Frank Laufenberg: „Radio regte früher die Phantasie an – das hat sich inzwischen geändert“

SWF3-Pop Shop-Team 1970 (Bild: Frank Laufenberg)Plötzlich waren sie da – die ersten Jugendangebote im deutschen Radio. Die Rede ist hier nicht von Wellen wie 1LIVE, FRITZ oder N-JOY. Nein, eher von deren fast vergessenen Vorläufern – den „Zielgruppensendungen für Jugendliche“ (so die damalige Diktion) aus den späten 1960er- und 1970er-Jahren: also “Radiothek“ (Westdeutscher Rundfunk), “Point“ (Süddeutscher Rundfunk), “Pop Shop“ (Südwestfunk), “Zündfunk“ (Bayerischer Rundfunk), “S-F-Beat“ (Sender Freies Berlin), “Hallo Twen“/“Drugstore 1421“ (Saarländischer Rundfunk),  “Treffpunkt“ (RIAS), “Teens Twens Top-Time“/“R-u-m-m-s“ (Hessischer Rundfunk), “Rizz“ (Radio Bremen), “Die Musicbox“ (Österreichischer Rundfunk) oder “Club“ (Norddeutscher Rundfunk).

MusicMaster Version 8

Die Einführung dieser Angebote erwies sich mit dem einhergehenden Siegeszug der Pop- und Rockmusik – sowie den tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen ab der zweiten Hälfte der  60er Jahre – als kluger Schachzug der Programmverantwortlichen. Man ließ den meist blutjungen Moderatoren mit ihren gegen Strich gebürsteten Sendeideen freien Lauf und lockte damit die – von der seinerzeit sehr konservativen Programmwelt gelangweilten – Teens und Twens scharenweise zum Radio. Dort liefen auf neuen rauschfreien UKW-Wellen statt Schlagern und weichgespülten Evergreens plötzlich anglo-amerikanische Rocksongs vom Schlage Jimi Hendrix, Rolling Stones, The Doors, Santana, Pink Floyd oder Deep Purple. Aber auch erster ernstzunehmender Deutsch-Rock von Can, Ihre Kinder, Birth Control, Udo Lindenberg und Eloy. Gemischt mit den Stücken kritischer Liedermacher wie Hannes Wader, Reinhard Mey oder Franz Josef Degenhardt. Die Hörer liebten den durch die unverbrauchten und aufmüpfigen Persönlichkeiten am Mikrofon angefachten frischen Wind – mussten sie doch bei der Wahl ihrer Musik nun nicht mehr länger bei Radio Luxemburg, AFN oder BFBS einschalten. Die Resonanz auf die neuen Sendungen wuchs explosionsartig. Untersuchungen zur Hörerreichweite der “WDR Radiothek“ förderten 1976 beispielsweise zutage, dass in Nordrhein-Westfalen jeder zweite zwischen 14 und 29 Jahren diese Sendung mehrmals in der Woche einschaltete.

Nach ihrer Blütezeit in den 1970er Jahren verschwanden die Jugendformate der ersten Stunde wieder aus den unterschiedlichsten Gründen von der Bildfläche: Senderfusionen beziehungsweise -einstellungen, Veränderungen im Zeitgeist der jungen Generation, eine deutliche Kommerzialisierung beziehungsweise Entpolitisierung der Musikszene, das Aufkommen privater Radiokonkurrenz sowie des Musikfernsehens – aber auch hausgemachte Probleme wie die erfolgreiche Einführung der ARD-Servicewellen ließen das Interesse an den Jugendsendungen abkühlen. Irgendwie, so hatte man auch den Eindruck, hatten sich die Konzepte überlebt und ausgedient. Die allermeisten der damals so erfolgreichen Shows sind Geschichte. Geblieben ist bis heute der 1974 gegründete „Zündfunk“ auf Bayern 2 – dies jedoch mit spürbar verändertem Charakter.

