Die Staatsmacht schlägt zurück

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Dass sich ausgerechnet das irgendwie sozialistische Berlin dauerhaft als Fluchtburg für Medienfreiheit und -wettbewerb etabliert ist nicht ohne Komik. Das fröhliche Nebeneinander unterschiedlicher privater und staatlicher Sender zahlt sich dahingehend aus, als echte Originale als solche im Markt erkannt und belohnt werden. Etwa der vermutlich meistkopierte Radiosender Deutschlands, 104.6 RTL, der um krachende 32 Prozent zulegte, während die lokale Kopie Energy einen ordentlichen Dämpfer einsteckte. Ähnliches lässt sich auch anderswo beobachten, wo Wettbewerb wenigstens in Maßen besteht, etwa Hamburg, Hessen, Thüringen oder Sachsen. In Sachsen dürfte bei RTL ein ordentlicher Seufzer abgegangen sein, zahlt sich die manchmal quälende Aufbauarbeit der letzten Jahre endlich mal richtig aus.

Im alten Westen schlägt dagegen das Staatsmedienanstaltsimperium mit ganzer Härte zurück. In Bayern wird die nominell* private Antenne ziemlich systematisch zwischen dem 1. und 3. Programm des BR zerrieben. Für die jüngere Ecke ist die Antenne zu bieder, für die ältere zu infantil. Der Bayerische Rundfunk toppt beides ziemlich souverän, mit Bayern 3 auch die Unterbietung eines Niveaus, das im Print früher Yellow genannt wurde. In Nordrhein-Westfalen gibt es ohnehin seit eh und je nur einen Gewinner, nämlich den Staatsfunk namens WDR. Dort freut man sich heute über den neuerlichen Erfolg der Teil-Tochtergesellschaft Radio NRW.

Die Offensive der öffentlich-rechtlichen Anstalten in Bayern und NRW dürfte nur ein Vorgeschmack auf kommende Zeiten sein. Die Staatsfunker gehen aggressiver vor als noch vor wenigen Jahren. Offenbar hat man in den Intendanzen den Eindruck, der Boden sei bereitet. Die Rundfunksteuer, die 2013 jeder Deutsche zu zahlen hat, dürfte nicht mehr aufzuhalten sein, jedenfalls sind aus keinem Landtag entsprechende Debatten zu hören gewesen. Die jetzt schon alles erdrückende finanzielle Basis der Staatssender wird damit noch weiter wachsen. Dagegen stehen nominell* private Lokalradios, vor allem in Bayern, in denen kaum Geld für den Austausch eines defekten Reglers im Sendepult übrig ist. Diese Schieflage ist politisch offenbar gewollt.

Insoweit sagt die MA auch etwas über die Machtverhältnisse im Land aus. Und darüber, wie ausgehöhlt die verfassungsmäßige Medienfreiheit ist.

*nominell privat: In Bayern verbietet der Landesverfassungsartikel 111a generell privaten Rundfunk.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de