Alina Schröder: Die Musik ist insgesamt unpersönlicher geworden

LP kassetten radio tv musik unsplash fbEs ist zwar fast schon wieder Schnee von gestern, aber dennoch: eine bemerkenswerte Botschaft ging im Kontext der zahlreichen (wichtigen und weniger interessanten) Verlautbarungen der Sender rund um die letzte ma Audio 2018 II fast unter. So vermeldete die ARD damals stolz: „Auch beim jungen Publikum baut das öffentlich-rechtliche Radio seine Akzeptanz aus – die Reichweite steigt bei den 14- bis 29-Jährigen von 40,2 Prozent auf 40,6 Prozent. Täglich entscheiden sich sechs Millionen junge Hörer für mindestens ein ARD-Hörfunkprogramm.“ Aha, und wie oft mussten wir uns in den 2010ern von „Experten“ und Verkündern des baldigen Radiountergangs das Gegenteil anhören … dass eben die Generationen Y und Z in ihrer Breite längst mit dem Radio abgeschlossen haben? Ja, was denn nun?

Fakt ist wohl, dass auch ein guter Teil der jungen deutschen Radioangebote ihre Reichweite behaupten oder gar ausbauen konnte. Öffentlich-rechtliche wie private Sender. Und dies, obwohl beim jungen Programmsegment erst ab den 14-Jährigen abgefragt wird, die (fraglos ebenfalls vorhandene) Radionutzung der jüngeren Jahrgänge somit überhaupt nicht abgebildet ist.

DASDINGAlina Schröder ist seit Februar 2017 Programmchefin bei DASDING, dem jungen Radio des Südwestrundfunks. Das Angebot behauptet mit steigenden Nutzungsdaten weiter seinen Platz in der baden-württembergischen und rheinland-pfälzischen Hörfunklandschaft – steht aber in hartem Wettbewerb mit dem Privatsender bigFM, der ebenfalls in beiden Bundesländern vertreten ist. Das ARD-Jugendprogramm befindet sich aber auch in zunehmender Konkurrenz mit digitalen Diensten wie Spotify, YouTube oder Netflix. Sorgenvoll hinterfragt wird zudem die allgemeine Abkehr der Mediennutzer vom linearem Radio, hin zu mehr zeitsouveränen Angeboten.

Alina Schröder (Bild: DASDING)
Alina Schröder (Bild: DASDING)

Will man weiter in der Gunst junger Menschen punkten sind Antworten und clevere Strategien gefragt. Im Gespräch mit RADIOSZENE-Mitarbeiter Michael Schmich spricht Alina Schröder unter anderem über die DASDING Musikgestaltung und das veränderte Nutzungsverhalten junger Hörer.  


RADIOSZENE: Frau Schröder, DASDING ist in 2018 inzwischen 21 Jahre alt beziehungsweise jung geworden. Wie viel jugendlicher Elan steckt noch im Programm?

Alina Schröder: Viel, weil wir noch immer eine der jüngsten Medienredaktionen Deutschlands sind und die DASDING-MitarbeiterInnen im Schnitt Mitte 20. Das heißt, es gibt sehr viel Kreativität, sehr viel jungen Spirit und ich finde, das hört und sieht man. Auch die TeamleiterInnen sind deutlich jünger als in vergleichbaren Redaktionen, was insgesamt dabei hilft, dass wir erstens im Team auf Augenhöhe arbeiten, aber eben auch für unsere UserInnen und HörerInnen kein Programm „von oben herab“ machen.

Trotzdem ist es fast unmöglich mit 21 Jahren eine positiv-chaotische Start-Up Kultur zu leben. Das hat aber auch Vorteile: Es gibt gewisse Strukturen, die helfen unnötige Fehler zu vermeiden und dem Team die Möglichkeit geben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Inhalt. Das ist das Gute, wenn die üblichen Kinderkrankheiten überwunden sind. Ich habe inzwischen gelernt, wie wichtig es ist – gerade für ein junges Team – gewisse Workflows zu etablieren. Da sollte man nicht der romantischen Illusion verfallen, dass eine „anarchistische“ Umgebung unabdingbar für Kreativität und Freigeist ist.  