 

„Ich habe mir die aktuelle deutsche Hitparade angehört – und bin so dankbar für die Gnade meiner frühen Geburt“

 

Eine Vorreiterroller beim Aufbau junger Angebote nahm damals der Südwestfunk mit seinem “Pop Shop“ ein.  Die Wurzeln lagen in der Sendung “Stars und Hits“, die gegen Ende der 1960er-Jahre jeden Samstag als Hitparade im ersten Hörfunkprogramm des SWF lief. Sie wurde von Redakteur Walther Krause begründet und moderiert, der den damaligen SWF-Hörfunkdirektor Manfred Häberlen von einem neuen Sendekonzept überzeugte, der sogenannten „Selbstfahrersendung“. Der damals 31-jährige Krause hatte zuvor in den USA hospitiert und sah bei verschiedenen Radiostationen, wie ein einzelner Mensch als Redakteur, Moderator und Techniker in Personalunion arbeitete. Gegen anfängliche Widerstände führte er Ende 1968 mit großem Erfolg die “Stars und Hits“-Hitparade ein. Daraufhin entwickelte Häberlen die Idee, auf der dritten UKW-Senderkette, die seit ihrem Sendestart am 3. August 1964 in der Hauptsache für mehrsprachige Gastarbeiterprogramme diente, ein Format speziell für die junge Generation zu etablieren. Häberlen beauftragte Krause 1969 damit, diese Aufgabe zu übernehmen. So wurde daraus ab dem 1. Januar 1970 der “Pop Shop“. 

“Pop Shop“ bestand genau genommen aus einer Programmfolge von Sendungen mit diversen Einzelnamen (wie “Openhouse“ oder “Antihits aus Deutschland“). Der Schwerpunkt lag bei Rock- und Popmusik mit ausführlichen Informationen über die Bands, Interpreten und Interviews, dazu deutsche und internationale Hitparaden. In der ersten Zeit wurden die „Popshopler“, wie es heißt, im eigenen Kollegenkreis noch eher mitleidig belächelt, bald schon etablierte sich das Format als eines der populärsten Sendekonzepte im deutschen Hörfunk der 1970er-Jahre. 

oben: Walther Krause, Guido Schneider / unten: Karlheinz Kögel und Frank Laufenberg (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
oben: Walther Krause, Guido Schneider / unten: Karlheinz Kögel und Frank Laufenberg (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

Tatsächlich hatte der “Pop Shop“ in Sachen Musikkompetenz die Lufthoheit im Sendegebiet übernommen. Die jungen Wilden waren neugierig, spürten täglich neue Trends und Künstler auf – von Bowie bis Genesis, blickten bewusst aber auch über den Tellerrand des Mainstreams hinweg. Über alles, was musikalisch interessant war, wurde berichtet – eine Tradition, die auch im heutigen SWR3-Programm weiter gepflegt wird. Die Präsentationen von neuen Platten und Bands durch die „Pop Shop“-DJs waren Kaufbefehle für die Hörerschaft. 

Pop Shop-Team 1970er-Jahre. Obere Reihe: Bernd Mohrhoff, Hans-Jürgen Kliebenstein, Guido Schneider – Untere Reihe: Frank Laufenberg, Karlheinz Kögel, Robert Jacobs, Walther Krause. (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
Pop Shop-Team 1970er-Jahre. Obere Reihe: Bernd Mohrhoff, Hans-Jürgen Kliebenstein, Guido Schneider – Untere Reihe: Frank Laufenberg, Karlheinz Kögel, Robert Jacobs, Walther Krause. (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

Zu den Moderatoren der ersten Stunde zählten neben Walther Krause, Frank Laufenberg und Karlheinz Kögel. Dazu kamen später Hans-Jürgen Kliebenstein, Gerhard Irmler, Elke Heidenreich und Bernd Mohrhoff hinzu.

