Valerie Weber begann ihre steile Radio-Karriere 1986 in Erlangen bei Radio Downtown. Sie moderierte bei Privatradios wie Rock Radio N1 und Radio F in Nürnberg und wurde Mitte der 90er Programmdirektorin von Ostseewelle HIT-RADIO Mecklenburg-Vorpommern, später Antenne 1 in Stuttgart und Antenne Bayern, bevor sie 2014 als Hörfunkdirektorin für 8 Jahre zum WDR ging.2.
Anfang 2022 wurde sie nun Geschäftsführerin Programm der Audiotainment Südwest (Radio Regenbogen, Regenbogen 2, bigFM, RPR1).
Valerie Weber: „Ich glaube nicht, dass die Privaten allein in einer Krise sind.“
Am Rande der Lokalrundfunktage 2022 in Nürnberg hatte Redakteur Philip Artelt die Gelegenheit, für RADIOSZENE ein exklusives Interview mit Valerie Weber zu führen:
RADIOSZENE: Sie kennen ja beide Welten, die private und die öffentlich-rechtliche. Die öffentlich-rechtlichen Sender können viel vom Privatfunk lernen. Aber gibt es auch etwas, was die Privaten von den Öffentlich-Rechtlichen lernen können?
Valerie Weber: Ja, absolut! Ich bin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegangen, weil ich deren sinnstiftende Inhalte immer hoch geschätzt habe und deshalb helfen wollte, sie zu erhalten. Ich wusste, wie hart gerade der WDR sparen musste. Und so habe ich dort nicht trotz des Sparkurses angeheuert, sondern wegen des Sparkurses. Vermutlich gehe ich immer dorthin, wo es am meisten wehtut. Acht Jahre war ich beim WDR und glaube, dass ich meine Erfahrung einbringen und tatsächlich auch etwas bewegen konnte und sich der WDR im Radio, Audio, Video und online hervorragend entwickelt hat.
Jetzt tut es gerade richtig weh beim Lokal- und Regionalfunk. Die privaten Stationen stehen in einer Umbruchsituation, weil sich das Konsumverhalten des Radiopublikums drastisch verändert. Die wenigsten könnten einfach das Musikkonzept ändern und auf Schlager oder Volksmusik setzen, weil da die Zielgruppe für die werbetragende Wirtschaft zu alt ist. Es bleibt derzeit noch dabei, dass die meisten auf die gleiche jüngere Zielgruppe bis 59 Jahre fokussieren. Da bietet sich Rock an, aber damit kann man – zumindest noch – nicht den Markt beherrschen.
Deshalb haben die meisten privaten Sender so ein gefälliges AC-Programm der Mitte. Das Problem aber ist, dass genau dieses Format gerade sowohl bei den öffentlich-rechtlichen als auch bei den privaten Radios Hörer verliert. Anders als bei den Öffentlich-Rechtlichen kostet das die Privaten Werbegeld, das sie kompensieren müssen. In der Folge sparen viele Sender weitere Mitarbeiter ein, dann geht es an die Inhalte, die nichts mehr kosten dürfen – und so bewegen sie sich immer weiter weg davon, Anbieter von sinnstiftendem Content zu sein und damit Publikum zu binden. Am Ende sind es aber die Inhalte und die Menschen mit ihren Ideen, die die Programme unterscheidbar machen.
RADIOSZENE: Aber diese Diskussion um Mehrwert, Benefit, lokale Inhalte haben wir doch schon so lange…
Valerie Weber: Ich glaube nicht, dass die Privaten allein in einer Krise sind. Die Hörerverluste sehen Sie bei den öffentlich-rechtlichen AC-Stationen ja auch. Nur den Privaten schmerzt das viel mehr, weil sie die fehlenden Werbeeinnahmen nicht durch Beitragsgelder ausgleichen können. Deswegen ist jeder Mitarbeiter ein großes Invest und muss an der richtigen Stelle zur Entfaltung kommen.
RADIOSZENE: …ein Beispiel?
Valerie Weber: …wir sollten uns wirklich konzentrieren auf die Tagesbegleitfunktion und zur Not eben an den Tagesränder reduzieren. Es gibt doch nichts Schlimmeres als rund um die Uhr mit Vorproduktionen den Eindruck zu erwecken, man wäre live. Dann ist es mir lieber zu sagen: Da sind wir gar nicht da, wir kuratieren gute Musik passend zur Tages-Randzeit und sagen das auch ehrlich.
