Rudi Klausnitzer (76) wäre als Moderator nicht ausreichend beschrieben: Der gebürtige Oberösterreicher ist seit jungen Jahren ein kreativer Mediengestalter, der vor allem dem deutschsprachigen Radio seinen Stempel aufgedrückt hat. Dieses wird auch dadurch nicht relativiert, dass sich unter seinen Landsleuten überproportional viele Persönlichkeiten befinden, die in den Medien reüssiert haben. Unser Mitarbeiter Hendrik Leuker bekam Gelegenheit, Rudi Klausnitzer im Konferenzraum der dmc-Group in Wien zu interviewen, bei der dieser Gesellschafter ist.
Sein Weg zum Radio
Nach der Matura (Abitur) in Linz stand Klausnitzer bald vor der Entscheidung, sein Studium der Publizistik, Kommunikationswissenschaften und Politikwissenschaften in Salzburg mit der Dissertation (Doktorarbeit) zu beenden oder die Möglichkeiten zu nutzen, die sich beim Radio für ihn auftaten: „Habe dann Radio machen als aufregender empfunden als das Studium.“, begründet Klausnitzer seine Entscheidung.
Schon in jungen Jahren hörte Klausnitzer, der überwiegend bei seinen Großeltern in Oberösterreich aufwuchs, für damalige Verhältnisse modernes Radio: Radio Luxembourg – The Station of The Stars auf Mittelwelle 1439 KHz, entsprechend 208m („Two-O-Eight“). Und das mit einem abenteuerlichen Empfänger: „Ich benutzte einen Detektor, eine Wasserleitung diente als Antenne, der Detektor wurde an die Wasserleitungserdung angeschlossen und ich hörte dann per Kopfhörer.“, erinnert sich Klausnitzer lebhaft an seine ersten Hörerlebnisse zurück. „Ich hörte Radio Luxembourg. Das war für damalige Verhältnisse aufregend: Ein internationaler, englischsprachiger Sender!“
Beim öffentlich-rechtlichen ORF sei es damals, Anfang der 1960er Jahre, ein „Glücksfall“ (Klausnitzer) gewesen, wenn im Radio einer seiner Lieblingstitel gelaufen sei. In ÖR (Anm.: Österreich Regional, das 2. Hörfunkprogramm des ORF, das regional im Programm aufgesplittet ist) habe es seinerzeit an Exotischem „Das Lied der Prärie“, eine Country-Sendung mit Conny Tex Hat und eine weitere mit Günther Schifter gegeben sowie Pop in „Hallo Teenager!“ mit Eva-Maria Kaiser (Anm.: Kaiser gehörte dann zur ersten Moderatorenriege von Ö3 und gilt als Förderin des Austro-Pop.). Außerdem habe er Schlager und traditionellen Jazz konsumiert: „Allgemein habe ich besseren Zugang zur Mainstream-Musik. Ich bin musikalisch eher einfach gestrickt.“, bekennt Klausnitzer.
Wie ist er dann selbst ins Radio gekommen? In den Jahren 1965 und 1966 habe man beim ORF-Landesstudio Oberösterreich in Linz Teilnehmer für Jugenddiskussionssendungen gesucht: „Da habe ich mich gemeldet.“ Parallel sei er am Wochenende DJ in Linz gewesen, um sich etwas Geld zu verdienen. „Ich habe mich dann für eine Wunschkonzertsendung am Samstagabend namens ,Tanzmusik auf Bestellung´ beworben bei Ö Regional und bin genommen worden.“ Rock und Pop-Sendungen seien damals noch Minderheitenprogramme gewesen. Ab Oktober 1967 sollte sich das ändern: Das 3. Hörfunkprogramm des ORF, Ö3, wurde aus der Taufe gehoben: Ein eigenes Programm für moderne Unterhaltungsmusik! Beinahe von Anfang an unter Mitwirkung von Klausnitzer.
Rudi Klausnitzer: Erfinder des Ö3-Weckers
Bereits in seinem ersten Semester als gerade 19-Jähriger hatte Klausnitzer eine konkrete Vorstellung von einer Frühsendung, gekennzeichnet durch leichte Unterhaltung, komprimierte Information und anregende Musik, als Aufstehhilfe gewissermaßen und für den Start in Schule und Beruf: Er lieh sich von seinem Onkel in Linz Tonbandgerät und Schallplattenspieler und nahm im Oktober 1967 ein zehnminütiges Demo-Band mit dem Titel „Ö3-Wecker“ auf.