SWF3-Pop Shop-Team 1970 mit Walther Krause, Frank Laufenberg und Karlheinz Kögel. (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
SWF3-Pop Shop-Team 1970 mit Walther Krause, Frank Laufenberg und Karlheinz Kögel. (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

Beliebtestes Aushängeschild innerhalb der “Pop Shop“-Mannschaft war der in Köln aufgewachsene Frank Laufenberg. Von 1967 bis 1970 arbeitete er als Künstlerbetreuer für die Schallplattenfirma Electrola. Musik- und Mikrofonerfahrung hatte Laufenberg schon ab 1963 als DJ in etlichen Kölner Diskotheken gesammelt. Durch die Begleitung eines Popstars zu einem Hörfunk-Interview im Auftrag der EMI kam er Anfang 1970 mit Walther Krause in Kontakt. Der “Pop Shop“-Chef stellte ihn für zwei Wochen auf Probe ein. Aus dieser einen Woche wurden bis heute mehr als 53 Jahre im Dienste des Radios.

Frank Laufenberg Pop & Rock-Almanach

Frank Laufenberg arbeitete über die Jahre für zahlreiche Radio- und Fernsehsender. Er verfasste Monografien über Joe CockerCliff Richard und Deep Purple sowie zahlreiche umfassende Bücher über die Geschichte der Popmusik – unter anderem “Frank Laufenbergs Rock- und Pop Lexikon“, das noch immer zu den Standardnachschlagewerken innerhalb der Musikredaktionen deutscher Radioprogramme zählt. Meyers Großes Universal-Lexikon verwendet seine Definition und Erläuterung zum Thema Rockmusik. Sein “Rock und Pop Diary“ ist in allen englischsprachigen Ländern als Übersetzung erschienen.

 

„Wenn ich heute Radio höre, bin ich manchmal doch sehr erschrocken, wie wenig sich geändert hat. Immer noch derselbe Ablauf: Kopfmod, 2 Titel – eine kurze Ansage, eine Musik, ein Beitrag, zwei Titel“

 


In einem zweiteiligen Interview mit RADIOSZENE spricht die – zwischenzeitlich in der Eifel beheimatete – Radiolegende über seine lange Medienkarriere, die Musikszene sowie das Radio von gestern und heute. 

RADIOSZENE: Herr Laufenberg, Sie dürften zwischenzeitlich der Dienstälteste unter den noch aktiven deutschen Radiomachern sein. Weit über 50 Jahre für das Radio tätig, reichlich Fernsehen gemacht, eine Vielzahl an Büchern geschrieben, beraten, einen eigenen Sender gegründet und sogar gesungen … woher nehmen Sie die Kraft heute noch mit der gleichen Freude Sendungen zu machen wie in 1970?

Frank Laufenberg (Bild: privat)
Frank Laufenberg (Bild: privat)

Frank Laufenberg: Ein Spruch meiner Mutter war: „Du machst nur gut, was Du gerne machst“ – und während andere Kinder in meinem Umfeld in Köln-Ehrenfeld Lokomotivführer, Feuerwehrmann oder Polizist werden wollten, war ich schon als 10jähriger vom Radio und von dem magischen Auge fasziniert – das wollte ich unbedingt auch machen! Im Lied “Radio Gaga“ von Queen heißt es: „Ich saß alleine und habe dein magisches Auge beobachtet, mein einziger Freund in meinen Kindertagen. Und alles, was ich wissen musste, wusste ich aus dem Radio. Du spieltest all die großen Stars, und wir waren dabei, als die Marsianer einen Krieg mit der ganzen Welt begannen – du brachtest uns zum Lachen und zum Weinen – du gabst uns das Gefühl, wir könnten fliegen!.“ Gut, ich hatte auch ein paar reale Freunde – aber das Radio bestimmte doch auch deren Tagesablauf mit. Wenn bestimme Hörspiele kamen, wie zum Beispiel beim NWDR  Francis Durbridge und die “Paul Temple“-Folgen, da wurden sämtliche Straßenaktivitäten abgebrochen und man begab sich vor das Radio. Ich erinnere mich immer noch an die Stimme von René Deltgen, der viele Folgen den Paul Temple sprach. Spannung pur! Oder an die Stimme von Mathias Wiemann, dessen wunderbar weiche Stimme ich liebte. Er war im Hörspiel “Der alte Mann und das Meer“ die Hauptfigur – und danach kaufte ich mir das RoRo-Taschenbuch, das ich heute noch habe. Radio regte die Phantasie an – das hat sich inzwischen geändert.

