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Warum die Schweiz beim Umstieg auf DAB+ ganz vorne mitmischt

DAB+ in der Schweiz

Von Stefan Grünig

In letzter Zeit hört man aus Deutschland immer wieder von den Problemen der Radiosender beim Umstieg von UKW auf Digitalradio DAB+. Die grossen Rundfunkplatzhirsche haben geringes Interesse daran, in die neue Technologie zu investieren und ihre festbetonierte UKW-Position abzugeben, geschweige denn mit Mitbewerbern zu teilen. Ausser in den Vorzeigebundesländern Bayern und Baden-Württemberg tut man sich immer noch schwer mit einer einigermassen vernünftigen Programmvielfalt auf DAB+. Die ganze Sache geht sogar soweit, dass in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ein öffentlicher Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern aus der Radioszene stattfindet.

Nur allzu gerne publiziert das Verlagshaus natürlich die Argumente welche gegen DAB+ sprechen. Manchmal kann einem Deutschlandfunk Intendant und DAB-Förderer Dr. Willi Steul beinahe leid tun. Genau gleich verhält sich das Ganze beim Nachbarn Österreich. Auch hier haben die grossen Anbieter, mit ihren Verlagshäusern im Rücken, absolut keinen Bock auf Konkurrenz im Äther. Der öffentlich-rechtliche ORF schmollt, weil er auf DAB+ kein Zusatzangebot starten darf. In Frankreich blockt der öffentlich-rechtliche Rundfunk sogar komplett!

Doch warum funktioniert das eigentlich in der Schweiz? Darüber haben wir uns in den vergangenen Wochen intensive Gedanken gemacht. Erst einmal muss gesagt werden, dass auch hierzulande nicht alles nur eitel Freude ist. Die grossen Verlage versuchen ebenfalls, an ihren abgesteckten Sendegebieten festzuhalten und zuzusehen, dass die „freie“ Konkurrenz keinen allzu einfachen Zugang zu DAB+ erhält. Dennoch konnten die kleineren, nichtkommerziellen Privatradios dank Limus-Digris eine kostengünstige Verbreitung ihrer Programme erwirken. Im Endeffekt ein Gewinn für die Hörerschaft. Ebenfalls wird das Thema DAB+ in der Printpresse tunlichst totgeschwiegen. Auch hier sind Konkurrenzgedanken der Verlagshäuser im Spiel.

Grafik “DAB+ überholt UKW”. Quelle: broadcast.ch (SRG)
Grafik “DAB+ überholt UKW”. Quelle: broadcast.ch (SRG)

Bloss ist es in der Schweiz so, dass sich die Privatradios seit ihrer Gründung in den 80er Jahren auf viele andere Mitbewerber einstellen mussten. So können in Zürich beispielsweise schon seit Jahren zahlreiche private Programme via UKW empfangen werden (Radio 24, Radio 1, ENERGY, Zürisee, Top, Central, Sunshine, Pilatus, Lora, und einige ausländische Anbieter). Auch in der Romandie gibt’s an gewissen Standorten eine unglaubliche UKW-Vielfalt (Bsp. Echallens: LFM, Rouge FM, Radio fr., RTN, Yes FM, GRRIF, Radio Chablais und diverse aus Frankreich). Selbst im wirtschaftlich schwächeren Berner Oberland können mit einigermassen gutem Empfangsequipment bis zu 10 Privatradios gehört werden (Radio BeO, Bern 1, Energy, neo1, RaBe, Canal 3, Radio 32 und ebenfalls einige Ausländische wie z.B. Radio Regenbogen). So mussten sich die Anbieter schon früh an die Mitbewerber gewöhnen. Früher hat man sein Glück in der Verschiedenartigkeit der Programme gesucht, heute soll der Mainstream mit der werberelevanten Zielgruppe der 18-35jährigen es richten, was nicht unbedingt einer Bereicherung der Radiolandschaft entspricht. Ganz nach dem Prinzip: „Mainstream, mainstreamiger, am mainstreamigsten!“

Die Überschneidungen der einzelnen Sendegebiete auf UKW sind natürlich auch mit der topografisch kleinen Landfläche der Schweiz begründet. Auf diesen vergleichsweise wenigen Quadratkilometern tummelt sich doch eine beachtliche Anzahl von Privatradios. Man ist die Konkurrenz im Äther also gewohnt.

Screenshot aus dem neuen Digitalradio-Werbespot von Privatradios und SRG.
Screenshot aus dem neuen Digitalradio-Werbespot von Privatradios und SRG.