„Das von mir geschnittene Band habe ich dann mit Klebeband zusammengeklebt. Das Tonband auf Rollen mit meiner Aufnahme habe ich dann an den damaligen Generalintendanten des ORF, Gerd Bacher, geschickt.“, schildert Klausnitzer. Von dessen Büro erhielt er die Auskunft, dass man das Band an den Ö3-Chef Ernst Grissemann weitergeleitet habe.
Von Grissemann bekam er ein freundliches Dankesschreiben und die Einladung, sich bei ihm zu melden, wenn er wieder einmal in Wien sei. Ein umtriebiger Kreativer lässt sich davon natürlich nicht bremsen und so besuchte Klausnitzer Grissemann schon in der nächsten Woche in Wien. Er fragte direkt nach einer Möglichkeit, im gerade gestarteten Programm Ö3 moderieren zu können. „Grissemann sagte mir, dass er das Band von Bacher bekommen habe. Im Moment habe er aber keine Moderationsstelle frei. Als einzige Moderationsmöglichkeit verwies er mich auf einen DJ-Wettbewerb in der Sendung ,Musicbox´. Schließlich habe ich den Wettbewerb gewonnen.“, merkt Klausnitzer nicht ohne Stolz an.
Man bot ihm daraufhin die gelegentliche Vertretung der Sendung „Mittags-Martini“ an, nämlich von der namensgebenden Moderatorin Louise Martini. Diese Vertretung trat er an wie er die Moderation in ,Tanzmusik auf Bestellung´ im Landesstudio Oberösterreich in Linz auf Ö Regional am Wochenende und sein Studium in Salzburg fortsetzte.
Als er für einer der Ausgaben dieser Sendung auf einer Schreibmaschine gerade den Sendeablauf eintippte, trat der Unterhaltungschef des Landesstudios Oberösterreich, Haymo Pockberger, herein und bat ihn um Vorschläge für das neue Programm Ö3. Klausnitzer übergab ihm sein Sendekonzept für den , Ö3-Wecker´, das Band selbst befand sich in Wien bei Grissemann. Drei Tage später kam Pockberger zu ihm und teilte ihm mit, dass man seinen vorgeschlagenen ,Ö3-Wecker´ verwirklichen wolle. Klausnitzer sollte sich dann bei Grissemann in Wien melden und sein Konzept wurde von diesem angenommen.
Danach hatte Klausnitzer seine erste eigene regelmäßige Sendung, die er dann 18 Jahre lang, vom 1. Oktober 1968 bis 1987 moderieren sollte, zunächst von 6-8 Uhr, danach von 6-9 Uhr (Anm.: Heute kommt der, Ö3-Wecker´ mit Philipp Hansa und Gabi Hiller von 5-9 Uhr). Die erste Ausgabe vom 1. Oktober 1968 dürften die meisten Verantwortlichen vom ORF verschlafen haben, da am Abend zuvor in der Wiener Stadthalle ,1 Jahr Ö3´gebührend gefeiert wurde. Leider entging Intendant Bacher nicht die Anrede Klausnitzers an seine Hörer, die dieser mit „Guten Morgen, liebe Freunde!“ begrüßte. Das war für Bacher Halbstarken-Jargon. Klausnitzer sollte gleich wieder rausfliegen: „Ernst Grissemann hat dann ein gutes Wort für mich eingelegt.“, zeigt sich Klausnitzer erleichtert.
Es gab dann anlässlich der Olympia-Berichterstattung von Klausnitzer im Jahr 1972, als er erwähnte, dass drei Scharfschützen auf den Dächern postiert wurden, den gravierenden Vorwurf, durch seine Berichterstattung seien die palästinensischen Terroristen, die israelische Olympioniken als Geiseln im Olympia-Dorf genommen hatten, gewarnt worden: „Hierzu hätten sie in München erst einmal Ö3 empfangen müssen. Ich hatte vorher bei der Pressestelle nachgefragt und dann diese Information in meinem Bericht verwendet.“ Nach ein paar Stunden konnte Klausnitzer den Vorwurf ausräumen und stand, auch durch das Zutun von Grissemann, nicht länger zur Disposition.
