Wie schafft es ein rein ehrenamtlich zusammengestelltes Technik-Magazin, fast 8 Jahre zu überleben und europaweit begeisterte Hörer zu haben? RADIOSZENE hat Kopf und Stimme von Radio DARC anlässlich der 400. Sendung interviewt.
Radio ist ein Medium, das von der Begeisterung seiner Macher lebt. Gutes Radio kann man nicht als Beamtenjob machen, sonst entsteht so etwas Langweiliges wie das Programm der BBC vor dem Umschwung durch die Piratensender der 60er-Jahre oder das deutsche öffentlich-rechtliche Programm vor der Einführung des dualen Systems, welches dann ja ebenfalls die Reaktion auf flotte Piratensender aus Südtirol und anderen angrenzenden Ländern war. Das traditionelle öffentlich-rechtliche Radio hatte Bildungsauftrag und hohe Qualität, doch war es langweilig, eben zum Einschlafen. Diese Rolle hat inzwischen das Fernsehen übernommen – mit Ausnahme der hohen Qualität.
Flottes Radio ist mehr als nur Musik
Stichwort Piratensender: Die Seesender auf der Nordsee und die Programme von Berggipfeln und Dachspeichern brachten zunächst einmal „flotte Musik und Werbung“ in den Äther. Doch so einfach war nicht das Rezept aller neuen Sender; es gab auch jene mit Informations- und politischen Anliegen, die inzwischen neben den öffentlich-rechtlichen und den kommerziellen Anbietern in der dritten Kategorie „Bürgerfunk“ mit teils nur stundenweisen offenen Kanälen, aber auch Vollprogrammen zu finden sind. Manche arbeiten teils redaktionell, teils mit Bürgerfunk-Sendungen wie bei Radio Jade, andere als Vollzeit-Bürgerfunkkanal wie Free FM, Radio Feierwerk, Radio Z oder Lora. Manche treten auch mit nur wenigen Stunden Sendezeit bereits als eigene Programmanbieter auf. Und neben Musik und Politik, beides einst von Regierung und öffentlich-rechtlichen Sender gefürchtet und im Laufe der Jahre mitunter zu Musik mit Flachwitzen oder Parolen verflacht, gibt es auch andere Inhalte, die mit jenen des etablierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks absolut mithalten können. Ja, selbst die reinen Kommerzprogramme schaffen inzwischen die dauerlustigen Shows mit Flachwitzen ab – der Hörer hat sie mittlerweile ebenso dick wie einst die drögen Programme der öffentlich-rechtlichen Sender.
Im Fernsehen gibt es schon lange keine richtigen Techniksendungen mehr; sie sind alle Geschichte, ob „Neues“ auf 3Sat oder der „Ratgeber Technik“ im „Ersten“. „Dr. Dish TV“ bzw. „Tec Time TV“ ist wiederum aus finanziellen Gründen zu einer Zeitschrift geworden, die Airtime für Bewegtbild über Satellit war einfach zu teuer. Reine Werbekanäle, zu denen neben Shopping-Sendern auch ein Technikprogramm wie Pearl TV, das nur die Produkte des Versandhändlers vorstellt, ohne Zweifel zählt, haben es da leichter, und die verbliebenen „Verbrauchermagazine“ auf den regulären Fernsehsendern sprechen mit veralteten Konzepten eher Hausfrauen als Nerds an.
Techniksendungen: heute nur noch im Radio
Im Radio gibt es jedoch weiterhin spezielle Techniksendungen, beispielsweise einmal monatlich „Kilowatt“ des „funkenden Apothekers“ und Piratensenderfans Christoph Ueberschaar, Amateurfunkrufzeichen DL1BAJ, auf Radio Jade, oder seit nunmehr 8 Jahren und 400 Sendungen sogar jede Woche Radio DARC – ein ganz besonderes Projekt.
