Von Christer Hederström
Im Jahr 2017 hat Norwegen sein landesweites UKW-Netz abgeschaltet und durch DAB+ ersetzt. Berichte von DAB-Promotern an internationale Medien nennen den Übergang „erfolgreich“. Die Hörer stimmen dem jedoch überhaupt nicht zu. Der Versuch, die Hörer zur Verschrottung ihrer UKW-Empfänger zu zwingen und in DAB+ fähige Empfänger zu investieren, wird die großen Stationen viel Geld kosten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk NRK hat einen beträchtlichen Teil seiner Hörer verloren – im Jahr 2017 mindestens 20%.
Die Norweger sind wütend über die UKW-Abschaltung. Ein Editorial in einer der großen Tageszeitungen fasste Dagbladet 2017 so zusammen: „In der Meinung, die UKW-Abschaltung sei etwas Lächerliches, ist sich die Nation so einig wie beim Thema Skilanglauf.“
Als einziges Land der Welt, das UKW-Radio abschaltet, entdecken die HörerInnen nun mit DAB+ alle Rückschläge. Bei Verlust des DAB+-Signals beim Autofahren gibt es kein automatisches UKW-Backup-Signal wie in anderen Ländern mit dualen Systemen wie Großbritannien – es bleibt nur Stille. Berichte über abgerissene DAB+-Signale sowohl auf der Straße als auch in Städten sind in Zeitungen und Sozialen Medien ständig vertreten.
Auch die arrogante Reaktion auf Beschwerden an NRK und die Lobbyorganisation Digitalradio Norge AS, dass am Übertragungssystem nichts falsch sei, macht die Leute wütend. Die Schuld daran wird den HörerInnen selbst und ihren Geräte-Installationen zugeschoben. Ihre Einstellung: DAB+ Kritiker seien nur einige wenige „immer nörgelnde“ Individuen.
Allerdings brummt in den sozialen Medien der Widerstand gegen die UKW-Abschaltung. Eine von mehreren Facebook-Gruppen – „Nei – til tvanngsinforing av DAB…“ – hat in 8 Monaten 7.500 Mitglieder erreicht und wächst weiter rasant. Die meisten großen und regionalen Zeitungen haben negative Leitartikel, Op-eds und Artikel über die UKW-Abschaltung veröffentlicht. Es ist schwierig, in Zeitungen des Jahres 2017 einen positiven Beitrag über diesen Übergang zu finden.
Alle Umfragen haben ergeben, dass 50-70% der Norweger gegen die UKW-Abschaltung sind. Seitdem die Abschaltung im Dezember abgeschlossen war, machen sich die Parlamentarier im Stortinget Sorgen und haben begonnen, das Projekt in Frage zu stellen. Der Kulturminister wurde von den Sozialdemokraten, der Zentrumspartei und der Fortschrittspartei (FrP) dazu befragt.
In Zeitungen und sozialen Medien wird der größte Teil der Schuld am Scheitern des Übergangs auf einige NRK und Digitalradio Norge nahestehende Persönlichkeiten zurückgeführt. Ihnen wird vorgeworfen, den Politikern systematisch ein einseitiges Bild der UKW- und DAB-Technologie vermittelt zu haben – zum Beispiel bei den hohen Kosten für die Hörer, die ihre Empfänger ersetzen müssen, und den Auswirkungen des Internets auf die Radioentwicklung.
„DAB wurde gegen den Willen der Menschen durchgesetzt. Erneut erhalten wir Beweise dafür, dass der Übergang zu früh und unnötig war. Die Vereinbarung, P4 und Radio Norwegen ein gewisses Werbemonopol auf nationaler Ebene zu sichern, kann dem Tageslicht nicht standhalten. Es ist sehr widerwärtig. Ich erwarte, dass der Kulturminister die Angelegenheit ernst nimmt und erklärt, was tatsächlich passiert ist“ sagt MP Morten Wold, Mediensprecher der Progress Party, die Teil der Regierungskoalition ist.
Vor allem die bedrohte Position der Lokalradios macht den Politikern Sorgen. Dahinter verbirgt sich laut anderen Quellen lange Zeit das Bestreben der marktbeherrschenden Akteure, lokalen kommerziellen Wettbewerb aus dem Markt zu drängen. Dies würde insbesondere an Radio Metro und andere UKW-Lokalstationen in den Ballungsräumen treffen. Nach Ansicht von Experten werden solche kleineren Anbieter – ohne auf UKW senden zu können – kaum überleben, wenn sie sich ausschließlich in einem DAB-Netz zusammen mit den drei dominanten Playern befinden.
Es wird erwartet, dass die EFTA-Überwachungsbehörde in Brüssel eine Entscheidung treffen wird, die die Entscheidung der Regierung aufheben könnte, alle kommerziellen Stationen zu zwingen, UKW in Ballungsgebieten zu verlassen. In der Zwischenzeit bleiben viele Norweger dem UKW-Radio treu, da sie lokale kommerzielle oder kommunale Radiostationen hören können. Fast die Hälfte der Bevölkerung kann somit zudem grenzüberschreitende Sendungen hören, vor allem öffentlich-rechtliche Sender aus Schweden. Die Nachbarländer Schweden und Finnland haben keine Pläne, ihre UKW-Netze durch DAB+ zu ersetzen.
Doch der schwerste Kampf der DAB-Befürworter wird im Internet gekämpft. Norwegen ist eines der am stärksten vernetzten Länder der Welt mit der schnellsten mobilen Breitbandkapazität. Viele HörerInnen, die NRK und Privatstationen auf UKW nicht mehr empfangen können, entdecken die dem DAB-Angebot weit überlegene Auswahl und Klangqualität des Internets.
Die Norweger werden natürlich Alternativen zum Radiogenuss und Musikhören zu Hause und unterwegs finden. Verlierer dieses Übergangs von nationalem Radio zu DAB+ wird NRK sein. Dessen Image zur öffentlichen Rundfunkversorgung wird dadurch weiter getrübt, ist es doch Teil von etwas, um das die Bürger nie gebeten haben und das sie immer noch nicht haben wollen. DAB scheint in diesem Radio Armageddon auf der falschen Seite zu stehen. UKW wird überleben, weil die Menschen es als einen alten, zuverlässigen Freund ins Herz geschlossen haben.
Christer Hederström ist schwedischer Medienberater und arbeitet seit den 1960er Jahren in der Medienpolitik. Er hat mehrere Bücher und Zeitungsartikel geschrieben und war bei der schwedischen Radio Academy tätig. Über die Non-Profit Organisation Public Service Council war er für die öffentlichen Dienste involviert bei der Digitalisierung von UKW in Schweden, und jetzt in Norwegen.
Übersetzung: Jens F. Hofstadt