Als mich der SWR 2010 „in den wohlverdienten Ruhestand“ schickte, wurde ich gefragt, ob ich denn froh sei, das damit mein Arbeitsleben vorbei sei – ich  antwortete: „Wieso: ich habe doch mein Leben lang nicht gearbeitet – ich habe doch nur meinem Hobby gefrönt“ – und so ist es heute noch. Und weil ich gerne Radio gemacht habe, macht mir Radio heute noch so viel Spaß wie 1969, als ich meine ersten Sendungen für SDR in Stuttgart machte.
Eins ist natürlich auch sicher: Queen singen, dass das Radio “my only friend“ war – die Jugendlichen der 2020er Jahre haben “many friends“, haben dank ihrer Rechner und so weiter Verbindung rund um die Erde. Dass bei ihnen das Radio eine untergeordnete Rolle spielt, ist zwangläufig ob der Vielfalt der Angebote. Ich schrieb vor einiger Zeit auf meiner Homepage: „Ich habe mir die aktuelle deutsche Hitparade angehört – und bin so dankbar für die Gnade meiner frühen Geburt“. Fairerweise muss ich allerdings auch zugeben, dass ich nicht mehr die Zielgruppe der heutigen Hitparaden bin – es also völlig normal ist, dass ich das, was sich dort tummelt, zu großen Teilen nicht gut finde. 

RADIOSZENE: Sie arbeiten heute für SR3 Saarlandwelle und natürlich für Ihr eigenes Internetradio PopStop, das Sie 2013 gegründet haben …

Frank Laufenberg: Die wöchentlichen Beiträge für SR3 machen mir großen Spaß – in dem für mich zuständigen Redakteur Christian Job habe ich einen Menschen, der wie ich ein wenig radioverrückt ist – was nichts Negatives ist! Bei PopStop – Das Musikradio bin ich “Programmdirektor“, der allen Mitwirkenden versprochen hat, dass sie für die Inhalte ihrer Sendungen selbstverantwortlich sind. Ich möchte, dass man in unseren moderierten Sendungen eigenständige Charakteren heraushört. Mit demjenigen, mit dem ich das Radio 2013 konzipierte, wurde das schon damals festgelegt – und so ist es auch geblieben. Schon damals war unser Motto: „Format haben bei uns nur die Moderatoren – nicht die Musik unserer Sendungen – Vielfalt statt Einfalt!“. Und so machen wir tagsüber ein Musik-Programm aus über 6.000 Titeln ohne jegliche Moderation – und ab 17.00 Uhr bis 24.00 Uhr kommen an den Wochentagen moderierte Sendungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Am Wochenende senden wir von 8.00 Uhr bis 24. Uhr moderierte Sendungen.

Frank Laufenberg und Christian Job (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
Frank Laufenberg und Christian Job (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

Meine Vorstellung, dass PopStop mit einem Knall der große Renner werden würde, hat sich nicht erfüllt. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass es einfach zu viele Internet-Radios gibt – in weltweit um die 30.000. Die meisten davon sind allerdings froh, wenn sie mehr als 10 Hörer haben. Natürlich sind im Ranking der Internet-Radios Stationen wie SWR3 und die anderen ÖR-Sender oben. PopStop hat es immerhin geschafft, sich unter den ersten 100 Stationen zu positionieren. Darauf bin ich sehr stolz, denn unsere Mannschaft besteht aus rund 20 Menschen, die die Liebe zum Radio und zur Musik eint. Alle machen ihre Arbeit als “Ehrenamtliche“ – die Kosten für GEMA, GVL und Streaming werden vom PopStop Freunde Club aufgebracht, der inzwischen immerhin 165 Mitglieder hat.

 

„In der Vergangenheit versuchten die Privaten, das Niveau der ÖR zu erreichen – heute scheint es umgekehrt!“

 

RADIOSZENE: Welche Personen hören PopStop? Wer sind die Gestalter dieser Sendungen?