Seine Sendungen bei Ö3 und im Radio allgemein
Die Sendungen bei Ö3 gingen für Klausnitzer über den von ihm erfundenen „Ö3-Wecker“ hinaus. Diesen moderierte er 18 Jahre lang, das schaffte nach ihm keiner mehr so lange. Auch in seiner Zeit als persönlicher Referent von Generalintendant Bacher in den Jahren 1972 bis 1974 und als Leiter der Familienredaktion des ORF-Landesstudio Salzburg von 1976 bis 1978 blieb er dem Ö3-Wecker treu: „Bacher war skeptisch, ob ich wirklich gleichzeitig sein Büro leiten und den Ö3- Wecker moderieren konnte.“
Ohnehin hatte Klausnitzer weitere Schlüsselfunktionen inne: Vor seiner Zeit als Büroleiter von Generalintendant Bacher war er Chef der Magazinsendungen von Ö3 (1969-1972). Schließlich wurde er 1979 Ö3-Chef und blieb es bis zum Jahr 1986. Neben dem „Ö3-Wecker“ moderierte Klausnitzer die Infotainmentsendung „Ö3-Magazin“, die „Ö3- Hitparade“, die sich an Verkaufszahlen orientierte, und die Talksendung „Ö3-Leute“.
An einen Studiogast in „Ö3-Leute“ erinnert sich Klausnitzer noch gut zurück: „Wir waren lange hinter der schwedischen Hollywood-Schauspielerin Ingrid Bergman her. Als sie dann endlich da war, war es fast ein wenig gewöhnlich. Später sagte man mir, dass berühmte Persönlichkeiten deswegen nicht so viel von sich preisgäben, da sie eine Spiegelfläche für viele Menschen sein müssten.“
Auch kam Peter Travnicek in dieser Sendung vor, einer der ersten Aussteiger in Österreich: „Travnicek arbeitete nur ein halbes Jahr lang und verbrachte das andere halbe Jahr in Griechenland und lebte dann wie es scheint gut dort von seiner Arbeit.“ Als Höhepunkt in den ersten Ö3-Jahren und in den 1970er Jahren sieht Klausnitzer auch die vielen Gastmoderationen an: In der, Ö3-Teestube´ am Nachmittag, z.B. von Thomas Gottschalk oder Desirée Nosbusch sowie in der ,Musicbox´, bei der die Moderatoren oft ihre Platten selbst aussuchen durften, vom damaligen Chefsprecher und späteren Programmdirektor von Radio Luxemburg, Frank Elstner, und über einen längeren Zeitraum vom Aktionskünstler, Chansonnier und Schauspieler André Heller.
Im Jahr 1979 als Klausnitzer Ö3-Chef wurde, wurde das beliebte Urlaubsprogramm „Ö3-Radio Holiday“ mit Reinhard Mildner ins Leben gerufen. Es sendet seit dem 19.07.1979 bis heute in den Ferienmonaten. Das heutige Hitradio Ö3 findet Klausnitzer eher gelungen: „Vor allem die Positionierung , Das Leben ist ein Hit!´. Sie beschreibt ein positives Lebensgefühl.“ Im Jahr 1979 ging auch Ö3 International in den Äther, das später unter dem Namen „Blue Danube Radio“ reüssierte und heute FM 4 genannt wird.
Zur Eröffnung der UNO-City in Wien wurde dieses Programm, das (auch) auf Englisch, Französisch und Spanisch sendete, für die International Community (Internationale Gemeinschaft) von Klausnitzer gestartet. Im späteren Verlauf seiner Karriere war Klausnitzer im Jahr 1987 Starthelfer bei Radio Hamburg und moderierte die erste Morgensendung beim Start von Radio Hamburg. Kleine Anekdote am Rande: Klausnitzer erfand auch das etwas gekippte Logo von Radio Hamburg: „Ich hatte es am MTV-Logo angelehnt“.
