US-Station WJLX: Ein Sendemast-Diebstahl und seine Folgen

In George Lucas‘ Spielfilm „American Graffitti“ geht es oft um Autos – und Radio. Unter anderem hat der legendäre DJ Wolfman Jack einen Auftritt. In einer Szene spielen sogar Radio und Auto gemeinsam eine Schlüsselrolle. Ein Pärchen fährt zu einem romantischen Abend unterm Sternenzelt in die Nacht. Schließlich liegen sie sich zu flotter Musik in den Armen. Doch dann verstummt die Musik aus dem Autoradio. Und warum? Tja, das Auto wurde geklaut!

Daran erinnert eine Posse, die momentan in der Radiowelt die Runde macht und auch im Heise-Newsticker Erwähnung fand: 7dc93b530ac04d759508fa56a4590165Der US-Oldiesender WJLX in Jasper, Alabama ist nur noch im Internet zu hören, weil sein seit den 1950er-Jahren existierende 60m hoher Mittelwellen-Sendemast geklaut wurde.

WJLX AM-Sendehaus mit Antenne (Bild: radiodiscussions.com)
WJLX AM-Sendehaus mit Antenne (Bild: radiodiscussions.com)

Angeblich fiel das erst auf, als Gärtner dort für Ordnung sorgen wollten und feststellten, dass ein Unbekannter vor ihnen bereits gründlich aufgeräumt und mal so eben den kompletten Sendemast abgebaut hatte. Verkündet wurde es dann am 2. Februar dieses Jahres auf der Facebook-Seite des Senders, die wohlgemerkt fast nur die 250 Watt starke UKW-Frequenz 101,5 MHz erwähnt, die von einem anderen Standort ausgestrahlt wird. Vorher sollen weder Hörer noch Betreiber ihr Mittelwellensignal vermisst haben.

Wer hört noch Mittelwelle?

WJLX-AM-logo-fbDie Mittelwelle ist in den USA infolge der großen Flächen zwar noch wichtiger als in Europa, doch bei WJLX handelte es sich nur um 1 kW Sendeleistung auf 1240 kHz. Solche Kleinsender spielen heute auch in den USA kaum mehr eine Rolle, weil hierfür UKW besser geeignet ist mit höherer Klangqualität und Stereo. Sie waren in Europa längst abgebaut. Erst jetzt, mit der Räumung des Mittelwellenbands von den großen Stationen, gibt es in Europa eine Renaissance für Stationen kleiner Leistung, weil sie nun mit freien Frequenzen wieder nennenswerte Reichweiten erzielen können (RADIOSZENE berichtete). 

Doch in einer Nacht ist der Mast wohl nicht verschwunden, wie Radio eins nachrecherchierte. Vermutlich stammte nicht nur der Sendemast, sondern auch die Mittelwellen-Sendeanlage aus den 1950er-Jahren. Sie war seit längerem immer wieder ausgefallen und seit fünf Jahren wohl gar nicht mehr in Betrieb genommen worden. Sie kostete nur noch Geld und war eigentlich überflüssig geworden. Für die Lizenz der FCC war der Mittelwellensender aber nach wie vor der Hauptsender und die UKW-Frequenz nur ein Relais: Der Betrieb der UKW-Frequenz ohne die Mittelwelle ist folglich nicht zulässig!

Nicht ohne meine Mittelwelle!

Bei den vorherigen Ausfällen durfte der UKW-Sender zwar kurzfristig bis zur Reparatur der Mittelwellenanlage auch alleine weitersenden. Diese Ausnahmen waren jedoch befristet. Aber schon vor 11 Jahren lief der Mittelwellensender des öfteren nicht, wie ein Youtube-Video zeigt, als ein Hörer selbst direkt am Sender auf der Mittelwelle absolut nichts empfangen konnte.

Dass die lästig gewordene Mittelwelle anscheinend nach 2018 überhaupt nicht mehr in Betrieb genommen wurde, womit Metalldiebe nun wahrlich genug Zeit hatten, um Sendemast und Sender abzubauen, hatte niemand besonders gestört. Bis jetzt, wo sich der Senderbetreiber über diesen vermeintlich dreisten nächtlichen Diebstahl echauffierte und die Nachricht davon um die Welt ging. 

Eigentor für WJLX

Oldies 1015 Jasper LogoNun musste die lukrativere UKW-Frequenz abgeschaltet werden und WJLX ist nur noch im Internet zu hören. Die FCC verstand keinen Spaß mehr, als sie von sicher fünf Jahren „Piratenbetrieb“ ohne Mittelwelle und somit in diesem Fall ohne gültige Sendelizenz erfuhr. Der Senderbetreiber sammelt nun Geld für einen neuen Sendemast und Mittelwellensender. Über 10.000 US-$ sind bereits zusammengekommen. 60.000 sollen es werden. Solange, bis wieder eine Mittelwellensendeanlage steht, muss WJLX nun off air bleiben.

Ein Beispiel komplett schief gegangener Guerilla-PR, denn die am Ende gesammelte Summe dürfte vielleicht bei der Errichtung eines neuen Senders helfen, doch den Ausfall an Werbeeinahmen für die Zeit der erzwungenen Abschaltung und den Imageverlust nicht kompensieren können. 

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