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Viktor Worms: „Moderieren mit der offenen Hand“ oder Lernen aus der Pandemie

Viktor Worms an seinem-Schreibtisch im seinem Buero in Tutzing

Habe gerade in der aktuellen „Süddeutschen Zeitung“ ein Interview mit dem wunderbaren Pantomimen und „Körpersprache-Experten“ Samy Molcho gelesen. Er erzählt darin unter anderem, was Mimik und Gestik mit unserem Gegenüber macht, wie wir Verhalten steuern durch unsere Bewegungen, unseren Körper und was zum Beispiel unsere Hände sagen. Stehe ich vor ihm mit geballter Faust, so haben meine Worte eine andere Wirkung als wenn ich meine Hände öffne. Unabhängig davon, dass die geöffnete Hand friedliche Absichten dokumentiert und ich signalisiere, keine Waffe in der Hand zu haben, zeigt die offene Hand meine einladende Gesinnung und die Bereitschaft etwas anzunehmen. Molcho weist darauf hin, dass Du sagen kannst was Du willst, dass Du der größte Schauspieler sein kannst, dein Körper verrät deine innere Haltung und entlarvt jede Lüge. Es ist die offene Hand mit der Du das Verhalten anderer in deinem Sinne steuerst und manipulieren kannst.

Frage: was hat das jetzt hier in der RADIOSZENE verloren? Was sagt uns Hörfunkern und Podcastern der Experte für Körpersprache? Was können wir von einem „stummen Star“ lernen? Ich habe mich beim Lesen dieses Interviews erinnert gefühlt an Vieles, was ich von großen Kollegen gelernt habe, ich dachte daran, was ich seit vielen Jahren meinen Mitarbeitern und Schülern zu vermitteln versuche, wenn wir über Radio sprechen und was die richtige von der falschen Ansprache unterscheidet.

„Menschen folgen Menschen“ heisst ein Kapitel sowohl meiner Radio- wie auch meiner TV- und Bühnenseminare und es geht darum, wie wir (verantwortlich) das Verhalten unserer Hörer und Seher steuern können, was unsere Sprache mit den Menschen macht. Und dabei versuche ich, an vielen Beispielen zu belegen, dass die Wahl unserer Worte maßgeblich das Verhalten unseres Publikums steuert.

Moderieren wir mit der geballten Faust oder mit der offenen Hand? Ich gleite noch einmal ab: In der Pandemie haben wir festgestellt, dass die Bereitschaft der Menschen – also von uns allen – den zum Teil rigiden Maßnahmen der diversen Lockdowns zu folgen Stück für Stück nachließ. Klar, irgendwie wurden wir alle müde, wollten wieder raus, Biergarten, Theater… . Ich glaube aber, es hatte noch einen anderen Grund, dass immer mehr Menschen immer leichtsinniger wurden und sich von der Politik und Politikern abgewendet haben. Es war die Sprache unserer Politiker, eine Sprache der „geballten Faust“ und eben nicht der „offenen Hand“. Merkel, Söder und Co kamen uns im Laufe der Pandemie zunehmend mit Sprüchen wie: „Wir müssen strenger werden“, „Wir werden die Zügel enger ziehen“ oder „Wir müssen die Menschen an die Kandarre nehmen!“. Ich war brav, aber innerlich wurde ich immer wütender. „Bin ich den ein Ackergaul?“ oder ein schlecht erzogenes Kind? Könnt Ihr vielleicht vernünftig mit mir reden?

Auf der anderen Seite habe ich einen TV-Auftritt des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter gehört: „Ich schaue hier aus meinem Fenster auf den Marienplatz und bin traurig, wie leer es ist. Ich freue mich aber auch, wieviele Menschen mit Masken ich sehe, Menschen, die Abstand halten und Rücksicht nehmen. Und ich bin stolz auf meine Stadt. Laßt uns gemeinsam durchhalten und miteinander durch diese Monate gehen, umso schneller sehen wir uns dann wieder im Biergarten!“ Da dachte ich mir so: Der hat`s kapiert: „Worte schaffen Wirklichkeit“ und „Menschen folgen Menschen“. Merkel und Söder: „Die geballte Faust“ und Münchens OB Reiter „Die offene Hand“.

Zurück zu unserem großartigen Medium Radio oder besser zu unseren wunderbaren Audiomedien und was einen Star oder die „Persönlichkeit eines Programms“ ausmacht. Einige Sender haben in dieser schwierigen Zeit verstanden, welche Kraft wir haben, Gemeinschaften zu bilden. Sie haben verstanden, dass Radio das Medium des Lockdowns ist: „Das, was ich gerade höre, hören andere Menschen jetzt und hier auch“ und sie haben trotz Isolation gespürt, nicht allein zu sein. Die wirklich Guten unter uns haben ihren Hörern ihre Wertschätzung durch Inhalt und Ansprache vermittelt. Genau das versuche ich in meinen Workshops (ab sofort wieder analog) und Airchecks mit jungen (oft auch älteren) Radio- und TV-Kollegen oder zunehmend Managern aus der Industrie zu lehren und zu trainieren. Nutzt Euere Möglichkeiten, nutzt die Verantwortung, die wunderbaren Fähigkeiten von Sprache und Klang und lernt das „Moderieren mit der offenen Hand“! Und das dürft Ihr selbstbewusst tun: Sprache ist keine Hintergrundgeräusch, sie bewegt Menschen (im doppelten Wortsinn), sie ist Ausdruck von Gefühlen und Motor des Handelns und somit auch des Ein- oder Ausschaltens!

Frage des Journalisten im SZ-Interview mit Samy Molcho: „Ja aber das ist doch Manipulation?“ Antwort des Pantomimen: „Ja, aber nur, wenn es nicht Deiner inneren Haltung entspricht!“ und weiter: „Der Körper ist der Handschuh der Seele und seine Sprache das Wort des Herzens!“

Und der Autor schweigt!


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung.

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