Dieses startete unter dem Motto „Von Funkamateuren für Funkamateure“, also eigentlich mit einer sehr spitzen Zielgruppe, als Erweiterung der Rundsprüche, in denen die Funkamateure Neuigkeiten aus dem Amateurfunk in den Amateurfunkbändern selbst verkünden. Klassischer Rundfunk, also Sendungen an die Allgemeinheit mit nicht amateurfunkspezifischen Inhalten, ob Wort oder Musik, sind im Amateurfunk jedoch seit jeher streng verboten, aus gutem Grund: Die Amateurfunkbänder, die viel kleiner sind als die Rundfunkbänder und wirklich nur technischen Experimenten und Gesprächen dienen sollen, würden sonst von derartigen Darbietungen mitunter auch mäßiger Qualität komplett überrannt und blockiert.
Doch natürlich ist es verlockend, Technik, Funktechnik und sonstige Neuigkeiten auch als richtiges Radioprogramm anzubieten. Auch Technikbegeisterte wollen es nicht nur trocken und diejenigen, die Interesse haben, aber noch nicht „drin“ sind in der Szene, kann man mit einem solchen Radioprogramm erreichen und für Funk- und Technikhobby und vielleicht auch -beruf erreichen und begeistern.
Die Programme sind deshalb in Anlehnung an die Machart früherer Seesender wie Radio Noordzee International, Radio Veronica und Radio Caroline produziert mit Funknews, Marktberichten, Technik-Tipps, Funkwetterbericht und Fernempfangs-Tipps, Interviews mit interessanten Personen wie dem Astronauten und Funkamateur Matthias Maurer, KI5KFH, oder dem Nobelpreisträger Joe Taylor, K1JT, sowie abwechslungsreicher Musik. Die Sendungen erfüllen somit auch einen Informations- und Bildungsauftrag für die Öffentlichkeit, aber aus Spaß daran, ohne dazu verpflichtet zu sein, was man hören kann. Es wurden übrigens auch schon Beiträge von Radio DARC vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk übernommen, von Bürgerfunk-Sendern sogar oft die gesamte Sendung.
Funkamateure und Radiopiraten – verwandt und doch gegensätzlich
So ein Programm ist absolut logisch und nachvollziehbar für jeden, der mit Radio oder Öffentlichkeitsarbeit zu tun hat. Doch waren früher die legal mit Lizenz funkenden Funkamateure und die eher Gesetzeslücken ausnutzenden oder ganz illegal funkenden Radiopiraten leider zwei weit voneinander entfernte Welten, die sich schon deshalb nicht vertrugen, weil ein Funkamateur zwar sogar genau gewusst hätte, wie er einen Radiosender betreiben kann, ohne damit Funkstörungen zu verursachen, doch seine Amateurfunklizenz los ist, wenn er mit solchen Aktivitäten erwischt wird. Doch gern gehört wurden Radiopiraten natürlich auch von Funkamateuren. Sich legal einfach einen eigenen Sender zu bauen und Radio zu machen, das war undenkbar, von den inzwischen leider geschlossenen Gesetzeslücken auf hoher See und hohen Bergen einmal abgesehen.
Dies änderte sich erst mit dem Nachlassen des Interesses der „Großen“ an den ursprünglichen Radiofrequenzen auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle. Plötzlich wurde es auch für „Kleine“ möglich, hier Sendelizenzen zu erhalten, wie beim „Bagatellrundfunk“.
Doch Radio DARC war hier schon viele Jahre eher aktiv: ein Funkamateur, Rainer Ebeling, DB8QC, hatte eine 10 kW-Kurzwellen-Radiolizenz für den einstigen Piratensender Channel 292 erhalten und zudem können die großen Kurzwellensender wie die Sendestelle Moosbrunn mit 100kW, die für den ORF das internationale Programm ausstrahlt, gebucht werden – auch dort arbeiten Funkamateure. So ist man mit 100 kW europaweit zu hören – und per Internet sowie zu speziellen Anlässen auch über andere Kurzwellenfrequenzen weltweit. Die ist dabei wichtiger als das Internet, Internetradio kann schließlich jeder auch ohne extra Lizenz machen, schon ein Schüler aus dem Kinderzimmer, doch es lässt sich auch leicht zensieren. Radio DARC ist in dieser lockeren Magazinform praktisch einzigartig weltweit und mittlerweile eines der letzten noch verbliebenen Kurzwellenprogramme überhaupt, welches in Deutschland produziert wird. Klar ist aber, dass das Projekt anfangs als Tabubruch angesehen wurde.
