Dank DAB+: Mehr Privatradios – weniger Programmvielfalt

(Bild: ©DAB-Swiss/Stefan Grünig)
(Bild: ©DAB-Swiss/Stefan Grünig)

Von Stefan Grünig

Mit der Umstellung von UKW auf DAB+, wird auch die bisher fest zementierte Radiolandschaft in der Schweiz größeren Veränderungen unterzogen. Hatten die Privatradios früher ihre zugeteilten, regional bezogenen Sendegebiete, wird der Markt nun viel großflächiger geöffnet. Will heissen: die Programmanbieter, welche früher einen ganz klaren Bezug auf einzelne Städte und Agglomerationen hatten, können neu teilweise sogar sprachregional gehört werden.

Beispielsweise Radio Central, welches programmlich und musikalisch eher positiv heraussticht und sich vom Mainstream abhebt, früher in den Kantonen Uri, Schwyz, Zug, Luzern und Unterwalden verbreitet, sendet nun, mit Ausnahme des Graubündens, in der ganzen Deutschschweiz. Dieser Tatsache liegt auch der große Gegenwind zugrunde, welchen die Privatradios von Nordrhein Westfalen (D) oder in Österreich gegen DAB+ aufbauen. Man fürchtet um die eigenen Pfründe und hat Angst vor der zunehmenden Konkurrenz.

In der Schweiz hingegen sind bereits heute die meisten Privatradios in sprachregionalen Ensembles oder den vier Regional-Layern von SwissMediaCast (SMC) vertreten. Doch auch in der Schweiz muss nun dringend ein Umdenken stattfinden: es reicht heute einfach nicht mehr, einfach nur „08:15-Chartsmusik“ auszustrahlen. Im Vergleich tönen nämlich große Teile der Schweizer Privatradios mit ihren Morgenshows, der Musikauswahl, den News, den Spielchen und der abendlichen Festplattenmusik völlig identisch. Jedes Programm ist sozusagen beliebig austauschbar. Früher war das kein Problem, denn auf UKW tummelten sich nicht Dutzende von solchen Angeboten im jeweiligen Sendegebiet.

Auf DAB+ sieht die Sache heute ganz anders aus. Dem anspruchsvollen DAB-Hörer reicht ein einziger, auf seine Region abgestimmter Mainstream-Radiosender vollends. Alle anderen, gleichklingenden Angebote werden bei ihm längerfristig keinen Erfolg haben, falls sie sich nicht wieder mehr Mühe mit der Programmgestaltung geben und eine eigene, klar erkennbare Identität aufbauen. Kein Mensch braucht dutzende, identische Programme, welche jeden Tag mehrere Male dieselben, aktuellen Hits, versetzt mit seichten Wortbeiträgen ausstrahlen. Die Schweizerische Privatradioszene sollte sich daher an die 80er und 90er Jahre orientieren, wo im Äther wirkliche, attraktive Vielfalt herrschte.

(Bild: ©DAB-Swiss/Stefan Grünig)
(Bild: ©DAB-Swiss/Stefan Grünig)

Ebenfalls schadet der Blick zum meistgehörten Programm der Schweiz, SRF 1, durchaus nicht. Natürlich kann sich ein durch Werbung finanzierter Anbieter keine solch‘ aufwändigen Sendeflächen leisten, aber es lohnt sich, einmal über die Bücher zu gehen und zu schauen, was den Erfolg von SRF1 wirklich ausmacht. Dabei wird man feststellen, dass es die große Abwechslung, die Themensendungen, die fundierten News und die gern gehörte Evergreen-Musik sind. Falls man sich nicht damit befassen will, so wird sich, spätestens, wenn von Mediapulse endlich alle DAB-Hörer (inkl. digris) sauber erfasst werden, ein düsteres Bild in Sachen Hörerzahlen zeichnen.

Gewinnen werden die, welche auf Abwechslung, vertiefte Inhalte und wiedererkennbaren Moderatoren setzen. Das will nicht heissen, dass keine aktuellen Hits und Charts mehr gespielt werden sollen, aber ein bisschen programmliche Anstrengung wäre schon nötig, unter anderem mit Musik, welche normalerweise nicht täglich am Radio zu hören ist (Singleauskopplungen, Liveaufnahmen, Internationales, usw.) oder einer teilweise schweizweiten Ausrichtung des Programms, mit beispielsweise Verkehrsinformationen und Wetterberichten aus dem ganzen, neuen Sendegebiet. Vielseitige Themensendungen in Wort und Musik bringen zwar mehr Aufwand, aber auch mehr Zuhörer, das war schon immer so. Nonstop-Musik gibt’s im Internet für jeden Geschmack genug.

Schweizer Privatradios (Bild: ©DAB-Swiss/Stefan Grünig)
Schweizer Privatradios (Bild: ©DAB-Swiss/Stefan Grünig)

Die Schweizer Radioplatzhirsche müssen also aufpassen, dass sie längerfristig nicht von den kleineren, innovativen DAB-Programmanbietern wie James FM, Iischers Radio, Diis Radio, Spoon Radio oder Radio Smash, um nur wenige zu nennen, rechts überholt werden!

In diesem Sinne hoffen wir für kommende Zeiten wieder etwas mehr auf den „WOW-Effekt“ im Radio und dass die Programmverantwortlichen die Zeichen der Zeit endlich erkennen. Längerfristig werden sich neue Digitalstrategien mit deutlich unterscheidbaren Programmen auf jeden Fall auszahlen. DAB+ bietet die einmalige Chance, ein attraktives Programm großflächig auszustrahlen und damit Gebiete und Hörer zu erreichen, welche man sich zu UKW-Zeiten technisch und finanziell schlichtweg nicht hätte vorstellen können.

 

Stefan Grunig
Stefan Grunig

Über den Autor:

Stefan Grünig aus der Schweizer Gemeinde Krattigen ist Betreiber der Plattform DAB-Swiss und befasst seit den frühen 90er Jahren intensiv mit dem Thema Schweizer Privatradios. Er arbeitet heute als Kaufmann in der öffentlichen Verwaltung, sowie als freischaffender Naturfotograf.