FFH Radio Creator: „Wir können für jeden Nutzer eine individuelle Empfehlungsliste berechnen“

Die deutschen Radiosender haben im Vorjahr weiter intensiv an der Verknüpfung zwischen linearem Programm und digitaler Welt gewerkelt. Eine klug investierte Anstrengung, schließlich liegt in dieser Strategie der Schlüssel für eine dauerhafte Konkurrenzfähigkeit der Branche gegenüber den Mitbewerbern im Medienmarkt.  

Sichtbare Zeichen sind die betriebsamen Aktivitäten innerhalb der Online-Portale und Audiotheken, die Dynamik bei der Durchsetzung immer neuer Podcast-Formate – aber auch der erneute Ausbau an Masse und Vielfalt von „Online-Submarken“. Laut einer Zählung im Dezember 2022 waren es zu diesem Zeitpunkt 1.570 Angebote. Im Vergleich zum Dezember 2021 bedeutet das ein Plus von rund 17 Prozent (1.341 Angebote). 

Maßgebliche Treiber dieser Entwicklung waren RTL Radio Deutschland (die beispielsweise ihre Palette allein beim Berliner Sender 104.6 RTL auf über 90 Kanäle ausgebaut haben) sowie das in Bad Vilbel beheimatete Unternehmen Radio/Tele FFH, welches für seine Sender Hit Radio FFH, planet radio und harmony.fm nun über 80 Webstreams eingerichtet hat. 

Radio CreatorWobei die Hessen ihre Hörerinnen und Hörern im Dschungel der beachtlichen Vielfalt an Kanälen nicht ohne personalisierte Lösungen lassen. Die in den FFH-Labors entwickelte Technik „Radio Creator“ beinhaltet zahlreiche Features wie Musiktitel-Austausch, „Playout-System“ oder ein „Empfehlungs-System“. Anwendungen, die den NutzerInnen neue, bisher in ihrem Radio ungekannte Möglichkeiten anbieten.   


Im Interview mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich erläutert Roger Hofmann, Leiter Digital der Radio/Tele FFH, die digitale Strategie rund um Webkanäle und den „Radio Creator“.

 

„Wir wollen erreichen, dass jeder, der unsere Angebote nutzt, zu jeder Zeit die für sich passende Playlist findet: Den richtigen Channel – je nach Stimmung oder Informationsbedürfnis“

 

RADIOSZENE: Radio Tele/FFH hat im vergangenen Jahr intensiv am Ausbau ihres Webradio-Portfolios gearbeitet. Namentlich das Angebot von planet radio wurde sehr umfangreich erweitert. Welches sind die Gründe für diese massive Aufstockung?

Roger Hofmann: Wir wollen erreichen, dass jeder, der unsere Angebote nutzt, zu jeder Zeit die für sich passende Playlist findet: Den richtigen Channel – je nach Stimmung oder Informationsbedürfnis. Bei den planet radio-Hörerinnen und -Hörern gibt es ganz verschiedene Geschmacks-Zielgruppen.

Roger Hofmann (Bild: © FFH)
Roger Hofmann (Bild: © FFH)

Deshalb haben wir über 30 neue planet-Kanäle gestartet. Auch bei unserem 80er-Radio harmony sind viele neue Star-Kanäle dazu gekommen, wie etwa das Tina Turner-, Elton John- oder Depeche Mode-Radio. In den Apps von HIT RADIO FFH, planet radio und harmony sind damit jetzt über 80 verschiedene Streams verfügbar. Wir sehen, dass FFH-Hörer auch gerne mal einen der Kultnight-Kanäle von harmony hören oder das Taylor Swift-Radio von planet radio.

RADIOSZENE: Neben Genre-Channels stehen heute „Mood“- und „Star“-Channels im Vordergrund. Nach welchen Kriterien und Überbegriffen sind die Angebote strukturiert?

Roger Hofmann: planet radio hat neben den neuen Musik-Channels aktuell auch vier neue Mood-Channels bekommen – basierend auf unseren sog. Plus-Programmen. Hier läuft das gewohnte Live-Programm mit allen Inhalten, präsentiert von den in der planet-Community beliebten Moderatorinnen und Moderatoren. Die Musik kann man in den Plus-Kanälen an die eigene Stimmung anpassen. 

Während ich etwa Yella am Nachmittag höre, kann ich bestimmen, ob gerade mehr gute Laune-Songs laufen sollen oder ich zusätzliche Uptempo-Tracks für den Sport brauche. Vier dieser Mood-Channels gibt es jetzt: planet PLUS power, planet PLUS fun, planet PLUS liebe und planet PLUS heartbreak.