Vom 26.09.2019 an moderierte er als Selbstfahrer, was die Technik angeht, zusammen mit Sendereigner Wolfgang Fellner die Morgensendung des damals neu an den Start gegangenen zweiten landesweiten Privatsenders Radio Austria, ein halbes Jahr etwa bis ihn die Corona-Pandemie ausbremste. Wie sieht Klausnitzer die Zukunft des Mediums Radio?
„Radio sollte ein Lebensgefühl definieren. Radiosender müssen zu Marken werden, zu Lifestyle Brands, die über den klassischen Radiokanal hinaus wirken. Wir müssen uns die Frage stellen, was wir machen würden, wenn wir die Verbreitung über den klassischen UKW-Sender nicht mehr hätten und nur mehr die Marke.“
(Rudi Klausnitzer).
Gemeinschaft unter den Hörern
Mit Ö3 und seinem Werdegang verbunden ist die stete Suche nach einem Mehrwert für das Programm: Man wollte z.B. keine reine Autofahrer-Welle sein, aber ein sozialer Effekt wurde durchaus angestrebt über den bloßen Konsum der Sendungen hinaus. Anfang der 1970er Jahre war Ö3 stärker geworden als Ö Regional und nahm diesem Programm Hörer weg.
Bei Ö Regional lief damals bereits seit 1957 die Autofahrersendung „Autofahrer unterwegs“, die im ganzen Land populär war: „Die Autofahrer erschienen uns als eine durchaus interessante Zielgruppe für Ö3. Wir überlegten uns, ob wir nicht der Begleiter im Auto sein könnten. So kam es dann zum Verkehrsfunk Anfang der 70er Jahre.“ Verkehrswarnmeldungen in Zusammenarbeit mit der Polizei, ÖAMTC und ARBÖ unterbrachen das laufende Programm und gaben den Autofahrern nützliche Hinweise. „Das sollte ein Grund sein, weswegen sich die Hörer für Ö3 entscheiden. Bayern 3 war noch etwas früher dran als wir mit dem Verkehrsfunk (Anm.: Seit April 1971 sendete die Servicewelle von Radio München).“ Das war eine erste Innovation für das Radio, bei der es nicht bleiben sollte.
Anfang der 1970er Jahre griff die Magazinitis um sich, auch auf Ö3 mit dem „Ö3-Magazin“: „Magazine im Radio waren weniger eine Antwort auf das (Anm.: immer bedeutender werdende) Fernsehen. Im Fernsehen gab es seinerzeit nur Abendnachrichten und Dokumentationsformate. Magazine waren eher die Antwort auf Print. Print hatte stärker einen Magazincharakter.“, analysiert Klausnitzer.
Beginnend mit den 1980er Jahren wurde der Formatfunk dann immer stärker: Nach dem Prinzip „Trial and Error“ wurde versucht, die bestmögliche Programmkonzeption zu finden. Marktforschung kam erst Schritt für Schritt dazu. Auch die Ausrichtung auf angloamerikanische Rock- und Popmusik war nicht das Ergebnis von Marktforschung, sondern es war der „Schnulzenerlass“ des Intendanten Bacher aus dem Jahr 1968. Der führte zur Fokussierung auf angloamerikanische und europäische Pop-Musik, z.B. aus Frankreich und Italien sowie dann auch zum Austro-Pop: „Der sogenannte Schnulzenerlass war ein unfreiwilliger wesentlicher Meilenstein für den Erfolg von Ö3“, ist sich Klausnitzer bewusst.
Und weiter: „Bacher hat sich über die Blödheit der deutschen Schlagertexte geärgert.“ Folglich wurde der deutsche Schlager aus dem Programm von Ö3 verbannt. Eva Maria Kaiser, die von Österreich Regional kam, hatte die erste Popmusiksendung bei Ö3, wurde mit der „Show-Chance“ zur Mentorin der österreichischen Popmusik, des Austro-Pop, von Interpreten wie Peter Cornelius, Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich, Ludwig Hirsch usw.
