Polnischer Radiopionier will auf DAB+ durchstarten

dab+Acht Jahre lang verbreitete in Polen nur die öffentlich-rechtliche Anstalt Polskie Radio ihre Hörfunkprogramm im DAB+ Standard im Regelbetrieb. Die Landesmedienanstalt KRRiT hat zwar im Dezember 2019 die ersten kommerziellen DAB+ Hörfunkprogramme zugelassen, diese wurden jedoch erst im Januar 2022 in neuen Multiplexen im Regelbetrieb aufgeschaltet. Im Februar schrieb die KRRiT einen landesweiten DAB+ Multiplex aus. Jan Jagielski hat als einziger Bewerber zwei Anträge für neue Programme eingereicht. RADIOSZENE hat mit dem erfahrenen Medienunternehmer über DAB+ in Polen gesprochen.Radio FAMAJan Jagielski startete im Jahr 1995 sein erstes Lokalradio im südpolnischen Kielce. Weitere vier Sender in mittelgroßen Städten kamen hinzu. Nach fast 27 Jahren beendete seine erste Station die UKW-Ausstrahlung. Die Konzession von Radio Fama wurde nicht verlängert, weil Jagielski wegen einer COVID-Erkrankung seine Unterlagen bei der KRRiT zu spät einreichte. Bei der Neuausschreibung gingen seine Frequenzen an einen Wettbewerber. Nun will er auf DAB+ durchstarten, zuerst in einem lokalen Multiplex in Kielce und schon bald mit den neuen Programmen FAMA DANCE und Radio TOP im ganzen Land. 

FAMA DANCE will weitgehend tanzbare, unterhaltsame, leichte, lockere und angenehme Musik spielen. Es wird Musik aus den unterschiedlichsten Gattungen geben, Tanzmusik überwiegend im Nachmittags-, Abend- und Nachtprogramm. Neben Musik wird es in dem neuen Programm journalistische Inhalt, Informationen aus Polen und der Welt, Wetter- und Verkehrshinweise geben. Musik allein reicht beim Radio nicht aus, um die Hörer zu unterhalten. In unseren Antrag haben sie ca. 14% Wortanteil angegeben.

Bei Radio TOP sollen die aktuellen Top-Hits aus den polnischen, europäischen und Weltcharts gespielt werden. „Wir sind noch zu sehr vom Start des Programms entfernt, um in Details zu gehen.“ Auf die großen landesweiten Wettbewerber RMF FM und Radio Zet angesprochen fragt Jagielski nach: „Welche Wettbewerber? – Unsere Formate gibt es auf dem polnischen Hörfunkmarkt so in der Form noch nicht.“

Jan Jagielski (Bild: ©Radio FAMA)
Jan Jagielski (Bild: ©Radio FAMA)

RADIOSZENE: Die großen Anbieter haben sich im Polen vehement gegen DAB+ gewährt, sie haben Zeitungskampagnen gestartet und lehnen DAB+ immer noch ab. Wie sehen Sie das?

„Nur weil einige Radiosender DAB+ ablehnen, heißt es noch lange nicht, dass es in Polen kein DAB+ geben wird.“ (Jan Jagielski)

 

Jan Jagielski: Der Marktregulierer hat eine Ausschreibung veröffentlicht, wir nahmen daran teil. Ich weiß nicht, wann UKW in Polen abgeschaltet wird, weil eine solche Entscheidung noch nicht getroffen wurde, aber es ist zu erwarten, dass eine solche Entscheidung getroffen wird. Wenn kein Abschalttermin bekanntgegeben wird, wenn kein DAB+ Netzbetreiber gefunden wird, dann wird DAB+ in Polen entweder ausgesetzt oder begraben. Die Ausschreibung erfolgte vielleicht, um zu überprüfen, ob überhaupt jemand bereit ist. Vielleicht hat jemand damit gerechnet, dass sich niemand melden würde. Wir müssten der Europäischen Union dann sagen, dass wir kein DAB+ machen und wir keine Energie sparen, denn bei DAB+ geht es in erster Linie ums Energiesparen.

RADIOSZENE: Der Regulierer ebnet den Weg für neue Programme, aber gibt es dafür auch Hörer in Polen?

