Die Mittelwelle, auf der der Rundfunk vor über 90 Jahren begann, ist in Deutschland für ARD und Deutschlandfunk Vergangenheit. Die landesweite sichere Rundfunkversorgung ist bei der zuletzt geringen Hörerzahl schlicht zu teuer geworden. Ebenso negativ wirkte sich die Verbannung des Jugendsenders DT64 von UKW Stereo auf die knacksende, dumpfe Mono-Mittelwelle auf das Image dieses Empfangsbands aus. Die AM ersetzende Digitaltechnik DRM konnte sich auch nicht rechtzeitig verbreiten, nun liegen die Sendemasten am Boden. Die Frequenzen liegen seitdem brach.
Auch in Großbritannien, wo die Mittelwelle weit beliebter war als im früh mit gutem UKW-Klang verwöhnten Deutschland, werden seit Jahren Mittelwellensender stillgelegt und Lizenzen zurückgegeben. Dies nutzte der einst auf der Mittelwelle groß gewordene ehemalige Piratensender Radio Caroline, um eine der nun weit weniger gefragten und damit auch für nichtkommerzielle Projekte erreichbaren Mittelwellenlizenzen zu bekommen. Ebenso können in den Niederlanden nun Kleinsender die verwaisten Mittelwellenfrequenzen nutzen.
Doch auch wenn die Mittelwelle nicht mehr alltags-radiotauglich ist, ist sie immer noch interessant für Veranstaltungsradio, technische Versuche und Museumssender. Davon ließ sich auch die Bundesnetzagentur immer öfter überzeugen: So aktivierten Funkamateure im Oktober 2016 in Halle die Mittelwelle auf 1575 kHz für ein Kunstfestival. Welle 370 aus Königswusterhausen sendete sogar seit 2008, also vor dem großen Mittelwellensterben sporadisch und ist seit 2014 durchgehend lizensiert. Radio 700 und Channel 292 sind wiederum auf Kurzwelle aktiv.
Der eigentliche Pionier der neuen Mittelwellen-Nutzung ist aber das Rundfunkmuseum Cham, das nicht nur den ehemaligen Mittelwellensender Ismaning des Bayerischen Rundfunks demontierte und mitnahm, um ihn im Museum auszustellen, sondern auch – wenn auch natürlich nicht mit der ehemaligen Leistung von 100 kW – wieder in Betrieb nehmen durfte, um ein Testsignal für die zahlreichen historischen Rundfunkempfänger im Museum und die zu Veranstaltungen anreisenden Besucher zu liefern. Für einen solchen AM-Sender lassen sich von Kindern und Jugendlichen auch einfache Rundfunkempfänger basteln.
Deshalb ging nun auch im Deutschen Museum in München unter dem Namen Radio Eule (die Eule ist das Maskottchen des Deutschen Museums) auf 1.500 kHz ein Mittelwellensender in Betrieb, für den Michel Heller vom Rundfunkmuseum Cham Wissen und Hardware zur Verfügung stellte. Auch 100 Mittelwellen-Empfängerbausätze für München werden aus Cham geliefert. Weitere „Museumssender“ sind Antennenlohe aus Erlangen auf 1476 kHz und der Ortssender Wertingen, der wie Cham auf der alten Ismaninger Frequenz 801 kHz sendet.
Da nun also eine gewisse Routine beim Beantragen und Erteilen von Mittelwellen-Kleinsendelizenzen einkehrt, dürfte es auch für andere Museen, Rundfunkbegeisterte und Veranstalter interessant werden, einen eigenen Mittelwellensender in Betracht zu ziehen. Dazu soll bei den Landesmedienanstalten eine neue Rundfunkart Bagatellrundfunk für solche Kleinsender ohne finanzielle Interessen eingeführt werden.