Die Software, mit der wir im Live-Stream Musiktitel tauschen, hat das Digital-Team der Radio/Tele FFH 2019 schon für HIT RADIO FFH entwickelt. Inzwischen ist daraus ein Cloud Service geworden, den wir „Radio Creator“ getauft haben. Damit produzieren wir für unsere Sender 12 verschiedene, moderierte Plus-Programme. Und die Hörer sind begeistert. FFH+ CHARTS Hörerin Nadja schreibt uns: „Die Möglichkeit, die aktuelle Radio-Playlist mit dem eigenen Geschmack aufzupeppen, ist eine Mega-Idee“.

RADIOSZENE: Neuland sind die so genannten „Star“-Channels. Gibt es für diese Angebote eine besonders hohe Nachfrage?

Roger Hofmann: Jeder hat musikalische Idole. Bei den Jüngeren sind es Harry Styles, Ed Sheeran oder Taylor Swift. Die Älteren lieben die Genialität von Elton John und Queen oder die außergewöhnlichen Stimmen von Whitney Houston und Tina Turner. Unsere Musikredaktionen haben 35 Stars und Bands identifiziert, für die es in unseren Zielgruppen eine besonders hohe Leidenschaft gibt. Die Star-Radios, in denen wir ausschließlich die Hits eines Künstlers spielen, sind erst seit ein paar Wochen online. Aber wir sehen bei unserem 80er-Radio harmony schon jetzt eine hohe Nachfrage nach dem Tina Turner- und Phil Collins-Radio. Bei planet radio sind es die Star-Channels von Ed Sheeran, Drake und Rihanna.

RADIOSZENE: Wer ist für Zusammensetzung der Musikpools verantwortlich?

Roger Hofmann: Die Musikauswahl liegt in den bewährten Händen unserer Musikredaktionen von HIT RADIO FFH, planet radio und dem 80er-Radio harmony. Unsere Musikredakteurinnen und -Redakteure haben in den vergangenen Wochen liebevoll die Musikpools für die neuen Channels zusammengestellt. In der Vorbereitungszeit durfte ich erleben, mit wie viel Herzblut alle dabei sind. Musik ist eine sehr emotionale Angelegenheit.

RadioCreator Stundenuhren

Unser Digital-Team hat sich den Workflow, von der Auswahl eines Titels bis zum Ausspielen im Webradio, angesehen. Daraus ist unser „Radio Creator Playout System“ entstanden. Algorithmen entlasten nun die Musikredaktion von allen Standard-Aufgaben. Die Redakteure können sich ganz auf das Kuratieren der Musik konzentrieren. Alles andere – zum Beispiel die Musikplanung und das Platzieren von Jingles und Droppern – übernimmt die „Radio Creator“-Cloud. So ist es möglich, mit einem kleinen Team über 80 Webradios zu betreiben.

 

„Mit der neuen ‘Radio Creator Replacer‘-Technologie können wir unserem Publikum nun auch personalisierte Musik zusätzlich zum emotionalen und regionalen Content anbieten“

 

RADIOSZENE: Mit dem weiterentwickelten Portfolio bieten Sie den Nutzern vergleichbare Möglichkeiten, die bei Streaming-Diensten abrufbar sind. Auf welchen Gebieten sind Sie hier gegenüber Spotify & Co. im Vorteil?

Roger Hofmann: Radio ist emotional und regional. Das sind unsere großen Stärken. Unsere Hörerinnen und Hörer beginnen ihre Tagesroutine mit dem Morningshow-Team. Sie wissen, dass das Herz von FFH-Moderator Daniel Fischer für die Eintracht schlägt und teilen die Herausforderungen bei der Kindererziehung mit FFH-Moderatorin Evren Gezer. Es gibt eine große emotionale Bindung zu den Lieblings-Moderatoren. Dazu kommt die aktuelle, regionale Berichterstattung durch unsere Reporter. Wer mit HIT RADIO FFH durch den Tag geht, weiß, was in Kassel, Marburg oder Darmstadt gerade passiert und wichtig ist.

Mit der neuen „Radio Creator Replacer“-Technologie können wir unserem Publikum nun auch personalisierte Musik zusätzlich zum emotionalen und regionalen Content anbieten. Und: Alle unsere Playlisten und Programme sind kostenlos – Streaming for free.

RADIOSZENE: Beinhalten die Channels auch Nachrichten und Moderation?