Kopf und Stimme von Radio DARC im Radioszene-Interview
Zur 400. Sendung hat RADIOSZENE Rainer Englert, DF2NU, Funkamateur und der Kopf hinter Radio DARC, und Conny Ferrin, Radioprofi und die verbindende Stimme am Mikrofon interviewt:
RADIOSZENE: Was war der Grund, Radio DARC ins Leben zu rufen?
Rainer Englert: Eine Motivation für das Aufsetzen von Radio DARC war das Sterben der Kurzwellensender. Alle großen Dienste wie Voice of America. Radio Moskau, Radio Tokio oder auch unsere Deutsche Welle haben die Kurzwellenausstrahlungen eingestellt und sind wenn, dann nur noch via Internet zu hören. Wir vom DARC wollten aber die Kurzwelle erhalten, weil sie viele Vorteile bietet. Sie funktioniert auch noch in Krisen- und Notfällen ohne intakte Infrastruktur und die verwendete Amplitudenmodulation (AM) ist überall mit einfachsten Mitteln empfangbar.
Die Kurzwelle ist auch das einzige Medium, welches genutzt werden kann, ohne Datenspuren zu hinterlassen. Im Internet und auch bei der Benutzung von Mobil- oder Festnetztelefon ist immer nachvollziehbar, wohin man Kontakte hatte und welche Webseiten man aufgerufen hat. Für Regimegegner oder Oppositionelle ist das eine große Gefahr. Per Kurzwelle können sie sich aber problemlos informieren.
RADIOSZENE: Aber hohe Sendeleistungen kosten Geld, ebenso wie gute Beiträge. Wie finanziert sich Radio DARC?
Rainer Englert: Radio DARC ist eine Sendung, die praktisch rein ehrenamtlich produziert wird, was die Organisation und die Redaktion angeht. Dahinter steht ein Großverein mit mehr als 30000 Mitgliedern, die sich ehrenamtlich um vieles kümmern. Ohne ehrenamtliches Engagement wäre unsere Gesellschaft um ein Vielfaches ärmer. Die Kosten für die Kurzwellenausstrahlung übernimmt der DARC. Viele Bürgerradios übernehmen außerdem das Programm auf KW und DAB+.
Es ist ein Haupt-Anliegen des DARC, Bildungsangebote zu verbreiten, Menschen für Technik zu begeistern und sie ihnen näher zu bringen. Auch junge Menschen sollen so in Ihren beruflichen Entscheidungen in Richtung technischer Fächer informiert werden.
RADIOSZENE: Du bist in der Radioszene heute eher als Moderator von baden.fm und Regenbogen 2 bekannt – welchen Bezug hast Du eigentlich zur Kurzwelle?
Conny Ferrin: Die ersten Sender, die mich auf Kurzwelle interessiert haben, waren die sog. Zahlensender, also geheime Botschaften für Agenten und Spione. Das hat mich total fasziniert. Später habe ich dann Radio Nordsee dort gehört und Landpiraten, wie World Music Radio oder ABC Europe.
RADIOSZENE: Du bist zwar kein Funkamateur, hast aber auch mal auf Kurzwelle gesendet…?
Conny Ferrin: Ja, allerdings ohne Lizenz. 1976 habe ich als Radio Channel 292 zum ersten Mal auf Kurzwelle gesendet, spätere Stationen hießen Radio Wunderland International und Radio GALAXY.
Radio Channel 292 sendet heute ja bekanntlich ganz legal, was kein Zufall ist: Mit Rainer, dem Betreiber, bin ich seit über 45 Jahren befreundet, er hat damals auch die Sender gebaut und wir haben gemeinsame Projekte betrieben.
RADIOSZENE: Welchen Kurzwellen-Receiver benutzt du heute noch?