Es kommt dazu, dass die Landesregierung und die zuständigen Behörden schon bald einmal öffentlich-rechtliche und private Anbieter ins Boot geholt haben, um die Ernsthaftigkeit des Wechsels zu unterstreichen. Die SRG wurde sozusagen dazu gezwungen, mit den Privaten zu kooperieren. Der Fairness halber muss jedoch gesagt werden, dass die Verantwortlichen der SRG sich schon seit längerem sehr für die digitale Technologie einsetzen. Im gemeinsamen Gespräch, hat man in der Gruppe DigiMig, welcher alle namhaften Radioplayer der Schweiz angehören, das weitere Vorgehen abgestimmt und abgesegnet. So ist eine verbindliche Roadmap für die Abschaltung von UKW entstanden, deren Signal ganz deutlich ist. In diesem 88-Seitigen (!) Schlussbericht (PDF) ist alles genau definiert. Der Abschalttermin im Jahr 2024 steht soweit fest und der Bund greift, nach entsprechender Volksbefragung, zumindest vorübergehend, tief in die Subventionstasche. Nur so kann es gehen: zuerst das Gespräch suchen, einen gemeinsamen Weg finden, den Übergang finanziell unterstützen und dann den Abschalttermin festlegen. Heute ist damit der sogenannte „point of no return“ in der Schweiz bereits überschritten.

Grafik Übergang von UKW zu DAB+ zum Vergrössern. (Quelle: Schlussbericht DigiMig)
Übergang von UKW zu DAB+ zum Vergrössern. (Quelle: Schlussbericht DigiMig)

Irgendwann haben somit beinahe alle Anbieter eingesehen, dass DAB+ durchaus eine zukunftsweisende Chance sein kann und im Parallelbetrieb mit den Streamingmöglichkeiten neue Horizonte eröffnet. Im Endeffekt werden die einzelnen Player für ihre Sendernetze weniger Geld in die Hände nehmen müssen als heute: DAB+ braucht weniger Sendeanlagen als UKW und profitiert stärker von Reflektionen.

Schwierig ist, besonders für kleinere Privatradios, nur die Übergangsphase mit dem Parallelbetrieb. Es ist bei aller Euphorie nicht totzuschweigen: DAB+ bringt mehr Mitbewerber in den Äther, was aber durch Anstrengungen in der Programmqualität durchaus wettgemacht werden kann. Die Programme müssen wieder vielseitiger und abwechslungsreicher werden, dann hat jeder Anbieter seine Berechtigung in einem sprachregionalen Ensemble und braucht sich nicht vor digitaler Konkurrenz zu fürchten.

In Deutschland hingegen und besonders auch in Österreich und Frankreich, wirkt die Digitalisierung des Hörfunks hingegen etwas unkoordinierter. Niemand weiss genau, ob die Regierungen wirklich einen Umstieg auf das Digitalradio anstreben und es ist auch kein verbindliches Abschaltdatum für UKW bekannt. Zudem gibt es bundes- und landesweite Anbieter, welche auf UKW über ein komfortables Monopol verfügen. Oftmals wird dabei damit argumentiert, dass die DAB-Technologie sowieso vom Livestreaming über die Handynetze überholt sei. Dabei verschweigt man ganz bewusst die Versorgungssicherheit des terrestrischen Radios. Überlastete Handynetze (im Stau oder bei Katastrophen) sind keine Alternative für eine funktionierende Rundfunkgrundversorgung. Offensichtlich reden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Privatradios in den erwähnten Ländern auch nicht gerne zusammen, um eine gemeinsame Lösung anzustreben.

Kurz: man ruht sich auf den UKW-Lorbeeren aus, redet DAB+ schlecht und bewegt sich möglichst wenig auf seiner gefestigten Position. So kann das leider nicht gehen, liebe Nachbarn! Dem Radionutzer in der Schweizer Nachbarschaft bleibt so nur das Augenreiben und die Hoffnung, dass man sich dann früher oder später mit Hilfe der Politik doch einmal zu einer gemeinsamen Position durchringen kann. Es gibt Länder, die’s vormachen…

 

Stefan Grunig
Stefan Grunig

Über den Autor:

Stefan Grünig aus der Schweizer Gemeinde Krattigen ist Betreiber der Plattform DAB-Swiss und befasst seit den frühen 90er Jahren intensiv mit dem Thema Schweizer Privatradios. Er arbeitet heute als Kaufmann in der öffentlichen Verwaltung, sowie als freischaffender Naturfotograf.

 

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