Roger Hofmann: Unsere 12 Plus-Kanäle sind Vollprogramme mit Nachrichten, Beiträgen, Service und Comedy, präsentiert von unseren Moderatorinnen und Moderatoren. Hier tauschen wir nur die Musik, um die Programme musikalisch zu personalisieren. Daneben gibt es Kanäle ohne Moderation. Das FFH WEIHNACHTSRADIO ist beispielsweise im Advent so beliebt, weil man hier ohne Unterbrechung die Weihnachtsstimmung aufsaugen kann.

Andere Kanäle werden von unseren Moderatoren gepflegt. Stephan Holler etwa, der samstags die FFH Top 40 moderiert, lädt nach seiner Sendung alle Moderationen in die „Radio Creator“-Cloud. Das „Playout System“ produziert daraus vollautomatisch den Kanal FFH TOP 40. Fortlaufend werden die Votes der Hörer berücksichtigt und daraus immer neue Playlists zusammengestellt. 

Der Algorithmus bildet dabei nach, was der DJ im Studio tut: Er legt die Moderation auf die Ramp – den musikalischen Vorlauf eines Titels – fügt passende Musikbetten, Jingles und Verpackungselemente hinzu.

Wir wiederholen im Webradio also nicht immer wieder die Sendung vom Samstag. Es entstehen echte Livecharts aus den Votings der User, moderiert von Stephan Holler.

RADIOSZENE: Gibt es bereits Erkenntnisse wie intensiv einzelne digitale Kanäle genutzt werden und welche Hörerschichten besonders fleißige Webradionutzer sind?

Roger Hofmann: Neben unseren 80er-Radios ist besonders FFH LEIDER GEIL erfolgreich. Zum einen punktet die breite Musikmischung von Biene Maja bis Dua Lipa. Zum anderen können unsere Hörerinnen und Hörer immer aus zwei Titel-Vorschlägen wählen. Der Hit, der von der „Leider geil“-Community die meisten Votes bekommt, wird dann gespielt. Das ergibt ein großartiges Gemeinschaftsgefühl, weil man immer sieht, wie die anderen abstimmen.

Bei den Star-Channels strebt gerade das Taylor Swift-Radio nach oben. Weil sich viele User bei uns einloggen, können wir gut sehen, welche Radios in welcher Zielgruppe performen. Das liefert nicht nur Erkenntnisse für die Produktentwicklung, sondern ist auch für die Vermarktung wichtig. Das Taylor Swift-Radio wird vor allem von jungen Frauen gehört, während sich beim Queen-Radio eher die Männer Zuhause fühlen.

 

„Je bequemer, smarter und persönlicher ein Angebot ist, desto häufiger und länger wird es genutzt“

 

RADIOSZENE: Im Zuge der Channel-Offensive hat Radio/Tele FFH den Hörern das „erste Radio Empfehlungs-System“ als Orientierungshilfe an die Hand gegeben. Was konkret verbirgt sich hinter dieser App?

Roger Hofmann: Als wir in die Planung der verschiedenen neuen Kanäle gingen, stellten wir uns gleich die Frage: Wie sollen wir über 80 Kanäle übersichtlich darstellen? Niemand wird gerne durch eine ewig lange Liste scrollen wollen. Im Auto, einer der wichtigsten Hörumgebungen, geht das schon gar nicht.

Damit war klar: Wir brauchen ein Empfehlungs-System, mit dem wir jedem User eine ganz persönliche Übersicht unseres Angebots präsentieren können. Zuerst hatten wir mit den Soundcodes experimentiert, die unsere Musikredaktionen für die Musiktitel im Simulcast vergeben. Es liegen aber nicht für alle 20.000 Musiktitel in der „Radio Creator“-Cloud diese Informationen vor.

FFH Radio Creator Empfehlungen

Deshalb haben wir ein System entwickelt, das die für ein Empfehlungssystem wichtigen Informationen automatisch aus den Audio-Dateien holt. Daraus ist der „Radio Creator Recommender“ entstanden. Aus jedem Titel, der hochgeladen wird, extrahieren wir über 50 Audio-Features. Damit können wir für jeden Nutzer eine individuelle Empfehlungsliste berechnen. Wer unser Angebot nutzt, muss also nicht lange nach dem passenden Kanal suchen. Wir zeigen direkt passende Channels an und welcher Hit darin gerade läuft.

RADIOSZENE: Welche Funktionen und Mehrwerte erhalten die Hörer?

