Benny Schnier: Mehr Individualismus und Persönlichkeiten ans Mikrofon!

Radiolegende Benny Schnier BAYERN3 bigBei den Stationen, die der in Rahden/Westfalen geborene Hans Jürgen Schnier alias Benny Schnier in seinem beruflichen Leben durchwandert hat, darf man gewiss von einem Multitaskingtalent sprechen: Schlagersänger, TV- und Radiomoderator, Programmdirektor, Musikchef, Schauspieler – eine „normale“ Medienkarriere sieht anders aus. Erinnert bei der Vielfalt sicher ein wenig auch an die Stationen von Thomas Gottschalk. Nur in veränderter zeitlicher Abfolge.

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Aber der Reihe nach: Begonnen hatte alles bereits Mitte der 1970er-Jahre, als Frank Farian (umtriebiger Produzent von Projekten wie Boney M. oder Milli Vanilli) den 16-jährigen entdeckte und bis 1984 17 Singles mit ihm produzierte. Sein größter Hit war „Amigo Charlie Brown“, der 1976 immerhin Platz 14 der deutschen Charts erreichte. Ein Titel, der in den Radioprogrammen und der inneren Musikbox der Menschen noch immer präsent ist. 1978 folgte der erste Kinofilm „Popcorn und Himbeereis“ in einer Hauptrolle neben Olivia Pascal und Zachi Noy. Im ZDF moderierte Schnier neun Jahre lang gemeinsam mit Anke Engelke das „ZDF-Ferienprogramm“, „Pfiff“ und andere Sendungen.

Radiolegende Benny Schnier, Thomas Gottschalk und Fritz Egner
Radiolegende Benny Schnier, Thomas Gottschalk und Fritz Egner

Zu Beginn der 1980er-Jahre – die Gesangskarriere war ausgelaufen – kam dann der Hörfunk ins Spiel. Benny Schnier erlebt als aktiver Protagonist damals in Bayern wohl eine spannendsten Radioperioden. Zunächst bei Bayern 3 als Moderator/Programmgestalter und einer der Nachfolger von Thomas Gottschalk, danach wirkte er sehr aktiv an der Einführung und  ersten Erfolgen privater Radiopioniere im Freistaat mit. Anschließend ein erneutes Intermezzo bei Bayern 3 mit sicherlich berichtenswerten Episoden aus der Zeit unfassbarer Scharmützel zwischen der damaligen Doppelspitze Thomas Gottschalk und Claus-Erich Boetzkes.

Radio Xanadu 93,3

Mit Beginn der 1990er-Jahre wechselt Musikfachmann Schnier wieder zurück zum Münchner Privatfunk, wo er lange als Moderator und Musikchef bei Radio Xanadu (heute ENERGY München) und Radio Charivari 95,5 wirkte.

Benny Schnier war immer ein fleißiger Mann. So gingen auch während seiner Zeit beim Radio parallel seine TV- und schauspielerischen Aktivitäten unter anderem mit der Moderation der BR-Sendung „Live aus dem Schlachthof“ oder Teilnahmen beim „ARD-Tatort“ weiter. Der Mann lebte eben seine Begabungen bis heute ungebremst aus. 


Dennoch fand er Zeit sich im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich über seine Radiokarriere und Sichtweise über die aktuelle Situation des Mediums auszutauschen.

RADIOSZENE: 1980 haben Sie als erste Station im Hörfunk bei Bayern 3 die Sendung „Pop nach 8“ moderiert, waren damit Nachfolger von Thomas Gottschalk. Ein schweres Erbe?

Benny Schnier: Ich war ja glücklicherweise nicht allein. Wir waren ein Team und jeder hatte seinen eigenen Tag – ich war immer montags dran. So hat sich die „Last“ auf verschiedenen Schultern verteilt.

 

„Mein erster Chef bei Bayern 3 hieß Peter Machac und dem habe ich viel zu verdanken. Er war wie ein Vater für uns und hat uns den Rücken freigehalten. Schließlich waren wir „junge Wilde“ und das war beim BR gerade in der Zeit nicht immer einfach“

 

RADIOSZENE: Zuvor hatten Sie bereits bundesweite Bekanntheit als Schlagersänger und Moderator beim „ZDF-Ferienprogramm“ erlangt. Eigentlich war damals üblicherweise ja das Radio ein Sprungbrett für die TV-Karriere. Sie gingen den umgekehrten Weg. Wer hat Sie seinerzeit für den Hörfunk entdeckt, gab es so etwas wie einen Mentor?