Wichtig ist es, im Alltag Möglichkeiten zu finden, frei und vorbehaltslos zu denken und neue Ideen zu entwickeln. Das müssen wir sicherstellen.

 

„Man sollte nicht der romantischen Illusion verfallen, dass im Team eine ‚anarchistische‘ Umgebung unabdingbar für Kreativität und Freigeist ist“

 

RADIOSZENE: Zuletzt gab es ja immer wieder Diskussionen über die Zielgruppenansprache von Jugendradios. An welche jugendliche Zielgruppe(n) ist DASDING adressiert und welche Hörerschaft erreichen Sie laut Reichweitenforschung als Kerngruppen tatsächlich?

DASDING-MorningshowAlina Schröder: DASDING richtet sich grundsätzlich an 14- bis 29-Jährige in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Bei den Mediennutzertypen sind das hauptsächlich die Spaßorientierten und Zielstrebigen, also Studierende, SchülerInnen und junge Berufstätige. Unsere Kernzielgruppe sind aber die 20- bis 24-Jährigen. Junge Menschen, die sich in ihrem Leben gerade orientieren und die ersten selbstständigen Schritte gehen. Formal schon erwachsen sind, aber in vielen Punkten noch struggeln. Wie so viele junge Wellen erreichen wir weiterhin auch deutlich ältere HörerInnen, die mit DASDING groß geworden sind und mit 30 dann nicht den Sender wechseln. Oder 40-Jährige, die in ihrem Musikgeschmack vielleicht etwas progressiver sind. Das ist natürlich schön, aber führt am Ende dazu, dass die tatsächlich erreichte Zielgruppe durchschnittlich eher bei Ende 20 liegt. Anders ist es bei Social Media. Da erreichen wir unsere Kernzielgruppe sehr genau. Bei YouTube und Instagram zum Beispiel sind die meisten unserer UserInnen zwischen 18 bis 24. Bei Facebook sind wir plattformtypisch etwas älter, aber nur minimal. Im Durchschnitt liegen wir hier bei 24 bis 27. Mit diesen Zahlen sind wir sehr zufrieden, weil sie zeigen, dass wir mit unseren Inhalten genau die erreichen, die wir erreichen wollen.

RADIOSZENE: Wie gehen Sie mit den Hörern am Rand um – also mit den Kindern unter 14 Jahren oder jungen Erwachsenen jenseits der 30 Jahre, die den Sender aus liebgewonnener Gewohnheit weiter hören: Ausgrenzen oder inhaltlich zumindest gelegentlich mit adäquaten Angeboten mitnehmen?

Alina Schröder: Wir sind da konsequent und sprechen nicht plötzlich den älteren HörerInnen „zu Liebe“ über den Erwerb von Eigentumswohnungen, KiTa-Probleme oder Tipps für Ü30-Partys. Wir haben uns auch von 90er-Tagen oder ähnlichem verabschiedet. Unsere Kernzielgruppe ist in den 2000ern groß und sozialisiert worden. Wer über 30 ist und DASDING hört, macht das vermutlich eher wegen der Musik als wegen der Inhalte. Für unter 18-Jährige gibt es immer wieder Schwerpunkte und Themen, beispielsweise der Ausbildungsstart, das Abi, der Realschulabschluss, Führerschein oder der erste eigene Urlaub. Gleichzeitig auch unter 14-Jährige zu erreichen, halte ich für fast unmöglich und für DASDING auch nicht maßgeblich. Da ist die Themenwelt noch komplett anders, teilweise sogar eher kindlich. Das können wir nicht parallel zu den 20- bis 30-Jährigen bespielen.

RADIOSZENE: Kommt die Planung eines Jugendprogramm heute nicht der Quadratur des Kreises gleich? Wie heterogen und tolerant sind die Erwartungshaltungen der Generationen Y und Z an ein zeitgemäßes Hörfunkformat?

