Vom „Zoomen und Skypen“

WMP Vikor Worms bigHabe gerade einen interessanten Artikel gelesen, was Corona mit uns so macht und in welchem Ausmaß die Digitalisierung unsere Kommunikation verändert und damit auch unser tägliches Miteinander. Kosten werden gespart (weniger Dienstreisen), unser CO2-Abdruck wird besser (weniger Flüge), unsere Arbeitszeiten haben wir besser im Griff (weniger Konferenzgelaber) und wir kommen alle schneller auf den Punkt, da die nächste Telko schon wartet. Ein befreundeter Radiogeschäftsführer vergangene Woche in einer Zoom-Konferenz: „Ich habe so viele Ideen durch den Shutdown, wie wir in Zukunft effektiver arbeiten können durch die Einsparung von Zeit und Raum“. Seine Shows klingen von Zuhause nicht schlechter als aus dem High-Tech-Studio im Sendezentrum, Meetings sind kürzer, Reinigungskosten sinken, usw.

Auch ich als Coach habe völlig neue Formen der Ausbildung von Programmmitarbeitern, Autoren, Moderatoren entwickelt. Siehe da, Online-Airchecks funktionieren, sind auf den Punkt, Seminare und Workshops haben auch für mich als Video-Format einen völlig neuen Reiz, obwohl ich als „Analog-Native“ immer noch meine Zeit brauche bis alle Beteiligten in der Runde digital versammelt sind und Nerven opfere auf dem Weg dahin. Hinzu kommt, dass sich ein neues Geschäftsfeld entwickelt hat: Manager aus der Automobil-, Versicherungs- und sonstiger Wirtschaft brauchen plötzlich Schulungen im Umgang mit Kamera und Mikrofon. Nebenbei, liebe Medienkollegen, wenn Ihr in Zukunft Performance-Nachwuchs sucht, schaut mal in die Versicherungswirtschaft – ein Talente-Füllhorn!

Also, alles wird digitaler, einfacher, schneller und billiger. Das Netz ist der ultimative Konferenz- und Schulungsraum, die heimische Gartenlaube mit ein paar an die Wand getackerten Akustik-Elementen und einem ordentlichen Mikrofon das neue Studio. Letzteres übrigens wundert mich schon lange, ich komme in „Sende-Facilities“ in denen ich frage: „Wollt Ihr zum Mond fliegen oder Radio machen?“ Keiner dort hat an ein kreatives Refugium gedacht, in dem man sich trifft, zusammenrückt und spinnt. Wahrscheinlich hat jemand Corona geahnt und sich gesagt: „Braucht eh bald keiner mehr!“!

Tatsächlich, das Virus und seine Folgen führen uns in allen Lebensbereichen „back to the basics“ und wer von uns sagt sich nicht täglich ein paarmal „Siehste, geht auch!“ – Und auch das: Großartig, wie sich der Hörfunk tatsächlich inhaltlich entwickelt hat in dieser Zeit und an Zahlen ist ablesbar, wer jetzt „bei den Menschen“ ist und unser Medium wirklich als Teil der Gesellschaft betrachtet, mitfühlend und mitdenkend. Wer die direkte Kommunikation wirklich beherrscht, für den ist diese Zeit gemacht. Und wer sie nicht beherrscht und immer noch glaubt, Musikstrecken und ein paar Slogans sind die Zukunft, dem ist eh nicht zu helfen!

Aber ich wollte etwas anderes sagen: Ja, Digital-Airchecks, Skype-Konfis, Zoom-Incentives, Communication-Hubs und alles von daheim: prima! – aber mir fehlt die Schlange am Flughafen-Check-in, mir fehlt das Rumstehen auf Bahnhöfen, das Warten auf den nächsten ICE, mir fehlt das Einchecken in ein Hotel in Berlin, Stuttgart, Hamburg oder Erfurt, mir fehlen die Wartezeiten. Vor allem aber, möchte ich Menschen sehen (so richtig sehen), möchte ihnen wieder die Hand geben. Ich möchte sehen, wie der Kulturradio-Moderator von der bigFM-Kollegin lernt und umgekehrt, ich möchte am Abend in Düsseldorf nach der Arbeit mit den Kollegen – ein Alt in der Hand – an der Theke stehen und die „Radio-Welt“ neu erfinden!

Kreativität und Feedback der Anderen leiden unter den digitalen „Hilfsmitteln“. Der persönliche Kontakt, die Auseinandersetzung ist Teil des kreativen Geschäfts und entwickelt die besten Ideen. Und das hat mit Ansehen, Anhören und Anfassen (Achtung: doppelter Wortsinn!) zu tun.

Das geht schon in der Kindheit los: Meine Nachbarsjungs hatten wochenlangen, digitalen Unterricht. Die haben sich auf einmal so auf die Schule gefreut, auf die Schulglocke, ihre Kumpels, sich auf dem Schulhof zu prügeln…! Auch wir Kreativen müssen uns wieder zusammensetzen, auseinandersetzen und „prügeln“ im Wettbewerb um die besten Ideen und das Besondere! Sonst hat das Virus gewonnen!

Mein Radio-Workshop heißt „Wer hören soll, muß fühlen!“ und dieser Titel ist Programm. Ich möchte bei Workshops meine Trainees hautnah erleben, ihnen analog in die Augen sehen können, möchte auch im täglichen Leben gern bald wieder Menschen die Hand geben, zu ihnen reisen, um Ideen streiten. Danach will ich mit ihnen ein Bier trinken gehen und zum Abschied möchte ich sie nicht mit dem Ellenbogen anstupsen sondern in den Arm nehmen dürfen!

Ich finde wir sollten alle gemeinsam dringend eine Zoom-Konferenz zu diesem Thema machen!


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung.