Viel Wirbel gab es Ende 2003 um die Berufung von Roger Schawinski zum neuen Chef vom deutschen Fernsehsender SAT.1. Für Harald Schmidt war er ein unbeschriebenes Blatt. Dabei hat der Schweizer Journalist vor über 20 Jahren tatkräftig die dortige Radioszene umgekrempelt und maßgeblich beim Knacken des öffentlich-rechtlichen Monopols mitgeholfen. Für diesen Erfolg wurde er 1981 in Berlin vom amerikanischen Billboard-Magazin mit dem Radio-Oscar ausgezeichnet.
Zu der Zeit hat Schawinski schon eine bemerkenswerte journalistische Karriere in der Schweiz hinter sich. Im Schweizer Fernsehen moderiert er die Sendung „Kassensturz“, einem sehr kritischen Verbrauchermagazin. Anschließend wird er Chefredakteur der Tageszeitung „Tat“.
Radio 24 geht on air
Am 28. November 1979 sendet Schawinski das erste Privatfunkprogramm für die Schweiz – genauer gesagt für den Großraum Zürich: Radio 24. Kleiner Schönheitsfehler: Da es in der Schweiz keine Zulassung für den Privatfunk gibt, nutzt er eine Lücke im neuen italienischen Lokalfunkgesetz. Von einem riesigen Antennenfeld auf dem 2.948 m hohen Pizzo Groppera in den italienischen Alpen schickt er das Signal über die Berge in Richtung Schweiz.
Mit dem Projekt Radio 24 versetzt er die Schweiz in ziemlichen Aufruhr. Das bis dahin verschlafene öffentlich-rechtliche Programm (SRG) wird erstmals mit einem Sender konfrontiert, der 24 Stunden für die Schweizer Hörer Rock und Pop sendet und dazu noch in Stereo. Stereofonie kennen die Schweizer zumeist nur als Begriff aus den diversen Hifi-Magazinen oder von ihrer Stereoanlage – aber nicht aus dem Radio. Für die meisten Schweizer ist das absolut neu – selbst der SWR kündigt jetzt an, alle in die Schweiz strahlenden SWR3-Sender auf Stereo-Betrieb umzurüsten.
Dieser Radio-Revolution können die Schweizer Behörden nicht tatenlos zusehen. Mit Hilfe der italienischen Behörden versuchen sie immer wieder, die Senderanlagen in den italienischen Alpen zu schließen, was ihnen auch mehrfach – teilweise nur unter Einsatz martialischer Waffengewalt – gelingt. Medienwirksam berichtet Radio 24 von diesem staatlichen Unterfangen und erstmals steht auch die verschlafene Schweizer Jugend massenhaft auf der Straße, um für den Erhalt eines Radiosenders zu demonstrieren: Radio 24. In nur fünf Tagen werden über 200.000 Unterschriften gesammelt, die diese Forderung unterstreichen. Selbst für die Schweiz, wo solche Volksinitiativen Urbestandteil der Demokratie sind, ist das unfassbar. In der Schweiz entwickelt sich eine unvorhersehbare Massenbewegung und Schawinski wird so innerhalb kürzester Zeit zu einem „Popstar“. Tatkräftig wird er dabei vom Schweizer Musiker Polo Hofer unterstützt, der eigens eine Radio-24-Hymne schreibt, aufnimmt und veröffentlicht. Der Song wird zwar vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk boykottiert, klettert in den Verkaufscharts aber trotzdem auf Platz Eins.
Der Fall des Monopols
Es gibt durchaus Zeitgenossen, die erkennen was die Uhr geschlagen hat. Aus dem Medienzauber, den Roger Schawinski veranstaltet, wird ein Druck, der zu groß wird und nach konkreten Reaktionen verlangt. Die Schweizer Volkspartei fordert am 10. Januar 1980 schließlich die Einführung einer dritten öffentlich-rechtlichen Senderkette. Immerhin – daraus wird dann später das Jugendprogramm DRS 3, es nimmt am 1. November 1983 seinen Sendebetrieb auf. Vorher schon verlängert DRS seine Sendezeit im ersten und zweiten Programm auf 24 Stunden: der DRS-Nachtclub geht am 1. März 1981 auf Sendung.
Das alles reicht aber nicht. Die Medienpolitik kann sich der Einführung des Privatfunks nicht mehr verschließen – Radio 24 bekommt (neben sechs weiteren Lokalsendern) seine offizielle Sendelizenz und sendet seit dem 1. November 1983 legal. Roger Schawinski hat gewonnen. <jk>
Detaillierte Infos zum Kampf von Roger Schawinski gegen das Schweizer Radiomonopol erschienen 1979 – 1981 in den Radio News, die auf der Website von radioberatung.de faksimiliert zum Download zur Verfügung stehen.