Alina Schröder: In der Musikauswahl ist das noch einigermaßen machbar, wird aber auch immer schwieriger. Wobei sich da auch die Frage stellt, ob in den 90ern 14- und 29-Jährige das Gleiche gehört haben. Vermutlich nicht. Im Content-Bereich eine so ausdifferenzierte Zielgruppe, über mehrere „Generationen“ hinweg, mit einem linearen Programm gleichermaßen zu erreichen, ist tatsächlich eine enorme Herausforderung, erst recht, wenn man, wie DASDING, auch bezüglich des Bildungsgrads niemanden ausschließen will: Ein 14-jähriger Hauptschüler in einem kleinen Dorf in der Eifel hat andere Interessen als eine 29-Jährige Promotionsstudentin in Freiburg.

Das sieht man ganz gut am funk-Portfolio, also am jungen Webangebot von ARD und ZDF. Funk versucht nicht krampfhaft mit einem Format 14-jährige Mädchen und 28-jährige Männer zu erreichen. Die Lebenswelten sind da einfach viel zu weit voneinander entfernt. Gerade im Web haben funk und auch wir natürlich viel mehr die Chance zielgruppen- und plattformspezifisch zu denken und zu arbeiten – im Hörfunk ist das schwierig, daher der Fokus auf eine Kernzielgruppe.

 

„Wie wir unsere Inhalte noch besser distribuieren können, hängt stark davon ab, wie sich verschiedene Plattformen und Angebote entwickeln“ 

 

RADIOSZENE: Wie zufrieden sind Sie mit den letztjährigen Reichweitenergebnissen für Terrestrik und Online? Wo gibt es noch Potentiale, um neue Hörer zu generieren? DASDING ist über UKW ja noch nicht völlig flächendeckend im Sendegebiet empfangbar…

Alina Schröder: Wir setzen – neben dem aktuellen UKW-Angebot – auf Webstreaming und DAB+. Das entspricht auch den sich verändernden Nutzungsgewohnheiten unserer HörerInnen. Was natürlich beim Radio noch immer eine enorme Rolle spielt: das Autofahren. Wie schnell da auch die Jüngeren DAB-fähige Geräte haben, bleibt abzuwarten. Eine weitere Möglichkeit für uns: Playlisten über Spotify. Hier können wir unsere musikredaktionelle Kompetenz ausspielen und sind gleichzeitig auf der wichtigsten Musikplattform der 14 bis 29-Jährigen präsent. Wie wir unsere Inhalte noch besser distribuieren können, hängt stark davon ab, wie sich verschiedene Plattformen und Angebote entwickeln. Welche Rolle spielen Podcasts in drei Jahren? Wird Facebook es noch schaffen, ein attraktives Videoportal zu werden? Wird Instagram ähnlich wie Facebook irgendwann Probleme bekommen, die Jungen zu halten? Welche Strategie verfolgen die Labels, um aus ihren KünstlerInnen das Meiste rauszuholen? Welche Rolle spielen da eigene Webangebote? Welche Rolle die reine Profitsteigerung?

RADIOSZENE: Ein wichtiger Programmbaustein ist die Musik. Welche Trends stehen bei Ihren Hörern derzeit besonders hoch im Kurs?

Alina Schröder: In den Nischen gibt es gerade viele Trends. Über die Nischen hinaus gehen urbane Clubsounds und natürlich HipHop. Und beim HipHop ist es egal ob, neuer Deutschrap mit Künstlern wie Rin, Bausa, Capital Bra oder älterer HipHop, egal ob aus dem englischsprachigen Raum oder dem deutschen.

Beim Clubsound sind weiterhin Latin-Einflüsse ganz vorne und Songs wie Taki Taki.

Was mich persönlich freut: Langsam aber stetig erobern auch junge Frauen die Musik/HipHop-Welt. Das ist nicht nur wichtig, um jungen Frauen Selbstbewusstsein zu geben, sondern auch um der männerdominierten HipHop-Welt etwas entgegen zu setzen, insbesondere wenn es um die gesellschaftlichen Geschlechterbilder geht. Ich hoffe sehr, dass es weiter in die Richtung geht und die Line-Ups der großen Festivals schon in wenigen Jahren nicht mehr so wahnsinnig Männer-dominiert sind.

