BLR schlägt Alarm: „BR wirbt systematisch Mitarbeiter ab!“

blr logo smallMit einem offenen Brief richtet sich die Dienstleistungsgesellschaft für Bayerische Lokal-Radioprogramme BLR an die Medienpolitik, um darauf aufmerksam zu machen, dass der Bayerische Rundfunk (BR) ihr „seit Jahrzehnten systematisch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abwirbt“. Darin hebt der BLR-Geschäftsführer Sebastian Steinmayr hervor, wie unverzichtbar die Bayerischen Lokalradios als Informationspartner gerade in der Coronakrise
sind. Er sieht aber den Erhalt lokaler Informationsversorgung durch die BR-Personalpolitik gefährdet.

Sebastian Steinmayr (Bild: ©BLR)
Sebastian Steinmayr (Bild: ©BLR)

Steinmayr betont, es sei ein medienpolitischer Skandal, dass die privat finanzierten Sender in Bayern weiterhin als Ausbildungsakademie des öffentlich-rechtlichen Wettbewerbers fungierten. Er werde alles in seiner Macht stehende unternehmen, um diese Informationsdienstleistung auch weiterhin sicherzustellen. Die BLR befinde sich in einer“ ungleichen und unfairen Wettbewerbssituation in Bayern zwischen privat finanzierten Lokalsendern und den finanziell deutlich überlegenen öffentlich-rechtlichen Anbietern“ und fordert daher ein schnelles politisches Handeln.

Hier folgt der offene Brief der BLR in voller Länge:

Offener Brief in eigener Sache

Weitere Bewährungsprobe bestanden: Bayerische Lokalradios sind unverzichtbare Informationspartner in der CORONA-Krise

Erhalt lokaler Informationsversorgung durch BR-Personalpolitik gefährdet

wie alle Medien in Bayern berichten auch die 55 solidarisch und ausschließlich privat finanzierten bayerischen Lokalradios umfangreich, vielfältig und hintergründig über die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Ich darf stellvertretend für mehrere Hundert Lokaljournalistinnen und -journalisten sagen: Trotz teils massiver wirtschaftlicher Probleme in unseren Redaktionen tun wir das aus Überzeugung und mit großer Leidenschaft! Wir sorgen dafür, dass diejenigen, die mit ständig neuen Corona-Regeln und -Verordnungen leben müssen, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, diese auch verstehen. Und wir sorgen dafür, dass diejenigen, die in der Krise den Takt angeben, nämlich neben den Mitgliedern der Staatsregierung, Landtagsabgeordnete, KreistagspolitikerInnen, Landräte und Landrätinnen in Unterfranken, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in Oberbayern sowie VertreterInnen örtlicher Behörden ihre wichtigen Botschaften an die Bevölkerung schnell und authentisch übermitteln können. Als Lokaljournalistinnen und Lokaljournalisten stellen wir Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen der Kommunen her. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal! Das tun wir. Und nicht erst seit Corona.

Allerdings stellt sich uns „Lokalfunkern“ neben den aktuell bedrohlichen Einbrüchen bei den Werbeerlösen eine weitere existenzielle Frage: Wie lange können wir diese wichtige Informationsarbeit für die bayerische Bevölkerung noch leisten? Wir als rein privat finanzierte bayerische Lokalsender befinden uns in einer ungleichen und unfairen Wettbewerbssituation mit dem finanziell deutlich überlegenen öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk. Dieser wirbt systematisch – seit Jahrzehnten – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BLR ab. Das gefährdet die Leistung der BLR, dem Nachrichtendienstleister des bayerischen Lokalfunks! Darüber hinaus ist die andauernde Praxis der Hörfunkverantwortlichen des BR, eklatante Defizite in der Ausbildung eines eigenen journalistischen Nachwuchses dauerhaft zu ignorieren, und stattdessen kontinuierlich die Leistungsträger privater Sender abzuwerben, ein medienpolitischer Skandal!

