKW brauchbar war. Da damals die Rundfunkindustrie nicht besonders erfreut war, neue Geräte herausbringen zu müssen, haben wir mit einer Auflage von 500 Geräten begonnen, aber überall erzählt, daß wir mindestens 5.000 Stück machen. Dieser Trick brachte die Konkurrenz schnell wach, und alle Firmen der Rundfunkindustrie begannen auch derartige Geräte zu bauen. Die meisten der ersten Geräte haben wir Interessenten kostenlos zur Verfügung gestellt, um möglichst schnell das Interesse für den UKW-Rundfunk wachzurufen. Wir haben übrigens niemals die 500 Geräte gebaut, sondern die Produktion nach einigen Hundert aufgegeben, weil es genügend Firmen gab, die diese Empfänger bauten, oder Vorsatzgeräte, die es ermöglichten, UKW auch mit einem normalen Empfänger zu hören.'“ (Reinhard Schneider: Die UKW-Story. Zur Entstehungsgeschichte des Ultrakurzwellen-Rundfunks. Berlin: Drei-R-Verlag 1989, S. 50-51. Als Quelle für das Zitat von Dr. Rohde ist angegeben: L. Rohde: „Der 28. Februar 1949 – ein historischer Tag“, in: Süddeutsche Zeitung vom 28.02.1964, Beilage Der Mensch und die Technik, S. 2)

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