RADIOSZENE: Welchen Trendbarometer unterstützen Sie bei Musikwahl? Charts, Spotify Playlisten? Welche Rolle spielen dabei Musiktests und Entscheidungen der Musikredaktion?

DASDING Play

Alina Schröder: Unsere Musik-Redaktion bezieht alle Faktoren mit ein. Musiktiteltests zum Beispiel lohnen sich besonders, wenn mehrere Test-Wellen einbezogen werden und so die Entwicklung eines Songs mit steigender Bekanntheit abgelesen werden kann. Natürlich spielen Spotify- und YouTube-Zahlen eine immer größere Rolle und Charts tendenziell eine kleinere. Was ich aber besonders wichtig finde: Unsere Musikredaktion entscheidet auch nach eigenem Gespür, was wann wie gelistet wird. Gerade unsere Musikspezialsendung „Play“ bietet den nötigen Raum, neue Songs und Newcomer ins Programm zu heben und zu schauen, wie sich der Titel entwickelt und ob er ins Tagesprogramm passt. Da werden dann auch ganz bewusst Songs gesetzt, die zu DASDING passen, selbst wenn sie im Mainstream eher untergehen.

 

„Ich finde es gut, dass die HipHop-Welt um durch diese Frauenstimmen reicher wird, aber für die Auswahl der gelisteten Songs ist es nicht leicht, wenn Wörter wie ‚Fotzen‘ regelmäßig fallen“

 

RADIOSZENE: Der Blick in die Single-Charts zeigt dort einen sehr hohen Anteil an Rap/HipHop. Wie stark berücksichtigen Sie das Genre bei DASDING? Und … gibt es – auch vor dem Hintergrund der Diskussion um den letztjährigen ECHO – Grenzen bei der Ausstrahlung bestimmter Songtexte?

Alina Schröder: Wie gesagt: Für DASDING eines der wichtigsten Genres derzeit. Aber natürlich gibt es Grenzen. Wir wägen bei allen Lyrics sorgfältig ab: Wo ist diese Grenze überschritten? Wo ist es künstlerische Freiheit oder ein Stilmittel und wo plumpe Provokation? Wenn ein Song ethisch oder moralisch nicht vertretbar ist, spielen wir ihn nicht. Aber natürlich ist das im Alltag nicht immer leicht. Gerade junge weibliche Rapperinnen erobern den Markt und tun das auf verbal sehr direkte und teilweise vulgäre Art. Das machen sie aber ganz bewusst, um Feminismus neu oder anders zu definieren, um Selbstbewusstsein auszustrahlen und zu zeigen: Was Männer im HipHop dürfen, dürfen wir auch, erst recht im Battle Rap. Ich finde es gut, dass die HipHop-Welt um durch diese Frauenstimmen reicher wird, aber für die Auswahl der gelisteten Songs ist es nicht leicht, wenn Wörter wie „Fotzen“ regelmäßig fallen. Da müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden, aber gleichzeitig eine authentische junge Welle bleiben, die mit dem Zeitgeist geht und musikredaktionell unterscheiden kann zwischen Stilmittel und Beleidigung.

RADIOSZENE: Ist die Gestaltung der Musik im Tagesprogramm bei jungen Wellen über die Jahre schwieriger geworden?

Alina Schröder: Ja, und das hat verschiedene Gründe: Die Musik ist insgesamt unpersönlicher worden. Von vielen DJs und Produzenten, deren Songs im Radio rauf und runter laufen, kennen unsere HörerInnen nicht mal den Namen, geschweige denn ihre Gesichter oder Biografien. Das führt – in diesem Genre zumindest – natürlich auch dazu, dass es keine richtige Fankultur mehr gibt. Und das macht es in der Planung komplexer, denn die Zielgruppe wird diffuser, also weniger greifbar. Für wen planen wir eine DJ-Nummer im Programm genau ein? Das ist schwieriger zu beantworten, als bei einer HipHop oder Rock-Nummer. Da sind die Zielgruppen und Fans deutlich klarer.