Aber zu den Tageskern-Zeiten, in denen wir gefordert werden, müssen wir mit voller Kraft da sein. Da sollten wir auch den Content ausbauen. Ob das jetzt bei Nachrichten ist, die das journalistische Rückgrat des Senders sind, oder etwas anderes: alle Kraft auf die journalistischen Produkte und die neuen Formen der Unterhaltung! Und vielleicht können nicht alle rund um die Uhr Nachrichten anbieten, aber zu den wichtigsten Zeiten sind wir da und machen die besten Informationen für die jeweilige Region.
RADIOSZENE: Die großen New-Media-Unternehmen – Google, Facebook – setzen ja auch auf lokale Inhalte, mit dem Vorteil, dass sie diese von den Nutzern gratis zugeliefert bekommen. Trozdem sagen Sie, die lokalen Inhalte sind weiterhin die Stärke der Lokalsender. Kann man da auf Dauer mithalten?
Valerie Weber: Sie haben gerade den Schlüssel genannt, und der heißt User Generated Content. Sie schaffen es nicht allein. Wenn Sie als Lokalsender glauben, Sie könnten Ihr Sendegebiet mit einem Team von 20 Personen beschallen, reicht das nicht aus. Sie schaffen es nur, wenn Sie sich mit Ihrer Community so vernetzen, dass diese auch die Inhalte beibringt.
RADIOSZENE: Sie haben in Ihrer Keynote auf den Lokalrundfunktagen auch das Thema Kooperation bei den Nachrichten mit anderen Sendern erwähnt. Das klingt wie ein Aufruf zum Personalabbau.
Valerie Weber: (lacht) – Ich glaube, an vielen Stellen ist da im Lokalfunk nichts mehr abzubauen. Ich würde aber tatsächlich sagen, lassen Sie das wenige Personal nicht auch noch technologisch verhungern. Auch als Lokalsender sollten Sie sich damit befassen, ob Sie nicht durch Automation sehr viel schneller gute regionale Inhalte kuratieren, als wenn Sie versuchen, beispielsweise Ihre Online-Auftritte durch Mitarbeitende füllen zu lassen.
Die Online-Seiten von Radiosendern sind manchmal sehr traurig und da steht die Frage im Raum, ob es diese Seiten überhaupt braucht oder es besser wäre, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren, und das sind vor allem Radio, Audio und Video. Die Sachen, die man schlecht macht, sollte man gar nicht mehr machen, die Sachen, die man gut macht, dafür perfekt.
RADIOSZENE: RPR, bigFM, Radio Regenbogen, Regenbogen 2… bei Ihrem neuen Arbeitgeber, der Audiotainment Südwest kooperiert ja schon eine ganze Reihe von Sendern. Hat die Kooperationsbereitschaft auch eine Obergrenze?
Valerie Weber: Grundsätzlich sind wir offen für Networking, auch mit Lokalsendern. Wir fragen, was können wir für euch tun? Was könnt ihr vielleicht für uns tun? Das geht weg von der Haltung, dass nur wir Hilfestellung für die Lokalsender leisten, weil wir größer sind. Ich glaube, die Kraft liegt auch in der lokalen Nähe dieser Sender. Warum sollten lokale Redaktionen nicht größere Sender mit Informationen beliefern? Wir müssen aufhören zu glauben, dass wir nur Konkurrenten sind. Wir machen unterschiedliche Angebote, und deshalb lohnt es sich immer, ins Gespräch zu kommen.
RADIOSZENE: Findet das bei der Audiotainment Südwest schon statt oder arbeiten Sie noch daran, diesen Bottom-Up-Ansatz zu verwirklichen?
Valerie Weber: Wir führen Gespräche.
RADIOSZENE: Gibt es bei so viel Willen zu Kooperation noch Konkurrenz?
Valerie Weber: Immer! Ich liebe sportlichen Wettkampf und wir werden den Wettbewerb erhalten. Dieser Wettbewerb wird dazu führen, dass jeder noch eine bessere Idee haben wird, mit der man den anderen übertrumpft. Das trainiert unser Gehirn und macht uns erfolgreich.
RADIOSZENE: Frau Weber, vielen Dank für das Gespräch.