Roger Hofmann: Je bequemer, smarter und persönlicher ein Angebot ist, desto häufiger und länger wird es genutzt. Das haben wir schon in den vergangenen Jahren in der App- und Webseiten-Entwicklung gesehen. Jetzt können wir auch die Webradio-Listen personalisieren.

In den Musikwelten von HIT RADIO FFH, planet radio und unserem 80er-Radio harmony gibt es mehrere personalisierte Bereiche. Ganz oben stehen die Lieblingsprogramme der Hörerin oder des Hörers. Diese Liste ermitteln wir aus den Hörgewohnheiten. Man muss also die Favoriten nicht selbst auswählen – das macht die App ganz alleine. Darunter sind die Plus-Channels – sodass sich jeder die passende Musikmischung zum Live-Programm aussuchen kann.

Dann folgen die Empfehlungen aus dem „Radio Creator Recommender“. Erst dann kommen die Webradios gruppiert nach Stars oder Genres. Man kann also schnell eines der vorgeschlagenen Programme starten oder im großen Angebot stöbern.

Empfehlungs-Funktionen kennt jeder von Online-Shops oder Streaming-Diensten. Jetzt gibt’s das auch für Radios. Sie können das selbst ausprobieren. Zum Beispiel in der harmony-Musikwelt unter diesem Link.

Geben Sie einfach ein paar Titeln, die Ihnen gefallen, einen Daumen nach oben. Schon nach 15 Minuten erscheinen die ersten persönlichen Empfehlungen.

 

„Mit dem ‘Radio Creator Playout System‘ ist es möglich, mit einem kleinen Team über 80 Webradios zu betreiben“

 

RADIOSZENE: Über welche Endgeräte und Quellen ist der „Radio Creator Recommender“ verfügbar?

Roger Hofmann: Unsere personalisierten Plus-Programme kann man wie jeden unserer Streams über jedes Endgerät hören. Dazu gehören Smart-Speaker, Soundbars, Internet-Radios, Car Entertainment-Anlagen und natürlich Web und App. Die persönlichen Empfehlungen des „Radio Creator Recommenders“ zeigen wir auf unseren Portalen in der Musikwelt an. Also auf der Webseite oder in den Sender-Apps.

RADIOSZENE: Gibt es bereits Erkenntnisse wie intensiv der neue Empfehlungsdienst durch die Hörer genutzt wird?

Roger Hofmann: Wir werten die Nutzung aller Navigations-Elemente immer ganz genau aus, um das Nutzer-Erlebnis zu verbessern. Am häufigsten werden die Webradios über die persönliche Favoritenliste gestartet, die wir aus dem Hörverlauf eines jeden Users ermitteln. Dann gibt es in der Musikwelt verschiedene Bereiche, in denen wir redaktionell ausgewählt einzelne Webradio-Gruppen präsentieren. Etwa die Party-Kanäle für Silvester oder die Faschingszeit.

FFH Radio Creator Carplay Empfehlungen

Wir sehen schon jetzt, dass die vom Radio Creator Recommender automatisch generierten persönlichen Empfehlungen weitaus stärker genutzt werden als die redaktionellen Vorschläge.

RADIOSZENE: Die Nutzung der neuen Funktionen durch die Hörer liefert umgekehrt auch wertvolle Marktforschungsdaten. In wie weit fließen diese Erkenntnisse ein in ihre Programmplanung?

Roger Hofmann: Marktforschung ist entscheidend für ein gutes Radioprogramm. Wir arbeiten mit ganz unterschiedlichen Tools. Es gibt immer noch die klassischen Call Outs, in denen wir Hörerinnen und Hörern Musiktitel vorspielen und um eine Bewertung bitten.

Eine wichtige Ergänzung sind die von uns entwickelten „onRtools“. Dabei werten wir die Daten der Streaming-Server aus, um zu sehen, wann um- oder abgeschaltet wird. Wir können die Performance der Musiktitel und aller anderen Programm-Elemente wie etwa Comedys ermitteln. Schließlich machen wir unseren Hörerinnen und Hörern das Bewerten der Musik beim Zuhören so einfach wie möglich. Überall, wo man bei uns die Radios starten kann, sind auch die Daumen hoch/runter Icons. Mehrere Hunderttausend Votes jeden Monat sind wertvolle Informationen für die Musikplanung.

RADIOSZENE: Haben Sie bereits weitere Entwicklungen und Dienste in Planung?

Roger Hofmann: Wir arbeiten gerade an einem weiteren Update unserer Apps, die unser Content- und Musik-Angebot noch smarter machen sollen.


Links, um den „Radio Creator Recommender“ selbst auszuprobieren: