Über Unterhaltung oder „Happy Birthday, Frank Elstner!“

Viktor Worms an seinem-Schreibtisch im seinem Buero in TutzingDie Mediaanalyse 2022 Teil 1 ist in diesen Tagen veröffentlicht worden und wie jedes Jahr zweimal haben es die einen immer gewusst, andere bezweifeln das System – was sie übrigens nicht tun, wenn sie gewinnen – und es gibt wie so oft Tausende Erklärungen. Ich habe, glaube ich auch schon oft an dieser Stelle meinen Senf dazugegeben und mich oft genug geirrt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch jetzt ist es, glaube ich, müssig über Einzelfälle schlaue Theorien in die Welt zu setzen, aber eine wage ich dann doch.

Radio-Legende Frank Laufenberg hat vor einigen Tagen hier in einem bemerkenswerten Interview über genau diese Massenprogramme gesprochen, dabei allerdings – glaube ich – den Fehler gemacht, die Probleme dieser Flagschiffe auf das gesamte Radio zu beziehen. Das nämlich ist so vielfältig wie es nie war. Dank Netz und DAB, dank grenzenlosem Empfang können wir Tausende Programme empfangen, wenn wir nur wollen. Selbst auf UKW hierzulande, gibt es nicht nur die populären Massenwellen, es gibt eben auch Deutschlandfunk, die Kultur und Wortprogramme der ARD und international kann zum Beispiel der Jazzfan aus Tausenden sein Liebstes wählen. Die alten Zeiten, in denen wir das Transitorradio aus dem Fenster hängen mussten, um irgendwie die fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg über Mittelwelle hören zu können, sind vorbei. Nein, das Radio geht nicht unter und ich widerspreche dem hochgeschätzten Frank Laufenberg, früher war die Auswahl nicht größer, sie war kleiner. Die MA hat im Übrigen bewiesen, insgesamt sind die Nutzerzahlen weitgehend stabil trotz Podcast und Streamingdiensten. Es ist halt mühsamer zu suchen. Das ist wie bei 30 guten Restaurants in deiner Stadt: Gehst Du nur zu Mc Donalds wird’s irgendwann öde, gehst Du auf die Suche wird es kulinarisch.

Ich glaube an die Zukunft der ACs als „Deckel über der Gesellschaft“ und verteufele sie mitnichten – nur sie müssen sich ein Stück weit neu erfinden. Musikforschung allein wird nicht helfen.

Es gab und gibt ein Buch von Neil Postman „Wir amüsieren uns zu Tode“ und was er in diesem Buch meint ist „Wir unterhalten uns zu Tode“.

Es geht um die Bilder, die wir unserem Publikum tagtäglich in den Medien liefern und was passiert, wenn die Zerstreuung an die Stelle des Erkenntnisgewinnes tritt. Ich glaube tatsächlich dieses Werk hat sich ein wenig überholt, denken wir ans populäre Radio – wohlgemerkt das Populäre oder die Massenprogramme.

Wir unterhalten uns eben viel zu wenig. Ja, auch die öffentlichen-rechtlichen Programm haben den Auftrag zu unterhalten. Ich habe diesen Kampf als Unterhaltungs-Chef des ZDF geführt und nur bedingt gewonnen – ne, verloren! Was Radio angeht, habe ich gerade gesagt, ich fühle mich von vielen Programmen sehr gut informiert und finde hier in Bayern zum Beispiel mit BR 24 oder Bayern 2 Kultur, in Berlin mit Radio 1 in Hamburg mit NDR KULTUR oder…., wenn ich denn will, sehr wohl bemerkenswerte Programme. Mein Problem, als Kind des Populären ist vielmehr die Unterhaltung in Massenprogrammen und damit zu meinem Thema: Jenseits der Musik suche ich im Radio gute Unterhaltung, Spaß, das Alberne, die Zerstreuung im Alltäglichen. Wir haben die Unterhaltung in den populären „AC-Programmen“ weitgehend in die Hände der Musik gelegt und da davon durchgetestet bis zum „Geht nicht mehr“ alle mehr oder weniger das Gleiche spielen, brauchen wir die Unterscheidung für die Marktführerschaft.

Wo sind die Überraschungen im Programm, wo sind die Kollegen, die mich lachen machen, die mir durch ihre Erzählungen und ihre Erzählweise amüsieren oder mit dem Unerwartetem begeistern?

Und da bin ich wieder einmal bei meinem Thema:
Wir haben grossartige Journalistenschulen, Studiengänge für angehende Publizisten, Sprachangebote und, und, und. Wo lernen junge Medienschaffende das Leichte?