Hinzu kommt: Musik ist heute natürlich viel einfacher und schneller verfügbar als noch vor fünf oder zehn Jahren. Musik kann sehr divers konsumiert werden. Welchen Mehrwert können wir also im Radio bieten? Bestimmt nicht die Musik an sich … Und die Toleranz einen Song, der mir nicht gefällt, „auszuhalten“, wird mit den vielen Möglichkeiten heute geringer.

Auch das macht es in der Planung schwieriger: Wie lange geben wir einem Song Zeit, bis wir ihn wieder rausnehmen? Müssen wir schneller switchen und uns so den Möglichkeiten der Streamingdienste anpassen? Oder sollten wir das Gegenteil tun?

RADIOSZENE: DASDING hatte immer schon einen sehr hohen Anteil an musikredaktionellen Inhalten und Musikspecials am Abend. Welchen Stellenwert haben diese Angebote für das Gesamtprogramm und an welche musikalische Vorlieben wenden sich diese Specials?

Alina Schröder: Wir haben uns schon vor einigen Jahren dazu entschieden, die genrespezifischen Sendungen in einer einheitlichen Abendstrecke aufgehen zu lassen. Die Vorstellung, dass unsere HörerInnen montags Elektro, dienstags Rock, mittwochs Newcomer und donnerstags HipHop hören wollen, ist eher eine binnensichtige Idee als eine angemessene Antwort auf Musikspezialsendungen, die vom Hörer her gedacht werden. Zudem gibt es heute eben nicht mehr die klassischen Trennlinien zwischen den Genres. Sowohl Zielgruppen als auch Musikstile gehen ineinander über. Da ergibt eine einheitliche Abendstrecke, die für gute neue, musikjournalistische aufbereitete Musik, egal aus welchem Genre, steht bei DASDING mehr Sinn. Mit unserer Musikspezialsendung „Play“ haben wir da ein großartiges Angebot, das sehr organisch zu uns passt und das mit viel Leidenschaft geplant und moderiert wird.

DASDING-Bass-und-BullshitDie „Sprechstunde“, als HipHop-Spezialsendung, haben wir dennoch beibehalten, weil HipHop einfach zu groß ist und das Bedürfnis nach mehr Hintergrund in unserer Zielgruppe da immens ist. Der Stellwert dieser Sendungen ist sehr hoch. So haben wir „Play“ um eine Stunde vorverlegt, damit mehr HörerInnen zuhören. Zudem werben wir seit Herbst 2018 auf unseren Webangeboten verstärkt auf die OnDemand-Streams der Musikspezialsendungen. Und: Mit der neuen Sendung „Bass&Bullshit“ haben wir unser Portfolio noch mal erweitert, um basslastige Clubsounds noch besser im Programm abzubilden.

 

„Die Vorstellung, dass unsere HörerInnen montags Elektro, dienstags Rock, mittwochs Newcomer und donnerstags HipHop hören wollen, ist eher eine binnensichtige Idee als eine angemessene Antwort auf Musikspezialsendungen, die vom Hörer her gedacht werden“

 

RADIOSZENE: DASDING setzt traditionell sehr stark auf den Schwerpunkt „Konzerte“. Allerdings scheint die Zeit der Begleitung und Übertragung der ganz großen Events wie Rock am Ring etc. vorbei. Sind Konzerte und Liveübertragungen heute noch ein Thema für junge Hörer? Zuletzt setzten Sie eher auf Highlights der besonderen Art wie das Konzert des Rappers Kontra K im Casino der Stadt Baden-Baden mit einem Sinfonieorchester …

Alina Schröder: Große Events wie das Southside Festival oder die Nature One sind für uns sehr wichtig. Viele junge FestivalbesucherInnen verbinden DASDING mit diesen Festivals. Das ist großartig, weil so viele positive Emotionen damit einhergehen und wir viel Energie in die Festivalberichterstattung legen.

Für viele sind die Festivals auch noch immer der erste Berührungspunkt mit DASDING. Das ist auch aus Marketing-Sicht wichtig, um unsere Bekanntheit zu steigern.