„Die Sänger sangen in Mundart, das war weniger gespreizt als das Hochdeutsche.“, macht Klausnitzer den Erfolg des Austropop aus und weiter: „Zu der Sendung ,Show-Chance´ würde man heute Casting-Show sagen.“ Es sei das Verdienst des Ö3-Gründers und ersten Ö3-Chefs Ernst Grissemann gewesen, der Anfang Januar 2023 gestorben ist und im Übrigen ein „liberaler Chef, der uns viel Spielraum gelassen hat“ (Klausnitzer) gewesen sei, über die Musik, internationale Pop-Musik und Austro-Pop, eine Gemeinschaft unter den Hörern geformt zu haben, die in Ö3 ihren Tagesbegleiter gefunden hatten.
Es gab aber eine Sendung, die ,Musicbox´, die nachmittags von 15 bis 16 Uhr lief, die stark polarisierte: „In dieser Sendung hatte ich damals den DJ-Wettbewerb gewonnen. Es war eine Avantgarde-Sendung. Mitunter wurde in dieser Hardcore-Sound gespielt, während im übrigen Programm Mainstream dominierte. Hardcore gegen Mainstream also. Während die einen Ö3 gerne hörten, die ,Musicbox´ aber nicht, schalteten andere nur die ,Musicbox´ ein“, schildert Klausnitzer das damalige Hörerverhalten. „Das war aber gut für Ö3!“, ist sich Klausnitzer sicher. Dieses sei ein Programmerlebnis fern der „Mini-Bubbles“ unserer Tage und der Diversifizierung in einzelne Webstreams gewesen.
Für die Gesellschaft seien Programme, die eine Art Lagerfeuerfunktion haben, wichtig. Grissemann war es auch, der Anfang der 1970er Jahre den Sendeverantwortlichen einen gemeinsamen süddeutschen Verkehrssender von Bayern 3, hr 3 und SWF 3 vorschlug, von dem aber wieder abgesehen wurde, nachdem SWF 3 eigene Wege in seinem Programm ging.
Der Erfolg von Ö3 machte nämlich auch Sender aus Deutschland neugierig: Im Jahr 1974 besuchte der damalige SWF-Intendant Helmut Hammerschmidt und ein fünfköpfiger Programmbeirat, der aus SWF 3 im darauffolgenden Jahr ein Vollprogramm machen sollte, darunter Peter Stockinger, der spätere Leiter der Schlussredaktion und schließlich Programmchef von SWF 3, in einer Art Fact-Finding-Mission für einige Tage Ö3 in Wien. Stockinger übernahm das Ö3-Konzept insofern, als dass über die Musikfarbe und Bandbreite der Musik (Mainstream und Hardcore) eine Gemeinschaft unter den Hörern geschaffen wurde.
Im späteren Austausch von Ö3 und SWF 3 übernahm Ö3 die Idee Stockingers von kurzen Wortbeiträgen und „Radio-Comics“, dem Vorläufer der heutigen Radio-Comedy: „Es war eine spannende Zeit damals. Einen Zusammenhalt der Hörer auch über das Wort zu schaffen, hätte ich mich sonst wohl nicht getraut.“, ist sich Klausnitzer sicher. Aber: „In der heutigen Comedy werden mir Politiker zu sehr als Trottel und die Politik als Gladiatorenkampf dargestellt.“, merkt Klausnitzer kritisch an.
In Ansätzen hat es eine Zusammenarbeit auch mit anderen deutschen Sendern wie Bayern 3 und SFB 2 gegeben: Bayern 3 übernahm in den 1970ern die Sendung nach dem Ö3-Wecker „Bitte recht freundlich!“, eine Nonstop-Pop-Sendung, von 8 bis 9 Uhr. Brigitte Xander leistete „Wecker-Aufbauhilfe“ bei SFB 2 in West-Berlin. Vom US-Radio wurde zeitweise in den späten Abendstunden die „Casey Kasem-Show“ (American Top 40/US- Hitparade) übernommen.
Aber am intensivsten war die Zusammenarbeit mit SWF 3. Auch Klausnitzer pendelte eine Zeitlang Ende der 1970er Jahre zwischen Wien und Baden-Baden: Er wurde Gastmoderator bei SWF 3, genauer vom „SWF 3-Flohmarkt“ , der immer sonntags von 9 bis 12 Uhr kam: „Es war spannend zu sehen, welche Erfahrungen machen wir und welche die Kollegen von SWF 3“, denkt Klausnitzer gerne an diese Zusammenarbeit zurück.