Radiolegende Benny Schnier bei Bayern 3
Radiolegende Benny Schnier bei Bayern 3

Benny Schnier: Ich hatte eine Anzeige des BR gelesen und mich dann ganz normal beworben. Unter hunderten von Kandidaten wurden dann, glaube ich, 30 ausgewählt, die ein zweitägiges Moderatorium bestreiten mussten. Ein Tag Theorie, ein Tag Praxis. Zum Abschluss gab es einen Test und danach hat man die Moderatoren für die Sendung ausgesucht. Mein erster Chef bei Bayern 3 hieß Peter Machac und dem habe ich viel zu verdanken. Er war wie ein Vater für uns und hat uns den Rücken freigehalten. Schließlich waren wir „junge Wilde“ und das war beim BR gerade in der Zeit nicht immer einfach.

RADIOSZENE: Wie hilfreich waren Ihre Erfahrungen aus der Musikszene für die spätere Radiotätigkeit?

Benny Schnier: Na ja – ich wusste wie ein Mikro funktioniert. Das war’s dann auch schon. Im Prinzip habe ich bei Null angefangen – mit allen Höhen und Tiefen.

RADIOSZENE: Als Schlagersänger hatten Sie mit Titeln wie „Amigo Charly Brown“ Erfolge gefeiert. Wie groß war der Spagat zur Gestaltung von „Pop nach 8“, die von  Gottschalk doch sehr rocklastig geprägt war?

Benny Schnier: Gar nicht. Ich hatte schon immer ein Faible für melodische Rockmusik. Habe ich schon in meinen ersten Bands praktiziert. Auch bei meinen Schlager-Auftritten habe ich immer wieder das ein- oder andere Gitarrensolo einfließen lassen. Ich musste mich also nicht umstellen – nur das Publikum kannte diese Seite von mir sicher nicht so gut.

RADIOSZENE: Wie sehen Sie im Rückblick die Zeit bei Bayern 3, als Sie ja wohl noch vergleichsweise viel freie Hand bei Musikauswahl und Programmgestaltung hatten?

Benny Schnier: Ich habe diese Zeit sehr genossen. Man konnte seine Sendung sehr individuell gestalten und ich habe viel Zeit damit verbracht, mir Songs anzuhören und zu überlegen, wann ich was in der Sendung spielen kann. Das war ein sehr kreativer Prozess, der auch zur Folge hatte, dass man sich intensiv mit dem Künstler und seiner Musik auseinandersetzen musste. Das fehlt mir bei der heutigen Radiolandschaft. Ich bin kein Freund von reduziertem Top 40-Gedudel.

 

„Radio M1 hat Bayern 3 einen Sommer lang richtig weh getan. So sehr, dass man sich genötigt fühlte, gegen den Sender bei der italienischen Staatsregierung zu intervenieren“

 

RADIOSZENE: 1983 wechselten Sie zu Radio M1, einem aus Italien bis nach München einstrahlenden Privatsender. Was waren die Gründe für diesen Wechsel? Wie man heute hört, müssen diese Südtiroler Sender zumindest zeitweise sehr erfolgreich gewesen sein – und die Zeiten jenseits des Brenner spannend und wild …

RADIO M1

Benny Schnier: Die Gründe waren relativ einfach. Bayern 3 war eine Servicewelle. Mit allen Vor- und Nachteilen. Es gab starre Strukturen und Leute die sich gegen Veränderungen gewehrt haben. Da war die Aussicht auf ein bisschen „Piratenradio“ einfach verlockend. Und Radio M1 hat Bayern 3 einen Sommer lang richtig weh getan. So sehr, dass man sich genötigt fühlte, gegen den Sender bei der italienischen Staatsregierung zu intervenieren. BR-Beauftragter in dieser Sache war übrigens Dr. Wolf-Dieter Ring, späterer Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Interessanter Karriereweg …

RADIOSZENE: Thomas Gottschalk holte Sie 1987 in seiner Amtszeit als Programmverantwortlicher zurück zu Bayern 3. Welche Aufgaben hatte man Ihnen zu dieser Zeit übertragen?

Radiolegende Benny Schnier
Benny Schnier

Benny Schnier: Thomas war schon immer ein Classic-Rock-Fan und wusste, dass ich mich in diesem Genre und generell in der Musik ganz gut auskenne. Er hat versucht ein kreatives, dynamisches Team auf die Beine zu stellen und spannendes Radio zu machen. Ich hatte das Vergnügen, zusammen mit Jürgen Hermann die Vormittagssendung „Mr. Music“ zu gestalten und das ist uns, glaube ich, auch ganz gut gelungen.

RADIOSZENE: Wie empfanden Sie diese zweite Periode beim BR, die ja auch in Amtszeit des umstrittenen damaligen Programmleiters Claus-Erich Boetzkes fiel …?

Benny Schnier: Leider hat Claus-Erich Boetzkes dann als Nachfolger von Thomas Gottschalk erst einmal alle „Gottschalk-Zöglinge“ degradiert und mich zum Beispiel ins Spätabend-Programm befördert. Das war frustrierend, besonders von jemandem als Chef weggemobbt zu werden, der anscheinend unter anderem nicht wusste, dass eine CD keine B-Seite hat und Billy Joel keine Frau ist.