Walther Krause und Frank-Laufenberg 1973  (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
Walther Krause und Frank-Laufenberg 1973 (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

Frank Laufenberg: Was ich über die Macher sagte, gilt auch für unsere Hörer: Menschen die Musik lieben und die sich auch für die Hintergründe interessieren. Viele schreiben uns, dass sie das, was wir machen, bei den ÖR vermissen. Schon in den 1980er-Jahren kristallisierte sich heraus, dass Musik zwar der Hauptbestandteil der Sendungen von SWF/R3 und Konsorten waren, aber wesentlich mehr Aufmerksamkeit auf die Wortbeiträge gelegt wurde. Somit wurde die Musik so etwas wie ein „notwendiges Übel zwischen den wunderbaren Wortbeiträgen“, wie ich damals zynisch anmerkte. Unsere PopStop-Hörer möchten Informationen zur Musik und zu den Musikern – und keiner von uns käme auf die Idee, für die musikalischen Hintergründe eine zeitliche Begrenzung (‚und bist Du noch so fleißig, gesendet wird 1’30!) einzuführen. Es gibt Wortbeiträge, die sind schon nach 50 Sekunden langweilig – und es gibt Wortbeiträge, die durchaus 5 Minuten Spannung halten! 

Zu unseren Moderatoren gehören Persönlichkeiten, die über viele Jahre in diesem Business gearbeitet haben – nehmen wir zum Beispiel Heinz Canibol, der bei mehreren Plattenfirmen die höchsten Positionen bekleidete, bis er seine eigene aufmachte: 105 Records. Er hat mit unglaublich vielen Künstlern Dinge erlebt, über die er heute authentisch erzählen kann – nicht etwas, was er irgendwo gelesen, sondern erlebt hat! Oder Dave Colman, der durch seine Arbeit als Musiker und Radiomacher (WDR) viele Dinge erlebte, über die er heute erzählt. Thomas Brockmann, der beim SWR oder Die Neue Welle arbeitete beziehungsweise heute noch arbeitet und viele öffentliche Veranstaltungen durchgeführt hat, Stefan Fuchs (BR, SAT1, und heute noch SWR-TV), Hans Meiser, mit dem ich schon Anfang der 1970er-Jahre bei SWF3 zusammenarbeitete und der später eine große Nummer bei RTL wurde, Drummer Jürgen Zöller, der als Studiomusiker mit unendlich vielen Acts und über etliche Jahre mit BAP trommelte, Richard Fischbacher, seit den 70er Jahre eine Größe im Schweizer Radio, oder Pit Weyrich, der als Regisseur, TV-Moderator und Radiomann beim NDR über eine jahrelange Erfahrung mit Künstler verfügt. 

PopStop-Treffen 2019 (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
PopStop-Treffen 2019 (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

RADIOSZENE: Sie kennen über Ihre langjährige Tätigkeit beim Hörfunk beide deutschen Radiosysteme? Wo haben Sie sich heimischer gefühlt?

Frank Laufenberg: Im Laufe der Jahre habe ich auch bei einigen Privatradios gearbeitet, zum Beispiel bei RPR1. Am Ende der 1980er-Jahre traf ich dort auf eine Riege von sehr engagierten Radiomachern – allen voran Dieter Mauer. Aber als er ging, veränderte sich der Sender doch sehr. Und heute nach all den Jahren und den Erfahrungen auch bei anderen Privatradios bin ich doch stark der Meinung, dass ich bei den ÖR sehr viel besser aufgehoben war. Als ich 2008 einen Gehirnschlag erlitt, sorgte der SWR dafür, dass ich mit Hilfe von Studiotechnikern schnell wieder Sendungen machen konnte. Das hat sehr viel zu meiner zügigen Genesung beigetragen – und wäre bei den Privaten sehr wahrscheinlich nicht passiert!  

 

„Was heute, nicht nur im Radio, sondern auch im TV fehlt: der lange Atem, die Ruhe in der Entwicklung – und wenn es nicht auf Anhieb klappt, trotzdem weitermachen“

 

RADIOSZENE: Ihre schönste Zeit beim Radio?

