Willi Steul: „DAB+ wird nicht hinfallen“

Foto: Deutschlandradio / Montage RADIOSZENE11% der Deutschen nutzen Digitalradio DAB+ – diese Zahl wurde auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin bekanntgegeben. Die Digitalradio-Branche zeigt sich darüber offiziell erfreut, während manch anderer noch Probleme bei der Einführung von DAB+ sieht und die angedachte UKW-Abschaltung kritisiert. Zu den stärksten Befürwortern von DAB+ zählt Deutschlandradio-Intendant Dr. Willi Steul. Mit RADIOSZENE sprach er am Rande der IFA über den geplanten DAB-Ausbau, die Kritik durch FFH-Chef Hillmoth und gelegentliche Uneinigkeit in der ARD.

Herr Steul, gerade wird das nationale Digitalradio-Paket von rund 60 Sendestandorten ausgestrahlt. Doch schon bis Ende nächsten Jahres soll sich die Anzahl der Sender auf 110 Standorte vergrößert haben. Warum geht der DAB+ Ausbau jetzt so schnell?

Das hat ja alles mit Geld zu tun – und wie man das Geld verteilt. Und wir konzentrieren unsere technischen Investitions- und Verbreitungsmittel jetzt ganz auf DAB+. Wir beantragen bei der KEF für die nächste Gebührenperiode 46 Millionen Euro mehr. Und die gehen fast ausschließlich in den DAB-Ausbau. Das ist die Logik unserer Strategie: Wenn ich möchte, dass der Parallelbetrieb von UKW und DAB+ so kurz wie möglich ist, dann muss ich schnell in den Ausbau der Netze gehen, damit das Digitalradio so schnell wie möglich vorhanden ist. Das ist ja die Voraussetzung dafür, dass sich DAB bei den Menschen durchsetzen kann.

So soll das DAB-Sendenetz Ende 2016 aussehen. Quelle: Media Broadcast
So soll das DAB-Sendenetz Ende 2016 aussehen. Quelle: Media Broadcast

Ist denn der Ausbau bis Ende 2016 so wie er jetzt geplant ist, sicher?

Ja. Denn dafür haben wir die finanziellen Mittel.

Und wenn nicht alle Privaten mitziehen wollen?

Dann machen wir’s trotzdem. Wir finden dann Lösungen, dass andere mit dazukommen.

Apropos finanzielle Mittel: Die Privatsender sind ja ein wichtiger Partner beim Digitalradio-Ausbau. Am Digitalradio-Tag auf der IFA hat FFH-Chef Hans-Dieter Hillmoth aber klargestellt, dass er momentan noch keine Geschäftsmodelle für die privaten Sender auf DAB+ sieht.

Ohne die privaten Partner geht es nicht. ARD und Deutschlandradio erhalten die Mittel über den Rundfunkbeitrag – aber die anderen müssen sich refinanzieren. Und tatsächlich ist das momentan noch die Frage, wie das gelingen kann. Für die Ausbau- und die Aufbauphase von DAB+ muss es eine Möglichkeit geben sich gemeinsam zu helfen. Ministerin Ilse Aigner in Bayern hat angekündigt, dass sie die Privatsender mit einem Teil der „Digitalen Dividende“ beim DAB-Ausbau stützt, das ist ein guter Schritt. Und Dorothee Bär (Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Anm. d. Red.) hat ebenfalls festgestellt, dass wir auch im Digitalradio-Board eine Lösung finden müssen. So können wir Antworten auf die Probleme finden, die Herr Hillmoth genannt hat und die jeder natürlich nachvollziehen kann.

Fördergelder sind also ein guter Ansatz?

Ich mache keinen Vorschlag aus welchem Topf diese Gelder kommen sollen. Ich stelle nur fest, dass der Staat den Umstieg auf das digitale Fernsehen gefördert hat. Und genauso brauchen wir auch eine Förderung beim Umstieg des privaten Rundfunks auf DAB+. Bis hin zu solchen Modellen, dass die ARD-Anstalten, die über eigene Sendemasten verfügen, die Privaten dort Huckepack nehmen.

