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Radiozeiten: Radio kulturell und philosophisch betrachtet

Wenn ein ehemaliger Rundfunkredakteur ein gedrucktes Essay verfasst

Stephan Krass (Bild: © Nils Menrad)
Stephan Krass (Bild: © Nils Menrad)

„Radiozeiten“ ist eine Reise durch 100 Jahre Radio. Es liest sich wie Salonliteratur und erspart einem die allbekannten, anderswo zu diesem Thema erschienenen Radiogeschichten der Vergangenheit, gräbt dafür andere, unbekanntere aus. Adorno & Co. kommen stark zum Tragen, ebenso andere, schwierigere Charaktere wie Gottfried Benn und Max Frisch, deren Gemeinsamkeit oft ist, dass sie kein Radio mögen, aber davon leben.

Radiozeiten: Vom Ätherspuk zum Podcast

Ja, das Buch ist sehr sozialkritisch und man könnte fast glauben, der Autor möge Radio auch nicht – doch im Gegenteil, es war ja sein Beruf: Stephan Krass war bis 2017 Hörfunkredakteur beim SWR, ist aber außerdem Autor von Features, Hörspielen und literarischen Texten und lehrt an Hochschulen. Logisch, dass sein Radiointeresse auch in diese Bereiche fällt, in interaktive Projekte, mit denen man die Hörer dann doch überforderte, die lieber nur „berieselt“ werden, in diesem Fall mit Wortsendungen. Deren steigende Beliebtheit und Renaissance durch Podcasts ausgelöst wurde – die einzige Entwicklung, die keiner voraussah, auch der Autor nicht.eeaaae1c1e65424590b8d952ab7d335f

Radio ist gekommen, um zu bleiben. Video did not kill the radio star.

Radiozeiten von Stephan Krass (Cover) (Bezahlter Link)

Ansonsten geht es um Lindbergh und Brecht, der diesen Namen in seinem Gedicht „Der Ozeanflug“ entfernte, weil Lindbergh sich als Antisemit erwies. Um Radiogeräte, in denen es spukt. Um einen Ausnahmepianisten, den die Nazis ermordeten und über den Werner Höfer damals systemkonform negativ berichtet hatte. Natürlich um Sender der Nazis und der Alliierten. Verschwundene Pausen und Stille.  „Sitzredakteure“ und „Sitzsprecher“. Viel Kulturpessimismus. Und doch interessante, vergessene Projekte. Während Outlaws, die sich etabliert haben, wie Radio Caroline, das heute legal sendet, dem Autor nicht mehr hip genug erscheinen.

Bei der Technik finden sich schon einmal Fehleinschätzungen – transistorisierte Autoradios kamen erst zehn Jahre später, Mitte der 60er auf. Dies ist nicht das Revier des Autors. Doch insgesamt lautet die Aussage: Radio ist gekommen, um zu bleiben. Video did not kill the radio star.

Stephan Krass: Radiozeiten
Erscheinungsdatum: 28. September 2022
Hardcover, 256 Seiten, ISBN: 978-3-866-74834-7
Zu Klampen Verlag, 24 €
Das Buch „Radiozeiten“ kann u.a. hier online bestellt werden. (Bezahlter Link)

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