Conny Ferrin: Es sind drei. Ein Yaesu FRG 7700, ein Sangean und vor 2 Jahren hab‘ ich mir auf Ebay den Siemens Turnier RK16 geschossen. Dieses Modell war mein erster Weltempfänger. Für den damals eigentlich obligatorischen Grundig Satellit reichte mein Taschengeld nicht. Aber der RK16 ist toll!
RADIOSZENE: Wie kam es dazu, bei Radio DARC als Moderator mitzumachen?
Conny Ferrin: Rainer Englert, DF2NU, der jetzige Chefredakteur von Radio DARC, hatte sich bei der ORS in Wien und auch bei Rainer von Radio Channel 292 nach Sendezeit erkundigt und ihn gefragt, ob er jemanden kenne, der das geplante Programm produzieren könne. So kam der Kontakt zustande. Ich war sofort begeistert von der Idee, ein wöchentliches Technikmagazin zu senden und von der Möglichkeit zum zweiten Mal in meiner Radiolaufbahn legal europa-, ja sogar weltweit auf Kurzwelle zu hören zu sein. Das erste Mal war‘s bei RTL auf der legendären 6090 kHz gewesen.
Von Rainer Englert und seiner Mannschaft war das damals ganz schön mutig, so ein Kurzwellenprogramm zu lancieren, zumal anfangs nicht alle im DARC von dem Projekt überzeugt waren. Der Erfolg hat ihm aber inzwischen Recht gegeben, nach immerhin 400 Sendungen. Immerhin ist Radio DARC eines der letzten Programme auf Kurzwelle überhaupt, die in Deutschland produziert werden. Das hat absoluten Seltenheitswert!
RADIOSZENE: Nach 7 Jahren wurde jetzt die 400. Sendung gesendet, hast Du irgendwann eine Sendung ausgelassen oder gab es mal technische Ausfälle?
Conny Ferrin: Ausgefallen ist m.W. nie eine Sendung, allerdings gönne ich mir jährlich 2 Wochen Urlaub, da werde ich dann freundlicherweise von Rainer Englert oder Alfred Spitzer, DF9JD, vertreten.
RADIOSZENE: Hast Du mal daran gedacht, jetzt noch eine Amateurfunk-Lizenz zu machen?
Conny Ferrin: Sicher habe ich das und ich wurde von Rainer Englert auch dazu ermuntert. Im Moment fehlt mir aber leider einfach die Zeit.
RADIOSZENE: Hat Kurzwelle in diesen unsicheren Zeiten wieder eine Daseinsberechtigung?
Conny Ferrin: Die Kurzwelle ist und bleibt die technisch und finanziell einfachste Möglichkeit, über größere Entfernungen zu kommunizieren. Die Funkamateure beweisen dies ja tagtäglich. Im Krisen- und Katastrophenfall sind analoge den digitalen Medien ohnehin überlegen. Gerade in diesen unsicheren Zeiten, Stichwort Krieg in der Ukraine und Unruhen im Iran, gewinnt die Kurzwelle auch für den Rundfunk wieder an Bedeutung, da sie die Möglichkeit bietet, Menschen ungefiltert und unzensiert zu informieren. Man kann sie zwar stören, aber nicht einfach abschalten oder blockieren, wie das Internet, was im Nahen Osten ebenso stattfindet wie in China oder Russland. Alles was der Hörer benötigt, ist ein einfacher Kurzwellenempfänger. Diese Geräte kosten heutzutage auch nur noch wenig Geld. Man kann den Hörer auch nicht zurückverfolgen, wie z.B. über die IP-Adresse im Netz. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Zahlensender, also der Agentenfunk wieder eine Renaissance erfahren hat. Ganz weg war er ja nie.
Kurzwellenausstrahlung von Radio DARC
Jeden Sonntag 11:00 Uhr MESZ Hauptsendung auf KW 6070 kHz mit 100 kW aus Moosbrunn, Österreich und 9670 kHz mit 10 kW aus Deutschland. Wiederholung auf 9670 kHz jeden Montag 17:00 Uhr MESZ.
Täglich 20:00 Uhr MESZ auf KW 3955 kHz mit 10 kW aus Bayern für den Nahbereich.
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