SWF3 Schwarzwald-Elch
Frank Laufenberg: Wenn ich heute zurückblicke, welche Phase in meiner Radiozeit die schönste war, komme ich immer wieder auf die Zeit von 1970 bis 1975, als die Grundlage für SWR3 gelegt wurde. Unter der Leitung von Walther Krause wurden pausenlos neue Sendungen erfunden, ausprobiert, modifiziert und wieder verworfen. Keiner innerhalb des SWFs redete uns herein, alles konnte in Ruhe ausprobiert und weiterentwickelt werden – und das fehlt heute, nicht nur im Radio, sondern auch im TV: der lange Atem, die Ruhe in der Entwicklung – und wenn es nicht auf Anhieb klappt, trotzdem weitermachen. Innerhalb des SWF wurden wir am Beginn belächelt – aber nicht lange! Ab 1973 wurde ich in diversen Musikzeitschriften von den Lesern zum beliebtesten DJ Deutschlands gewählt – und SWF3 zum beliebtesten Sender.

POPSTOP Das MusikradioDieses Ausprobieren von Sendungen ist etwas, das ich mit PopStop immer noch mache. Sendungen werden angedacht, gefeilt und dann auf längerer Reise geschickt. Keiner muss Angst haben, dass eine neue Idee nach 5 Sendungen wieder im Orkus verschwindet, weil sie noch nicht den Erwartungen entspricht. 

Über das ÖR-Radio des Jahres 2022 kann ich wenig sagen – ich muss unsere eigenen Sendungen hören und selbst welche machen – da bleibt wenig Zeit, ausgiebig andere Sender zu hören. Wenn ich aber dann mal im Auto Radio höre, bin ich manchmal doch sehr erschrocken, wie wenig sich geändert hat. Immer noch derselbe Ablauf: Kopfmod, 2 Titel – eine kurze Ansage, eine Musik, ein Beitrag, zwei Titel……. 

RADIOSZENE: Die gravierendsten Unterschiede zwischen ARD und Privatfunk?

Frank Laufenberg beim SWR TV in den 1980er Jahren (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)
Frank Laufenberg beim SWR TV in den 1980er Jahren (Bild: Privatarchiv Frank Laufenberg)

Frank Laufenberg: In der Vergangenheit versuchten die Privaten, das Niveau der Öffentlich-Rechtlichen zu erreichen – heute scheint es umgekehrt!

RADIOSZENE: Wo hat sich der Hörfunk über die Jahre am meisten verändert? Wo sind die Mechanismen die Gleichen geblieben?

Frank Laufenberg: Fünf Regler galt es am Disk-Pult zu bewegen: zwei Plattenspieler, eine Bandmaschine, zwei Mikros. Inzwischen ähneln die Studios dem Cockpit eines Jumbo-Jets. Aber die Mechanismen sind dieselben: Mikro auf, Platte ab, Mikro auf …

RADIOSZENE: Wie hilfreich ist eine gesunde Konkurrenz zwischen Radioprogrammen? Vor der Privatfunkzeit gab es diesen Wettbewerb nur eher selten – wie etwa zwischen RIAS und SFB. Oder zwischen SWF und Süddeutschem Rundfunk …

Frank Laufenberg: Konkurrenz belebt das Geschäft – sagte man früher. Heute ist durch die Vielzahl der Programme eines Senders die Konkurrenz ja schon im Hause. In meiner Jugend waren der WDR und BFBS die großen Konkurrenten – dann kam, aber nur über MW, Radio Luxemburg mit seinen “Fröhlichen Wellen“ – das ging mir schon auf den Keks – diese aufgesetzte Fröhlichkeit, die sich grade in den Morgenstunden bis in die heutigen Programme fortsetzt. Nachdem dann eine Handvoll von Beratern allen Sendern immer wieder dieselben Ratschläge gaben, war der Einheitsbrei programmiert.

Alle Fotos ©Fotoarchiv Frank Laufenberg

Hier geht es zu Teil 2 des Interviews mit Frank Laufenberg