Die beste Nacht mit DASDINGde Kontra-KEinzelkonzerte wie „Die beste Nacht mit…“ geben uns die Chance unseren HörerInnen besondere Momente zu bieten. Etwas, das sie so nie wieder erleben werden. Das ist wichtig, weil viele KünstlerInnen, gerade die deutschen, inzwischen sehr viele Tourdaten wahrnehmen und auch in kleineren Städten auftreten. Wenn wir da etwas außergewöhnlich bieten wollen, müssen wir hervorstechen, wie zum Beispiel mit dem ersten Kontra K-Konzert feat. Philharmonisches Orchester. Das Konzert in Baden-Baden war ausverkauft und die BesucherInnen sehr beeindruckt von dieser Kombination. Wenn wir dann das Konzert live ins Radio bringen und die Songs on Demand auf unseren Social Media Plattformen veröffentlichen können, ist das ein großer Mehrgewinn für DASDING. Und es zeigt, was wir können – viele andere aber nicht.

RADIOSZENE: Der durchschnittliche Bildungsgrad junger Menschen steigt, was durch höhere Zahlen an Absolventen bei Gymnasien und Hochschulen belegt wird. Auch der Trend innerhalb der Bevölkerung tendiert zu mehr und seriöserer Information – was sich unter anderem auch durch eine verstärkte Nutzung von Podcasts zeigt. Ist dies nicht auch ein Signal an die Macher der jungen Wellen zu mehr und inhaltlich tiefer gehender Information? Nach welchen Vorgaben und Schwerpunkten haben Sie das redaktionelle Angebot ausgerichtet?

Songtindern bei DASDINGAlina Schröder: Genau darauf haben wir im Mai letzten Jahres reagiert und eine neue Sendung konzipiert, die exakt diesen Anspruch hat: das Bedürfnis nach Information zu stillen und unseren öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Mit „Dein Abend – dein Update“ geben wir täglich zwischen 18.00 und 20.00 Uhr einen Überblick über die wichtigsten Themen des Tages. Schwerpunkt sind politische und regionale Themen, die die gesellschaftliche Debatte bestimmen. Dabei legen wir darauf Wert, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und die Relevanz dieser Themen für unsere Zielgruppe herauszuarbeiten. Wichtig dabei ist aber, dass wir uns treu bleiben. DASDING ist und wird kein Info-Sender. Wir stehen für neue Musik, für junge Events und Lifestyle, aber eben auch für zielgruppenrelevante Information. Und wir setzen natürlich ganz bewusst auch Themen, die überraschen und abseits des unterhaltsamen Markenkerns spielen: Die DASDING-Spezials sind wichtiger Bestandteil unseres Programms und geben genau dafür Raum. Mal geht es da um ein Leben mit Depressionen, mal um Einsamkeit einer Tinder-Generation oder um Smartphone-Abhängigkeit und die Gefahren von Instagram & Co. 

 

„Wir stehen für neue Musik, für junge Events und Lifestyle, aber eben auch für zielgruppenrelevante Information“

 

RADIOSZENE: Wie hoch ist der Anteil redaktioneller Inhalte bei DASDING? Gibt es so etwas wie eine Hitliste der Informationspräferenzen jugendlicher Hörer und welche Rolle spielt die regionale Berichterstattung? 

