James Cridland: Goodbye, and keep listening!

James Cridland's Radio FutureSeit November 2014 ist eine Menge passiert.

Seinerzeit stand mein Schreibtisch in einem kleinen Verschlag unter dem Dach. Verschlag deswegen, weil das Wort „Zimmer“ wohl eine bodenlose Übertreibung gewesen wäre. Der Raum wurde auch nicht als Zimmer ausgewiesen, als ich das Haus kaufte, obwohl schon noch eine Treppe dort hinaufführte. 

In den Wintermonaten war es dort behaglich warm, denn viel Volumen brauchte ja nicht beheizt zu werden. Stehhöhe gab es nur mit gebücktem Kopf. Oder eben, wenn ich das Dachfenster aufmachte, das einen Blick über die Dächer des Londoner Nordens freigab. Dahinter lag Enfield, ein kleiner ländlicher Ort, der wohl eher irrtümlicherweise so nahe an London herangerückt war. 

Genau in diesem kleinen Kämmerlein erhielt ich eine E-Mail von einem freundlichen jungen Mann, der mich darum bat, eine Kolumne für eine Radio-Website zu schreiben. Seitdem habe ich diese Kolumne Woche um Woche treu geschrieben, und einige Jahre lang habe ich auch eine Podcast-Version davon produziert.

Das habe ich Jahre lang so durchgezogen, trotz meines Umzugs aus dieser Kammer in Nord-London in ein etwas sonnigeres Zimmer in Brisbane/Australien, wo die Radioskala zwar dieselbe ist, aber das, was aus dem Lautsprecher herauskommt, irgendwie anders klingt. Aber solange das Internet in Reichweite ist, kann man ja immer noch nahezu jeden anderen Sender auf diesem Planeten hören und genießen.

In all der Zeit wurde mir mehrfach von Leuten vorgehalten, dass Radio eine aussterbende Art ist, und dass mein Titel „Radio-Futurologe“ doch wohl eher deplatziert wäre. Aber hier sind wir nun, fünf Jahre später, und dem Radio geht es so gut wie eh und je. Die Nielsen-Zahlen in den USA sind immer noch gesund, die GFK-Werte in Australien stimmen und auch MA oder Radiotest sind im grünen Bereich. Sicherlich wird die Hörerschaft insgesamt älter, aber solange sie noch leben, bleiben sie garantiert bei der Stange. 

Überhaupt ist Audio heutzutage mehr Teil unseres Lebens als jemals zuvor. Podcasting eröffnet ungekannte Chancen, und gerade durch die fairen Wettbewerbsbedingungen in dem Bereich können wir längst verloren geglaubten Audio-Möglichkeiten neues Leben einhauchen: vom komplexen Hörspiel bis hin zu Interviews, in denen man ruhig auch einmal ausreden und weiter ausholen darf. 

Podcasting war für mich in gewisser Hinsicht auch eine Art Wendepunkt. Natürlich werde ich mich nach wie vor zur Zukunft des Radios äußern, aber eigentlich befasse ich mich inzwischen mehr mit der Zukunft von On-Demand-Audio. Das tue ich unter anderem mit Podnews, meinem täglichen kostenlosen Newsletter über Podcasting und On-Demand-Inhalte.

Fünf Jahre lang habe ich diese Kolumnen geschrieben. Manchmal habe ich mir einige Tage Zeit für eine sorgfältige Recherche genommen, andere Beitrag wiederum habe ich nachts um 11 noch hastig in die Tastatur gehauen. Und manchmal waren das nicht einmal die Schlechtesten. Auf Konferenzen wurde ich immer wieder von Leuten angesprochen, die mir sagten, wie gerne sie diese Kolumnen jede Woche lesen. 

Das geht natürlich runter wie Öl, aber ich werde demnächst wohl nicht mehr das Vergnügen haben solche Worte zu hören. Denn dies ist meine letzte Kolumne.

Seit mehr als 30 Jahren arbeite ich in der Radiobranche, also ganz verschwinden werde ich wohl kaum. Und ich werde wohl immer noch gelegentlich zum Thema Radio schreiben. Immerhin gebe ich unter https://james.crid.land einen kostenlosen wöchentlichen Newsletter zu Radiotrends heraus, und wer noch mehr von mir lesen will, dem lege ich meinen täglichen Newsletter auf https://podnews.net ans Herz.

Radio ist ein Medium, das Woche für Woche 9 von 10 Menschen erreicht. Das sie durch den Tag begleitet und sich positiv auf ihr Leben auswirkt. 

Mit anderen Worten: Das, was ihr macht, wird von vielen, vielen Leuten geschätzt und geliebt. Vergesst das nicht.

Goodbye, and keep listening!


James Cridland
James Cridland

Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine, berät eine Vielzahl von Radiosendern und veröffentlicht den täglichen Podcast-Newsletter podnews.net. James hat über 30 Jahre bei Radiosendern in Großbritannien, Australien und Kanada gearbeitet; bei Virgin Radio UK entwickelte er die weltweit erste Radio-Streaming-App. Er lebt in Brisbane, Australien. https://james.cridland.net