Ich nenne Ihnen hierfür drei Gründe:

  • Maßgeblich verantwortlich für die ungleiche und unfaire Wettbewerbssituation um die „besten Köpfe“ auf dem Arbeitsmarkt sind ganz offensichtlich die überdurchschnittlich hohen Gehälter, die der BR bezahlt. So ist im 22. Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF, zu lesen, dass das Vergütungsniveau der öffentlich-rechtlichen Sender höher ausfällt als das der öffentlichen Verwaltung. Wobei der BR im internen Ranking der ARD-Anstalten dieses hohe Vergütungs-Niveau in der Regel wohl noch toppt. Der KEF-Bericht fordert in diesem Zusammenhang eine Korrektur dieses „überproportionalen Vergütungsniveaus“.
  • Ich habe in dutzenden Trennungsgesprächen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gewissheit erlangt, dass für die Kündigungen ausschließlich zwei Gründe ausschlaggebend waren: Überdurchschnittlich hohe Gehaltszusagen bei unterdurchschnittlicher Arbeitsbelastung. In diesem Zusammenhang finde ich es beschämend, dass sich der BR als finanzmächtiger Player mit gerade einmal 2% an der Finanzierung der renommierten Akademie für journalistischen Nachwuchs, der Mediaschool Bayern, beteiligt; es handelt sich bei diesem Engagement um € 25.000 p.a., also um nur ca. 0,0025% des BR-Jahresetats! In Relation ist das Engagement der BLR bei der Mediaschool um das 231-fache höher!
  • Die unfreiwillige „Abgabe“ unserer gut ausgebildeten und leistungsstarken Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den BR geschieht mit nicht selbsterwirtschafteten Mitteln, sondern mit Beiträgen von fast allen Haushalten und Unternehmen.

Es kann nicht sein, dass ausgerechnet die privat finanzierten Sender in Bayern weiterhin als Ausbildungsakademie des öffentlich-rechtlichen Wettbewerbers fungieren!

Bundesweit führen wir kontroverse Debatten über die mehr als großzügige Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang bitte künftig auch darüber diskutieren, ob es einer Institution wie zum Beispiel dem Bayerischen Rundfunk mit jährlichen Aufwendungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro nicht gut zu Gesicht stünde, einen künftig angemessenen Anteil an journalistischen Nachwuchskräften selbst auszubilden. Ich behaupte, der tatsächliche Bedarf an Volontärinnen und Volontären bei diesem Wettbewerber steht in einem deutlichen Missverhältnis zur aktuellen Ausbildungssituation.

Wir alle leiden unter den schwierigen Bedingungen, die uns die Pandemie auferlegt. Aber lassen Sie mich bitte auf unsere besondere Situation in Bayern hinweisen: Anders als zum Beispiel den öffentlich-rechtlichen Wettbewerber bringen die Corona-bedingten, teils empfindlichen Einbrüche bei den Werbeeinnahmen unser System an den Rand der Wirtschaftlichkeit. Die Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen erleiden durch die pekuniär schwierige Lage massive Eingriffe in ihre Arbeitsbedingungen. Und trotzdem stehen nach wie vor jeden Tag hunderte festangestellte und freie Lokaljournalistinnen und -journalisten bereit, die bayerischen Hörerinnen und Hörer schnell, zuverlässig und kompetent mit aktueller Berichterstattung über die Pandemie zu versorgen. Wir werden alles in unserer Macht stehende unternehmen, um diese Informationsdienstleistung auch weiterhin sicherzustellen.

Wir im Freistaat können stolz darauf sein, über einen derart leistungsstarken Lokalfunkverbund zu verfügen. Diesen Verbund haben bayerische Unternehmerpersönlichkeiten mit hohem publizistischem Anspruch bei gleichzeitiger unternehmerischer Risikobereitschaft in den vergangenen mehr als 35 Jahren aufgebaut. Ja, es ist wahr, anerkennende Worte unserer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft nach überstandener erster Welle der Pandemie etwa durch Medienminister Dr. Florian Herrmann oder BLM-Präsident Siegfried Schneider taten uns allen in den Redaktionen sehr gut. Diese Anerkennung darf aber nicht über die ungleiche und unfaire Wettbewerbssituation in Bayern zwischen privat finanzierten Lokalsendern und den finanziell deutlich überlegenen öffentlich-rechtlichen Anbietern hinwegtäuschen. Hier bedarf es schnellen politischen Handelns, weswegen ich um Ihre Unterstützung bitte.

Mit freundlichen Grüßen BLR GmbH & Co. KG

Sebastian Steinmayr
Geschäftsführer und Chefredakteur


Seit 1991 beliefert die BLR die bayerischen Lokalradios mit einer breiten Palette an bayerischen und überregionalen Programminhalten. Dazu zählen u.a. ein Mantelprogramm sowie Nachrichten aus Bayern, Deutschland und der Welt (in verschiedenen Formaten). Getragen wird die BLR von drei Gesellschaftern:

  • Mediengesellschaft der Bayerischen Tageszeitungen für Kabelkommunikation mbH & Co. Radio 2000 KG, mit Sitz in München
  • RSG Rundfunk Service GmbH, mit Sitz in Nürnberg
  • Studio Gong GmbH & Co. Studiobetriebs KG, mit Sitz in München