DAS DING SprechstundeAlina Schröder: Eine Hitliste zu erstellen, ist schwierig, weil die Interessenlage von vielen Faktoren abhängt. Studierende, die nur für ihren Bachelor in eine Stadt ziehen und dann wieder weggehen, haben an regionaler Berichterstattung oft weniger Interesse als ein Azubi, der in einer Region groß geworden, in einem Verein seit vielen Jahren Sport macht und dort seinen kompletten Familien- und Freundeskreis hat. Er ist viel verwurzelter und hat oft ein größeres Interesse an Informationen aus seiner Region. Dafür interessiert ihn aber vielleicht das Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea weniger. Deshalb ist es unsere Aufgabe, einzuordnen – egal bei welchem Thema, ob die Schwimmbadschließung in Kaiserslautern oder die Aufkündigung des Iranabkommens. Wir müssen rausarbeiten, inwiefern unsere HörerInnen und UserInnen davon betroffen sind. Natürlich spielen da regionale Themen eine große Rolle. Es gibt aber keine Quote oder ähnliches für regionalen Content. Da er allerdings in der Lebenswelt der jungen Menschen oft eine große Rolle spielt, tut er das auch bei uns im Programm, sowohl in den Nachrichten wie auch „in der Fläche“. Am Anschaulichsten wird das bei unseren Angeboten von DASDING vor Ort. Da berichten unsere DASDING-ReporterInnen aus den verschiedenen Städten und Regionen des Sendegebiets – meistens im Webvideo-Format, plattformgerecht aufbereitet. Auch diese Themen landen oft im Radio und bereichern so nahezu täglich unser Programm mit starken Geschichten und Protagonisten.

RADIOSZENE: In wie weit und in welcher Form arbeiten Sie hier mit dem ARD-Onlinejugendanbot funk zusammen?   

Alina Schröder: Sehr eng. Es gibt strategisch und inhaltlich viele Anknüpfungspunkte. Die SWR-Zulieferredaktion sitzt direkt beim Bewegtbildteam der PopUnit und die Inhalte werden vom selben Teamleiter betreut. Natürlich sind die Formate, die der SWR zuliefert, wie MaiLab oder Walulis enger an uns geknüpft als andere, aber wir checken täglich welche funk-Inhalte und -Formate zu uns passen. So finden oft die Themen und Videos von Deutschland3000 oder dem Y-Kollektiv bei DASDING statt. Das tolle an dem funk-Portfolio ist ja diese ausdifferenzierte Zielgruppenansprache, die es uns erleichtert, die Formate auszuwählen, die zu uns passen und so auch auf Resonanz stoßen.

Auch strategisch arbeiten wir eng zusammen, um einen Wissenstransfer sicher zu stellen. Zum Beispiel, wenn es um die verschiedenen Entwicklungen von YouTube, Snapchat oder Instagram geht. Durch viele Formate kann funk oft schneller erkennen, wenn sich ein neuer Trend abzeichnet. Dafür haben wir eine starke, etablierte multimediale Marke, die mehr langfristige Erfahrung hat. So können wir auf unterschiedliche Weise voneinander profitieren und müssen denselben Fehler nicht mehrmals machen.

RADIOSZENE: Der Hörer hat heute mit seinem Smartphone eine vielfältige Auswahl an allzeit verfügbaren Diensten, die früher in gebündelter Form das Radio geleistet hat. Ich denke da an News, Service, Lifestyle usw. Zudem verändert sich die Nutzung des linearen Radios dramatisch hin zum zeitsouveränen Hören. Mit welchen Strategien und Angeboten kontern Sie diesen Entwicklungen, um auf Dauer nicht entbehrlich zu werden? 

Alina Schröder: Interessanterweise merken wir immer wieder, dass die jüngeren HörerInnen diese klassischen Radio-Bestandteile noch immer fordern, auch wenn die Exklusivität da tatsächlich längst nicht mehr existiert, zumindest, was die reinen Fakten betrifft. Aber Radio kann eben viel mehr und ist weiterhin dann stark, wenn es mehr leistet als Google, Amazon oder eben Spotify. Auch hier gilt wieder: Radio kann einordnen, Radio kann erklären, inspirieren, neugierig machen, Radio kann berühren, vermitteln, provozieren und konstruktiv sein. Wir merken noch immer, welche Faszination von Radio ausgeht. Du kannst heute fast jeden Song zu jeder Zeit hören, trotzdem wünschen sich so viele junge Menschen bei uns noch immer Songs. Sie posten in ihren Instagram-Storys, wenn ihr Lieblingssong im Radio läuft. Sie schreiben, wenn sie ein gutes Interview gehört haben. Sie bedanken sich, wenn wir bestimmte Themen (wie Leben mit Behinderung oder Depressionen) aufgreifen oder unsere Moderatoren sie einfach zum Lachen bringen. Alles Dinge, die Radio stark machen und immer stärker machen als eine Playliste, eine Wetter-App oder eine einzeilige Eilmeldung. Aber wir müssen für diese besonderen Radiomomente auch sorgen. Sie wieder mehr rauskitzeln; das Format brechen und überraschend sein, ohne beliebig zu werden; Haltung zeigen, gerade heute und nie abgehoben oder selbstgerecht werden. Das Geheimnis, wenn man es denn so nennen mag, liegt also einfach darin, gutes einzigartiges Radio zu machen.

