Rundfunkbeitrag: Bundesverfassungsgericht bestätigt Verfassungsmäßigkeit, fordert Gesetzgeber lediglich bei Zweitwohnungen zu Anpassung auf – Wilhelm: Gericht unterstreicht Bedeutung und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Der ARD-Vorsitzende und Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, hat das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt, nach dem der Rundfunkbeitrag im privaten und nichtprivaten Bereich verfassungsgemäß ist:
„Dieses Urteil bestätigt den konsequenten Weg des Gesetzgebers, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland zeitgemäß fortzuentwickeln.“
Der ARD-Vorsitzende wies zudem darauf hin, dass dieses Urteil neben der Finanzierungsfrage auch wichtige Feststellungen zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks enthält. Das Gericht habe in seiner Urteilsbegründung den verfassungsmäßigen Auftrag vollumfänglich bestätigt:
„Das Bundesverfassungsgericht hat hervorgehoben, dass die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter wächst. Seine Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden, wird umso wichtiger, je mehr die Digitalisierung der Medien voranschreitet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk trägt zu inhaltlicher Vielfalt bei, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann.“
Wilhelm weiter: „Dies ist ein wichtiger Tag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Bedeutung im digitalen Zeitalter nicht ab-, sondern zunimmt.“
Kortrekturbedarf beim Rundfunkbeitrag
Der ARD-Vorsitzende betonte, dass der Korrekturbedarf des Gerichts nicht die Grundanlage des Rundfunkbeitrags betreffe, sondern nur den Einzelaspekt der Zweitwohnungen:
„Im Hinblick auf die Beitragsgerechtigkeit begrüßen wir diese Entscheidung – auch wenn das voraussichtlich einen höheren Verwaltungsaufwand zur Folge hat und Angaben zu Zweitwohnungen erhoben werden müssen. Hier muss der Gesetzgeber nun nachjustieren.“
Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, die notwendigen Anpassungen bis 30. Juni 2020 vorzunehmen.
Deutschlandradio sieht Rundfunkbeitrag durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt
Stefan Raue: solide Perspektive für die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus
Zum heutigen Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf die Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitrag erklärt Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue:
„Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem heutigen Urteil die Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland bestätigt. Es hat zugleich die gewachsene Bedeutung der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont. Dessen Angebote seien angesichts der digitalen Plattformen und sozialen Netzwerke als Orientierungshilfe und zur Vielfaltssicherung erforderlich. Bei dem Einzelaspekt der Beitragspflicht für Zweitwohnungen sieht das Gericht für die Zukunft Anpassungsbedarf. Hier sind die Bundesländer zu Veränderungen aufgefordert. Für die drei bundesweiten und werbefreien Programme Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova bedeutet das Urteil eine solide Perspektive für die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus.“
Urteil zum Rundfunkbeitrag: „Nebeneinander von Anstalten und Privaten ausgestalten“
„Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist Anlass und Grundlage, dass die Länder die Ordnung für die elektronischen Massenmedien bewusster austarieren“, ist die Schlussfolgerung für den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk, Felix Kovac, aus der heutigen Entscheidung zum Rundfunkbeitrag.
So habe das Gericht hervorgehoben, dass die Angebote der Anstalten unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen „über die Standardformate von Sendungen für das Massenpublikum hinaus“ zusammengestellt werden sollen.
Das Nebeneinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Angeboten sieht das Gericht positiv. Aus dem Blickwinkel journalistisch gemachter Angebote seien die Aussagen des Gerichtes zu Online-Plattformen, Suchmaschinen und „nicht-publizistischen Anbietern ohne journalistische Zwischenaufbereitung“ mit Aufmerksamkeit zu analysieren.
Kovac liest die entsprechenden Passagen der Entscheidung als Auftrag an den Gesetzgeber, journalistisch-redaktionelle elektro- nische Angebote insgesamt abzusichern und das Nebeneinander beider Teile des dualen Rundfunksystems so auszugestalten, dass Anstalten und Anbieter mit ihrer jeweiligen – im Wortlaut der Entscheidung – „Eigenrationalität“ bestehen können. „Insofern stärkt die heutige Entscheidung journalistische elektronische Angebote insgesamt“, so Kovac abschließend.
Renner: Urteil mit unglaublicher Chuzpe
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den sogenannten „Rundfunkbeiträgen“ kommentiert der medienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin E. Renner:
„Man fragt sich nur noch kopfschüttelnd, woher das Bundesverfassungsgericht die Chuzpe für ein solches Urteil nimmt?
Das Gericht hat es tatsächlich fertiggebracht, den Steuercharakter der sogenannten ‚Rundfunkbeiträge‘ zu verneinen und gleichzeitig von einem ‚Angebot‘ der öffentlich-rechtlichen Sender zu sprechen, das aufgrund staatsrechtlicher Verträge und Begleitgesetze von jedem auch nur potenziellen Nutzer zu bezahlen sei. Dabei komme es nicht einmal mehr darauf an, ob Empfangsgeräte vorhanden sind oder ein Nutzungswille bestehe. Allein das ‚Innehaben von Wohnungen‘ begründe die Beitragspflicht, da ‚Rundfunk typischerweise dort‘ genutzt wird.
Damit ist Deutschland nun wohl das einzige Land der Welt, in dem der Staat Menschen für ein Angebot zahlungspflichtig macht, auch wenn sie es weder annehmen wollen noch können. Mit der gleichen Logik könne man auch Passanten zur Zahlung von Beförderungsentgelten verpflichten, weil Straßenland ‚typischerweise‘ von Bussen genutzt wird.
Dieses Urteil wird Wellen schlagen, die auf das Bundesverfassungsgericht zurückschlagen. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dagegen wird es nicht aus seiner Legitimationskrise retten. Jetzt wird der Druck zunehmen, den Verpflichteten im Gegenzug echte demokratische Mitwirkungsrechte in den Anstalten einzuräumen – etwa indem wie bei den Sozialwahlen auch Rundfunkräte allgemein gewählt werden.“
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz, der für die AfD-Fraktion bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe anwesend war bemerkt: „Wir waren als einzige Bundestagsfraktion heute in Karlsruhe vor Ort. Das spricht Bände. Die Altparteien haben natürlich kein Interesse an einer Änderung des Systems von Bevormundung und Zwangsgebührenfinanzierung. Rechtlich ist die Schlacht zwar geschlagen – Karlsruhe locuta causa finita – politisch aber geht der Kampf dagegen unvermindert weiter.“
Quellen: Pressemeldung und ARD, Deutschlandfunk, APR und AfD