„Unsere Zukunft ist die Kurzwelle“

kwantenne
Kurzwellenantennen von World Christian Broadcasting auf Madagaskar

Am 31. Januar verabschiedete sich „Radio Bulgarien“ von der Kurzwelle, schon Ende Oktober stauchte die Deutsche Welle ihren Kurzwellensendeplan drastisch zusammen, Radio Prag oder die BBC sind ebenfalls nur noch in reduziertem Ausmaß auf diesem Wellenbereich präsent. So mancher sieht das Ende der Kurzwelle bevorstehen, den Tod einen Wellenbereiches, auf dem Radiosignale tausende Kilometer um den Erdball zurücklegen können. Da klingt es überraschend, wenn sich ein Sender erhebt und ausruft: „Unsere Zukunft ist die Kurzwelle!“

Zugegeben, diese Äußerung wurde bereits im Herbst vergangenen Jahres getätigt, doch sie ist auch heute noch aktuell, weshalb das amerikanische Onlineportal Radioworld.com darauf kürzlich hinwies. Es handelt sich um eine Rede von Charles Caudill, seines Zeichen Präsident der Organisation „World Christian Broadcasting“, kurz WCB, die sich unter anderem für die bekannte, religiöse Kurzwellenstimme „KNLS“ aus Alaska verantwortlich zeigt und derzeit einen neuen Kurzwellensender auf Madagaskar fertigstellt. Aus Sicht von Caudill sei die Kurzwelle auch heute noch ein lohnender Verbreitungsweg, gerade auch für Organisationen mit begrenztem Budget.

Charles Caudill (Bild: WCB)
Charles Caudill (Bild: WCB)

„Kein anderer Weg käme für uns in Anbetracht unseres begrenzten, finanziellen Handlungsspielraums in Frage, um eine so große Anzahl von Hörern zu erreichen, wie wir sie tatsächlich erreichen“, so WCB-Präsident Caudill. Zwar kann er keine genaue Höreranzahl nennen, zeigt jedoch auf: „Mit einem jährlichen Budget von etwas mehr als 3.000.000 US-Dollar sind wir in der Lage, 50 bis 60 Sendestunden täglich von unseren zwei Stationen aus auszustrahlen.“ Diese Zahl resultiert aus sechs verschiedenen Sprach- und Regionaldiensten, die teils zeitgleich auf mehreren Kanälen auf Sendung sind. Mit diesem vergleichsweise niedrigen Etat erreiche man Millionen von Kurzwellenempfängern in aller Welt.

 

„Niemand hört religiöses Radio im Internetcafé“

Dass man sich der Verbreitung der Programme über das Internet nicht verschließen solle, ist für Charles Caudill klar. Dennoch ist er überzeugt davon, dass neue Technologien die Kurzwelle nicht von heute auf morgen ablösen werden. Die Gründe dafür sind laut seinen Aussagen eindeutig, die er mit einem Beispiel aus Madagaskar untermauert. Das Land ist sowohl Quelle als auch Zielgebiet für viele Kurzwellensendungen. So habe nur 1% der Inselbewohner Zugang zum Internet – und das häufig nur mit einer langsamen, unzuverlässigen Verbindung. Viele Menschen seien auf teure Internetcafés angewiesen. Die WCB schätzt diesbezüglich realistisch ein: „Wir glauben nicht, dass sich irgendjemand in ein kostenpflichtiges Internetcafé begeben würde, um religiöse Radiosendungen zu hören“. Das gleiche Modell überträgt Caudill auf die Volksrepublik China, wo Internetnutzer ebenfalls häufig auf Internetcafés zurückgreifen und zudem noch vom Staat überwacht werden würden. Der Preis für einen eigenen Computer und einen Internetanschluss sei jedenfalls in beiden Ländern hoch und stehe in keinem Verhältnis zu einem günstigen Kurzwellenempfänger. Ein Statement, das ohne weiteres auch auf andere afrikanische oder asiatische Staaten übertragen werden kann.