Nein, Herr Postman, wir amüsieren uns nicht zu Tode, zumindest nicht im Radio. Das Problem für unser Radio ist nicht die Beschränkung auf einminütige Wortbreaks (manchmal auch das), das Problem ist das „was“ und das „wie“. Das Leichte ist so schwierig und fragen mich junge Absolventen meiner Ausbildungen, wo kann ich das lernen, dann bleibt mir meist nur : „Geh` suchen und hör die Guten!“

Frank Elstner Autogrammkarte (Bild: © SWR / Jacqueline Krause-Burberg)
Frank Elstner Autogrammkarte (Bild: © SWR / Jacqueline Krause-Burberg)

Ich habe das hier so ähnlich schon mal geschrieben und es viel mir nur deshalb wieder ein, weil ich für meine kleine Show auf OLDIE ANTENNE (Netz und DAB+) an seinem 80. Geburtstag (19.4. um 15.00 Uhr) mit dem wunderbaren Frank Elstner ein langes Interview geführt habe. In der Tat, bei Radio Luxemburg gab es diese Ausbildung und viele große Namen standen und stehen dafür, bei SWR 3 unter Programmchef Peter Stockinger gab es sie ebenso, aber wo können heute junge Leute das „Handwerk“ des Unterhalters lernen? Im Fernsehen ist dieses Manko daran zu erkennen, dass wir fast nur noch Formate aus dem Ausland übernehmen, wenn nicht gerade Joko und Klaas ihre Finger im Spiel haben, und im Radio….? Als „Spiegel für Befindlichkeiten“ wie es auch geschätzte Kollegen von mir propagieren taugen wir in Zukunft nur noch sehr bedingt.

Ich habe nichts gegen Musiktests – wir leben in einem knochenharten Wettbewerb. Die herrlichen Monopolzeiten, die Frank Laufenberg und ich genossen haben, sind vorbei. Aber gerade weil wir Musik testen und uns nur wenig (zu wenig) Spielfeld gönnen, um wirklich klanglich und abwechslungsreich zu programmieren, brauchen wir die „Überrascher“ und die Überraschung im Wort, in der Comedy und im Kontakt mit dem Hörer. Und dabei bringt uns das ständige Schwelgen in seligen Erinnerungen gar nichts. Wir müssen aber nach heutigen Standards und mit jungen Menschen das machen, was wir im Journalistischen und im Sprachlichen auch tun: Ausbilden. Meldungen verbreiten kann jeder, wir müssen die Geschichte des einen Menschen erzählen, der sie zum Leben erweckt.

Es gibt doch Schauspielschulen, es gibt auch Radio-Akademien, journalistische Studiengänge aber wo ist die Ausbildung, die unsere Macher lehrt, zu überraschen.

Frank Elstner im Radio Luxemburg-Studio (Bild: privat)
Frank Elstner im Radio Luxemburg-Studio (Bild: privat)

Macht den Menschen Spass, schafft Überraschungsmomente und als Verehrer des großen Frank Elstner schließe ich mit einer Anekdote (die sogar stimmt): Als ich bei Radio Luxemburg in den 80ern lernte, hatte ich wie alle Kollegen einen „Horror“: Du begegnetest auf dem Gang dem Chef Frank und er hatte nahezu immer eine Frage an Dich: „Sie hatten doch eben Sendung, wo haben sie mich überrascht?“ oder „Wo habe ich gelacht?“ Vor deiner nächsten Sendung bist du nochmal über Deine komplette Show gegangen und hast überlegt: „Wo bin ich lustig? Nicht, dass ich den Morgen wieder treffe!“ Auch das war eine Art Ausbildung und alle Ex-Kollegen von Antenne Bayern wissen jetzt, dass dies nicht auf meinen Mist gewachsen war. Danke, Frank und Happy Birthday!

Wenn es sie denn irgendwann gäbe, die Unterhaltungsschule, ich hätte einen Namen: „Frank Elstner-Akademie“.

Kleiner Tipp: Frank Elstner auf der OLDIE ANTENNE am 19. April 2022 um 15.00 Uhr.


Über den Autor

Viktor Worms (Bild: WMP)
Viktor Worms (Bild: WMP)

Viktor Worms moderierte die ZDF Hitparade, war Programmdirektor bei ANTENNE BAYERN und ZDF-Unterhaltungschef. Er war in den vergangenen Jahren als Strategie- und Moderationscoach u.a. tätig für REGIOCAST, ZDF und das Bayerische Fernsehen, DRadio Wissen, bigFM, ROCK ANTENNE sowie die ARD.ZDF Medienakademie. Er ist seit 2015 Jurymitglied des Deutschen Radiopreises. Neben seiner Tätigkeit als TV Producer ist er Vorstand der Hugo-Tempelman-Stiftung sowie Beirat der Tabaluga Kinderstiftung.