Willi Steul. Foto: Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré
Willi Steul. Foto: Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré

Wobei Fördergelder beim „alten“ DAB ja zu keinem Erfolg führten.

Das kann man auch nicht miteinander vergleichen. DABalt war eine andere Technologie, die Voraussetzungen waren andere. Wir sehen jetzt, dass zum Beispiel Norwegen sogar UKW abschalten will und in Großbritannien werden spätestens im nächsten Jahr 100% aller verkauften Automobile serienmäßig DAB+ haben. Wir sehen eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist. Und wenn der Zug fährt, dann geht man am besten in die Lokomotive und nicht ins Bremserhäuschen. Das wird sowieso irgendwann abgehängt.

Es gibt objektive Probleme, etwa das fehlende Finanzierungsmodell der Privaten. Ganz ohne Frage. Aber Probleme sind lösbar und zwischen den Akteuren ist unumstritten: DAB+ ist das Rückgrat der künftigen Rundfunkverbreitung.

Die ARD scheint sich aber nicht immer so einig. Einzelne Anstalten unterstützen DAB+ weniger als andere. Warum ist man sich noch so uneinig?

Ganz einfach: Wenn ich als Landesrundfunkanstalt ausreichend UKW-Frequenzen habe, teils sogar eine doppelte und dreifache Versorgung, dann bin ich Monopolist. DAB+ heißt aber: Ich gehe in eine neue Technologie, die Konkurrenz ermöglicht. Das will man ungern. Gleichzeitig ist ein Simulcast-Betrieb nötig, man muss also Geld aufwenden für etwas, das man gar nicht haben will. Das ist der Hauptgrund. Außerdem: Techniker sind Liebhaber der elektrischen Eisenbahn. Fragen Sie vier Techniker nach einer Lösung für die Zukunft, dann kriegen Sie sechs Antworten.

Deutschlandradio hat keine ausreichende UKW-Versorgung. In manchen Bundesländern erreicht Deutschlandradio Kultur zum Beispiel nur 20% der Bevölkerung. Die einzige Möglichkeit, dass wir unserem Auftrag nachkommen und unsere Programme bundesweit übertragen, ist DAB+. Insofern haben wir ein besonderes Eigeninteresse. Gleichzeitig bin ich zuversichtlich, dass wir bei einer bundesweiten DAB-Versorgung 20 bis 25% weniger Kosten haben, als jetzt bei unserem lückenhaften UKW-Netz. Was gibt es da noch zu überlegen?

Internetradio ist jedenfalls keine Alternative. DAB+ ist nicht hack-bar, es ist kostengünstiger und es gehört dem Rundfunk. Damit verursacht es keine zusätzlichen Kosten – was Internetradio durchaus tut. Denken Sie an Ihre Mobilfunk-Flatrate, die ja eigentlich gar keine ist.

Der ehemalige Deutschlandradio-Sendemast in Berlin-Britz wurde im Sommer 2015 abgerissen. Foto: Deutschlandradio
Der Deutschlandradio-Sendemast in Berlin-Britz wurde im Sommer 2015 abgerissen, da die Versorgung mit DAB+ die Mittelwelle überflüssig macht. Geht es nach dem Deutschlandradio, könnten bald die ersten UKW-Abschaltungen folgen. Foto: Deutschlandradio

Noch ein Wort zur angedachten UKW-Abschaltung: Das DAB-Sendernetz wird ausgebaut, Ende 2015 werden die Mittelwellenfrequenzen des Deutschlandfunk abgeschaltet. Wann nehmen Sie denn die ersten UKW-Frequenzen außer Betrieb?

Eine UKW-Abschaltung kann man nicht einseitig machen. Wir würden unsere Wettbewerbssituation gefährden. Aber wir überlegen tatsächlich, einzelne UKW-Sender in Gebieten abzuschalten, wo eine sehr gute DAB+-Versorgung gegeben ist. Das geht nur wenn Sendernetzausbau und Verkaufszahlen so sind wie wir uns das wünschen. Außerdem werden das Einzelentscheidungen sein.