Zudem seien bei Kurzwellensignalen die Nutzer, anders als bei Webradio, nicht zu identifizieren und die Störung der Programme schwieriger, als einfach das Internet eines Landes zu blockieren oder zu zensieren. Eine Aussage, die Kurzwellenhörer an das Versteckspiel des US-Senders „Radio Free Asia“ erinnert, der regelmäßig vor den lautstarken chinesischen Störsendern auf neue Frequenzen flüchtet – letztlich aber seine Hörer findet. Genauso wie diverse nach Nordkorea sendende Kurzwellenstationen, die im Internet niemals nördlich des 38. Breitengrades Gehör finden könnten.

Caudill sieht auch die Ausstrahlung via Satellit skeptisch, gerade im Zielgebiet seiner Rundfunkanstalt KNLS, die unter anderem russische Programme produziert. Die Verbreitung von entsprechenden Empfangsanlagen sei in Russland bei weitem nicht so stark wie bezüglich des Kurzwellenrundfunks. Schließlich würden die „Stimme Russlands“ und das staatliche „Radio Mayak“ nicht umsonst 6.500 Stunden Kurzwellensendungen pro Woche auf Russisch senden. „Die russischen Sender wissen, dass, wenn man auch die entlegensten Winkel Russlands erreichen möchte, man auf die Kurzwelle zurückgreifen sollte“. Inzwischen haben allerdings auch einige russische (Lokal-) Stationen ihren Sendebetrieb zurückgefahren.

 

Smartphones kein Ersatz für Kurzwellenradio

iPhoneIn Europa sind Radio-Apps für Smartphones in aller Munde, doch ein Ersatz für die Kurzwelle können auch sie nicht sein, behauptet Caudill und zählt auf: „2009 wurden 2.2 Millionen Handys in Russland verkauft, diese Zahl verdoppelte sich im darauffolgenden Jahr. Fast alle dieser Geräte werden jedoch nur in Moskau und St. Petersburg genutzt.“ Es sei unwahrscheinlich, dass in den östlichen und fernöstlichen Regionen Russlands in naher Zukunft Glasfaserleitungen und schnelle Handynetze installiert werden würden. Zum Empfang von KW-Sendungen genüge schon eine einzige Sendestation.

Auch wenn der Ausbau von Internet- und Handynetzen nicht zu unterschätzen ist, ist Charles Caudills Meinungen durchaus zuzustimmen. Die Kurzwelle darf jedoch genauso wie das Internet nicht als Allheilmittel für Rundfunkveranstalter wie die World Christian Broadcasters oder Auslandsdienste verstanden werden. Sie muss in ein modernes Gefüge aus verschiedenen Verbreitungswegen integriert werden, etwa gerade im Zusammenhang mit Podcasts oder Livestreams. Sie muss zusätzlich sinnvoll eingesetzt werden, gerade in punkto Frequenz- und Sendezeitplanung, um den Hörerinnen und Hörern in den Zielgebieten, wo nicht auf lokale UKW-Netze oder Handyradio zurückgegriffen werden kann, einen ausreichenden Empfang gewährleisten zu können. Die Digitalisierung der Kurzwelle mittels DRM (Digital Radio Mondiale) ist eine Option, sobald sich funktionierende Empfangsgeräte zu günstigen Konditionen für entsprechende Märkte ankündigen. Derzeit ist diese Vision jedoch offenbar noch in weiter Ferne.

Charles Caudill von der religiösen WBC sieht die Abschaltungswelle bei den großen, internationalen Kurzwellendiensten jedenfalls so: „Wir danken allen, die ihre Kurzwellensendungen reduzieren, denn damit bleiben mehr Hörer für uns übrig“. Bald wird sich zeigen, ob sich dieser Satz bewahrheiten und Caudills Euphorie möglicherweise auf andere Sender(verantwortliche) überschwappen konnte. Es bleibt spannend, wohin sich die Kurzwelle entwickeln wird.

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Weiterführende Informationen:
Die Rede im Original bei der NASB

Nachrichtenbericht über Caudill und seinen Sender KNLS
Bildquellen: Antenne aus VoA-VideoberichtFoto von Charles Caudill von WBC