 

„Es war frustrierend von jemandem als Chef weggemobbt zu werden, der anscheinend unter anderem nicht wusste, dass eine CD keine B-Seite hat und Billy Joel keine Frau ist“

 

RADIOSZENE: Zu Beginn der 1990er-Jahre dann der erneute Wechsel in den Münchener Privatfunk, zunächst zu Radio Xanadu – das spätere ENERGY München – anschließend als Musikchef zu Radio Charivari 95,5. Waren zu dieser Zeit schon Veränderungen bei den privaten Sendern spürbar?

Benny Schnier: Für mich schon. Hinter jedem dieser Sender steckte irgendwie ein großer Verlag in der Gesellschafter-Struktur, der natürlich seine Interessen verfolgte. Die ursprüngliche Privatradio-Aufbruchstimmung war nur noch oberflächlich – und im Hintergrund ging es knallhart um Werbezeitenvermarktung. Damit kamen Berater ins Spiel, die den ahnungslosen Radiobesitzern jede Woche eine neue Strategie verkauften. Ergebnis: weniger Bauch und immer mehr Optimierung – der Anfang vom Ende individuellen Radios. Das habe ich am meisten bedauert.

RADIOSZENE: Wie ist es heute um Ihren Medienkonsum bestellt? Eher Radio, TV oder Online-Medien?

Radio 2DayBenny Schnier: Natürlich verlangt es mein Job, mich mit den Medien auseinanderzusetzen. Ich höre allerdings eher Sender wie Radio 2Day. Die Moderationen sind zwar gewöhnungsbedürftig, aber man hört nicht die übliche Musik. Wenn man sonst in München das Radio einschaltet, kann es schon passieren, dass man denselben Song auf drei verschiedenen Stationen hört. Traurig. Im TV gibt es ähnliche Entwicklungen und das finde ich persönlich langweilig.

RADIOSZENE: Welchen Stellenwert hatte das Radio eigentlich damals für die Durchsetzung Ihrer Karriere als Sänger?

Radiolegende Benny Schnier im ZDF-Ferienprogramm
Benny Schnier im ZDF-Ferienprogramm

Benny Schnier: Ich denke, dass zur damaligen Zeit Radio und Fernsehen grundsätzlich eine andere Bedeutung hatte. Das lag natürlich auch an mangelnden Alternativen. Man wusste beispielsweise, dass man durch einen Auftritt in der Z

DF-Hitparade mal locker 60.000 Singles verkaufen konnte. Auch hat das Radio damals noch mehr deutschen Schlager gespielt wie heute. Für eine Karriere war das sehr hilfreich.

RADIOSZENE: Wie viel Schlagersänger steckt heute noch Ihnen? Gelegentlich pflegen Sie ja weiter gute Kontakte zu den alten Kollegen?

Benny Schnier: Ich arbeite ja jetzt seit über 10 Jahren für einen Pay-TV-Sender der deutschsprachige Musikclips spielt, also Schlager und Volksmusik, aber auch Pop. Ich mache dort Musik- und Sendeplanung, habe eigene Sendungen und führe Interviews. Da ist so ein Hintergrund nicht hinderlich😉. Ich freue mich immer wieder, wenn ich Kollegen aus der damaligen Zeit treffe und ich hoffe das beruht meistens auf Gegenseitigkeit😊 

RADIOSZENE: Wie wurden Sie seinerzeit überhaupt für den Schlager entdeckt?

Benny Schnier: Bei einem Talentwettbewerb in meinem Heimatort. Dort war ein Talentscout von Frank Farian anwesend. Ich wurde ins Studio eingeladen und habe dann meine erste Single „Du bist sechzehn“ aufgenommen.

 

„Wenn man in München das Radio einschaltet, kann es schon passieren, dass man denselben Song auf drei verschiedenen Stationen hört“

 

RADIOSZENE: Sie gelten als ausgewiesener Musikexperte. Gesetzt den Fall man gäbe Ihnen nochmals freie Hand und eine Sendezeit bei Radio … mit welcher Musik würden Sie eine solche Sendung gestalten?

Benny Schnier: Ich würde das spielen was ich cool finde. Das ist breitgefächert, alt und neu und ich hoffe ganz spannend.

RADIOSZENE: Welche Tipps haben Sie heute in Richtung der Senderverantwortlichen, welche Ratschläge an junge Moderatoren?

Benny Schnier: An die Senderverantwortlichen: Weniger „Hörertests“ welche Titel angeblich gespielt dürfen, Leute in der Musikredaktion die ein Gefühl für Musik haben. Größere Playlists. Mehr Individualismus und Persönlichkeiten ans Mikro.

Junge Moderatoren: sucht euch einen Sender wo ihr die Musik selbst aussuchen könnt und macht euer Ding. Be yourself!