Und die Millionen von UKW-Empfängern, die in Deutschland in Betrieb sind, sind bei der UKW-Abschaltung kein Problem?

Gucken Sie in die Nachbarschaft. In Großbritannien werden nur noch DAB-Autoradios verkauft, der Verkauf steigt rasant. Wir haben 143 Millionen UKW-Empfänger in Deutschland, aber der DAB-Radio-Verkauf steigt jetzt signifikant. Und das ohne dass wir bereits einen besonderen Werbe- und Marketing-Druck ausüben. Wenn wir, vielleicht in einem halben Jahr, eine gemeinsame Verabredung zum Marketing zwischen allen Beteiligten haben, dann wird sich die Verkaufskurve noch steiler entwickeln, die jetzt schon steiler ist als in anderen europäischen Ländern zu einem vergleichbaren Zeitpunkt. In spätestens 10 Jahren sind wir bei einem Marktanteil von DAB+-Radios von 50%. Dann stellt sich die Frage gar nicht mehr.

Ich bleibe übrigens dabei: 2025 könnte der Abschaltzeitpunkt sein. Offiziell ist das auch noch Voraussetzung der KEF.

Um in Sachen DAB+ gemeinsame Entscheidungen zu treffen, wurde auch das Digitalradio-Board des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur geschaffen. Wie soll dadurch der digitale Hörfunk vorangebracht werden?

Das ist ganz entscheidend: Hier können wir Apelle an die Politik und unsere Strategie formulieren, damit dann bestimmte Entscheidungen von den Regulierungsbehörden getroffen werden. Ende Juni hat es den Kick-Off für das Board gegeben – und das halte ich für den wichtigsten Schritt seit dem Start von DAB+. Unter Federführung des Ministeriums gerät das alles in eine systematische Struktur. Da sitzen alle Interessierten und Beteiligten regelmäßig an einem Tisch. Für die Öffentlich-Rechtlichen sitzen dort Frau Professor Wille (MDR Intendantin, Anm. d. Red.) und ich, für die Privaten sind die Vorsitzenden der entsprechenden Verbände dabei, da ist die Automobilindustrie vertreten und der Verband der Geräteindustrie. In verschiedenen Arbeitsgruppen wird jetzt an einer Art Masterplan gearbeitet. Parallel dazu liegt ein Papier der Landesmedienanstalten vor, die ebenfalls uneingeschränkt zu DAB+ stehen und die Bedingungen für die Privaten formulieren. Wir haben aber als Öffentlich-Rechtliche auch die Bedingungen der Privaten mitgedacht. Denn es ist völlig klar, es geht nur zusammen.

Anfang Oktober trifft sich das Board dann erneut – und Staatssekretärin Bär erwartet, dass wir dort konkrete Dinge vorlegen, was von Seiten von Deutschlandradio und ARD bereits geschehen ist. Das zentrale Problem wird aber das Refinanzierungsproblem der Privaten.

In Nordrhein-Westfalen hat die Landesmedienanstalt einen Call-of-Interest gestartet, um herauszufinden, wie groß das Interesse seitens der Privaten an einer Ausstrahlung auf DAB+ ist…

Ich weiß noch nicht wie die Resonanz ist. Aber ich hoffe sie wird hoch sein.

Wenn dabei nichts herauskommen sollte, ist fraglich, ob überhaupt neue Sendeplätze für regionales DAB+ in NRW ausgeschrieben werden und ob das Projekt Digitalradio überhaupt fortgeführt wird.

Das werden vielleicht Stolpersteine sein. Aber DAB+ fällt nicht hin. DAB+ setzt sich durch.

Danke für das Gespräch, Herr Steul.

 

Weiterführende Informationen
11% der Bevölkerung nutzen DAB+
Deutschlandradio meldet leichte Kostensteigerung an