Kreativ auch abseits des Radios
Mit der Moderation der Sendung „Teletreff“ beim ORF in den 1970ern wagte Klausnitzer einen Abstecher ins Fernsehen: „Das habe ich probiert. Es war nicht so meins. Beim Radio brauchst Du wenig Technik und Musik, beim Fernsehen war es komplizierter. Ein komplizierter technischer Apparat! Ich mache Radio lieber als Fernsehen. Mir hat die Spontaneität gefehlt, die im Radio möglich ist.“, zeigt Klausnitzer seine Präferenz.
Nach seiner Zeit bei Radio Hamburg, das er mit aufbaute, war Klausnitzer ab Ende 1987 als Geschäftsführer und Programmdirektor von Sat 1 tätig und machte eine ernüchternde Feststellung: „Ich hatte den Eindruck, dass das Privatfernsehen eine Kopie des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sein wollte und das mit geringeren finanziellen Mitteln“. Klausnitzer baute die Strukturen um, nahm den Wettbewerb mit RTL auf und konzipierte eine Morgensendung fürs Fernsehen (Frühstücks-TV).
1989 wechselte er in gleicher Funktion zum Bezahlsender Premiere. 1992 kehrte er nach Österreich zurück und widmete sich Tätigkeiten im kulturellen Bereich: Er wurde Intendant der Vereinigten Bühnen in Wien und produzierte dort erfolgreich Musicals. 1997 wurde unter seiner Intendanz z.B. der „Tanz der Vampire“, eine Bühnenfassung nach dem Film von Roman Polanski, uraufgeführt. Zudem war er in der gleichen Zeit Intendant des Theaters an der Wien.
2006 verließ er die Bühnen. Von 2002 bis 2006 war er auch Generaldirektor und Vorsitzender der Geschäftsführung der Verlagsgruppe News. Seit 2007 bis heute ist Klausnitzer selbständiger Medienberater und arbeitet als Gesellschafter der dmc-Group in deren Wiener Büro an Projekten im Bereich Web 2.0 und Social Media sowie Kooperationen mit internationalen Medieneinrichtungen von Europa bis Shanghai (China) maßgeblich mit. Er ist mit seiner Group an neuen Entwicklungen für ORF, ARD und KiKA beteiligt.
Außerdem veranstaltet er Symposien zu Fragen wie derjenigen, welchen Beitrag Wissenschaft zur Innovation leisten kann, Stichwort: KI. Ein Beispiel ist, „The Near Future Summit“ (Naher Zukunftsgipfel) in Zürs am Arlberg. Seit 1990 ist Klausnitzer zudem allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Rundfunk und Fernsehen.
Hobbys, Seh- und Hörgewohnheiten
„Mein Beruf ist mein Hobby!“, wirft Klausnitzer vielsagend in den Raum. „Wenn Sie damit Betätigungen meinen, bei denen ich einmal ganz abschalten kann, dann ist das Kochen, ich koche gerne, und mich mit einem 7-m-Schlauchboot auf einem See oder im Meer treiben zu lassen.“ Dabei entging er im Jahr 2004 mit seiner Familie in Khao Lak (Thailand) nur knapp den Wellen des verheerenden Tsunami (Seebeben).
Im Fernsehen sehe er die Nachrichten, „Zeit im Bild“ (ORF 1 und ORF 2), „Tagesschau“ (ARD/Dritte) und „heute“ (ZDF) sowie deutsche Talkshows von Maybrit Illner (ZDF), Maischberger (ARD) bis Caren Miosga (ARD): „Talkshows erinnern mich an den Formel 1-Zirkus“ (Klausnitzer). Auch schalte er bei Satiresendungen wie der „heute-Show“ (ZDF) und Böhmermanns „ZDF-Magazin Royale“ ein.
Radio höre er nur im Auto, vorzugsweise das Ö1-Mittagsjournal und Hitradio Ö3. – Klausnitzer ist Träger des Amadeus-Award im Jahr 2002 in der Kategorie „Musikpartner des Jahres“, des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien (2004) und Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (2017). Er ist verheiratet mit seiner Frau Isabella und hat eine erwachsene Tochter und einen erwachsenen Sohn.