Jan Jagielski: In der Region Kielce – wo wir unseren Hauptsitz haben – gab noch keine Ausschreibung für DAB+. In einem Monat werden wir eine lokale Versuchsausstrahlung starten und Erfahrungen sammeln. Als ich mich mit unserem ersten Sender [A. d. Red. im Jahr 1994] um Frequenzen beworben habe, gab es zwischen den Bewerbern noch kein Wettrennen um das beste Programm gegenüber dem Marktregulierer. Der Markt wusste damals noch nicht, wie man mit Radio Geld verdienen kann. Es muss immer die Ersten geben, die den Weg ebnen und zeigen, wie man Radio machen kann und welche Ausgaben dafür nötig sind. Ich kenne die Kosten für DAB+ auch nicht, weil der Netzbetreiber für den landesweiten Multiplex noch unbekannt ist. Wir wissen nicht, nach welchen Kriterien dieser ausgewählt wird, ob der Preis ein entscheidendes Kriterium sein wird usw. Die Marktteilnehmer wissen noch sehr wenig darüber. Wir gehen ein Risiko ein, damit wir von Anfang an dabei sind, falls es tatsächlich weitergehen sollte.“

RADIOSZENE: Wie kalkuliert man dann die Kosten bei so vielen Unbekannten? Wie verdient man dann Geld?

Jan Jagielski: Die einen verschwinden nach einem Jahr, die anderen halten sich. Sehen Sie, dass ist wie in jedem Wirtschaftsbereich. Die einen verdienen, die anderen verdienen nicht und verschwinden wieder vom Markt. Das betrifft nicht nur Radiosender, sondern auch Restaurants, Hotels usw.

Wie bei jeder anderen Berechnung gibt es bestimmte Annahmen über Einnahmen, Investitionen und Kosten. Was man reinsteckt, bekommt man heraus. Wenn es gut kalkuliert ist, werden auch die Einnahmen gut ausfallen. In Wirklichkeit ist das Leben jedoch nicht nur eine Vorkalkulation, besonders wenn es so viele Unbekannte gibt wie jetzt. Heute können wir weder die tatsächlichen Kosten des Digitalradiobetriebs berechnen, noch können wir die tatsächlichen Einnahmen berechnen, die durch die Ausstrahlung von Digitalradio erzielt werden – denn wie Sie wahrscheinlich wissen – haben in Polen nur etwa fünf Prozent der Haushalte Digitalempfänger.

Bislang wurden in Polen nicht einmal die europäische Richtlinie umgesetzt, die Autohersteller zur Installation von DAB+ Empfängern verpflichtet. In Polen gibt es diese nicht. Glücklicherweise produziert Polen nur wenige Autos für den Endverbrauchermarkt und was in Polen für die westeuropäischen Märkte produziert wird, wird mit DAB+ Empfängern ausgestattet. Der Markt wird sich langsam entwickeln – wir werden sehen.“

RADIOSZENE: Haben Sie die Netzbetreiber gefragt, was die Verbreitung kosten würde?

Jan Jagielski: Nein, habe ich nicht, weil es keine möglichen Netzwerkbetreiber gibt. Wir wissen, dass Emitel wahrscheinlich versuchen wird, an dem Wettbewerb teilzunehmen, aber auch andere Unternehmen bereiten sich vor und werden ihr Angebot abgeben. Es ist natürlich schwierig, jemandem zu sagen, ohne die Bedingungen zu kennen. Ich musste Vermutungen anstellen, da wir vier eigene UKW-Sender selbst betreiben und wissen, wie sich hier die Kosten gestalten und wir wissen, wie sich die Kosten entwickeln können. Ich weiß auch, dass es notwendig sein wird, an etwa 100 Standorten Sender in Betrieb zu nehmen, um ganz Polen mit dem DAB+ Signal zu versorgen. Wir wissen auch, dass 12 Programme aufgeschaltet werden, die gemeinsam die Kosten tragen werden. Noch ist nicht selbstverständlich, dass die Ausschreibung mit Erfolg entschieden wird. Wenn sich die Bedienungen als ungünstig erweisen, können wir immer noch Verzichten.

RADIOSZENE: Herr Jagielski, vielen Dank für das Gespräch.