 

„Wir merken noch immer, welche Faszination von Radio ausgeht. Du kannst heute fast jeden Song zu jeder Zeit hören, trotzdem wünschen sich so viele junge Menschen bei uns noch immer Songs“

 

RADIOSZENE: Welches sind die Schwerpunkte Ihrer Online-Strategie? Wie gehen Sie beispielsweise mit dem Thema Podcasts um? 

Alina Schröder: Online war die DASDING-Strategie schon immer: Wir müssen da sein, wo unsere Zielgruppe ist. Deswegen war DASDING als eine der ersten Radiowellen auf Facebook, Instagram und YouTube. Gute Online-Arbeit ist aber viel mehr als „irgendwie“ auf diesen Plattformen sein. Wir müssen auch hier viel mehr dafür tun um in der Flut an Angeboten wahrgenommen zu werden. Wir müssen eine Identität auf diesen Plattformen haben. Wir müssen sie plattformgerecht bespielen. Wir müssen uns den Nutzungssituationen dieser Portale anpassen. Wir müssen Entwicklungen lesen und unsere Angebote darauf anpassen, ohne uns dabei zu „verkaufen“ oder uns zu verlieren.

Deswegen lässt sich die Frage nach den Schwerpunkten auch maximal mittelfristig beantworten. Im Moment liegt der Fokus auf Whatsapp, Instagram und YouTube. Wenn auch mit ganz unterschiedlichen Strategien. Bei Whatsapp geht es um einen direkten Kommunikationskanal und mit unserem Newsletter neue Wege der Distribution zu erarbeiten. Bei Instagram vermitteln wir unsere Identität: Lifestyle, junge Events, neue Musik, Netzhumor. Und bei YouTube konzentrieren wir uns auf Musikinhalte und spezielle Formate, wie das DASDING Song-Tindern. Ein Format mit großer Wiedererkennbarkeit und gewissem Kultfaktor. Daher haben wir uns vor kurzem dazu entschieden, dieses Format auch als Podcast anzubieten und wiederum ins lineare Hörfunkprogramm zu bringen. So hat es ein Webvideo-Format geschafft, den umgekehrten Weg zu gehen. Und genau das sollte für DASDING auch die Strategie sein: Gute Inhalte auf allen Plattformen anzubieten.

RADIOSZENE: Lassen Sie uns ein wenig nach vorne blicken: Wie müssen Jugendradios und DASDING im Besonderen aufgestellt sein, um Jugendliche auch in Zukunft an das Radio zu binden?

Alina Schröder: DASDING war 2018 auf allen Ausspielwegen so erfolgreich wie nie zuvor: Sowohl im Radio, als auch mit unseren Social-Media-Angeboten und Webvideo-Inhalten. Und das obwohl sich die Mediennutzung und die Angebotswelt immer weiter fragmentieren. Das werden sie auch weiterhin tun. Das heißt auch, dass die Angebote noch spezieller auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten werden. Ich halte es trotzdem für richtig, dass wir bei DASDING den Anspruch haben, Programm zu machen, das niemanden unserer Zielgruppe ausschließt. Dafür bekommen wir unseren Gebührenbeitrag. Aber: Für junges, (öffentlich-rechtliches) Radio wird es eine immer größere Herausforderung, weitere HörerInnen und UserInnen dazuzugewinnen. Wir müssen daher auf starke Themen setzen, eine hohe Glaubwürdigkeit sicherstellen und noch stärker unverwechselbar werden.

 

(Alle Bilder: ©SWR/DASDING)