Neues Radio Luxemburg-Buch: Was wurde aus den „Vier fröhlichen Wellen“?

Radio Luxemburg war im englischen Sprachraum einst so berühmt wie später Radio Caroline. Dann wurde der deutsche Dienst jedoch zum Kassenschlager. Heute sind nur ein paar lokale Stadtsender geblieben und ein Oldie-Kanal. Der Sender aus Luxemburg ist heute eher für „Unterschichten-Fernsehen“ bekannt. Was ist passiert? Dieses Buch hat es analysiert.

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Buch von Katja Berg über Radio Luxemburg: Grenzenlose Unterhaltung (Bezahlter Link)

Radio Luxemburg, genauer gesagt, der deutsche Service – es gab auch einen englischen, als „RTL 208“ bekannt, einen französischen, einen belgischen, einen flämischen… – war der große kommerzielle überregionale Sender der späten 50er bis 80er-Jahre, in Deutschland im Saarland und in Nordrhein-Westfalen wegen der Nähe zum Nachbarland und daher gutem Empfang besonders viel gehört und heute oft nostalgisch verklärt. Auch musikalisch, heute ist Radio Luxemburg oft als Jugendprogramm in Erinnerung, was aber nur für den englischen Service zutrifft, wo Rock gespielt wurde. Das deutsche Programm bestand hauptsächlich aus „Schnulzen“ (Schlagern) und fokussierte auf Hausfrauen, weshalb es auch wegen der dazu passenden Werbung gerne als „Omo-Sender“ (nein, nicht Oma-Radio, Omo war mal ein bekanntes Waschmittel) verspottet wurde.

Schlager für die Hausfrau, nicht Rock für die Jugend

Radio Luxemburg profitierte vom Unterschied zu den öffentlich-rechtlichen Sendern jener Länder, die trockene „Bildungsprogramme“ produzierten, nicht kommerziell ausgerichtete Unterhaltung. Ebenso führte der Sender den Verkehrsfunk ein, samt Schleichwerbung für ein bestimmtes Autofabrikat, das die Fahrzeuge stellte, die sich ähnlich den „gelben Engeln“ des ADAC präsentierten.

Doch warum gingen die zuvor so beliebten „Vier fröhlichen Wellen aus Luxemburg“ Ende der 80er unter? Dieses Buch ist aus einer Dissertation entstanden und deshalb sehr trocken, aber auch sehr ausführlich; kein Buch aus Hörersicht, aber dennoch sehr interessant: Es analysiert die Technik, den damaligen Erfolg und auch das spätere Scheitern des „alten“ Radio Luxemburg.

Ohne Konkurrenz

Das Programm von Radio Luxemburg kam nicht steif bildungsbürgermäßig, sondern locker-flockig daher und sendete jene leichte Musik, die bei den öffentlich-rechtlichen Sendern verpönt war, ebenso wie Werbung, mit der große Gewinne möglich waren. Dies kam daher, weil ausgerechnet der größte ans Sendegebiet angrenzende ARD-Sender bis Ende der 1980er-Jahre keine Hörfunk-Werbung ausstrahlte.

Nur ein Kanal

Allerdings konnte Radio Luxemburg selbst diese Hörer großenteils nur über Mittel- und Kurzwelle erreichen, was ab den 70er-Jahren wegen der geringen Empfangs- und Tonqualität gegenüber dem immer beliebteren UKW nicht mehr genügte. Als die öffentlich-rechtlichen Sender sich mit Autofahrer-Servicewellen programmlich Radio Luxemburg annäherten und so bereits das spätere duale Rundfunksystem einläuteten, wurden sie beim Hörer zur interessanteren Alternative. Zudem hatten die ARD-Sender mehrere Hörfunk-Senderketten, während Luxemburg wie in den alten Mittelwellen-Tagen der ARD-Sender alle Hörer, ob Hausfrau oder Jugendliche, über nur einen Kanal erreichen musste.

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Jochen Pützenbacher, Frank Elstner und Helga Guitton im RTL Studio (Foto: Privatarchiv Jochen Pützenbacher)

Damit wird auch klar, warum RTL – den Namen führte Frank Elstner in den späten Jahren ein, um eine deutschlandtypische Drei-Buchstaben-Abkürzung für den Sender zu haben – später zunächst doch kein Interesse an einem landesweiten Kanal im DRM-Digitalradio hatte und erst einstieg, als in DAB+ mehrere Kanäle verfügbar wurden. Die Verluste beim Radio machte man dann mit Fernsehen wieder wett, bei dem erneut, aber noch konsequenter, die Quote wichtiger war als die Qualität, so dass heute Mancher denkt, RTL stehe nicht für „Radio Tele Luxemburg“, sondern schlicht für „Rammeln, Töten, Lallen“.

Selbstabschaffung

Katja Berg zeigt in ihrem Werk die Stärken, aber auch die Schwächen des Konzepts, das mit seinem Einstrahlen von außen in die Zielgebiete ähnlich wie die späteren „Piratensender“ agierte, die aus England, Holland, Belgien und Südtirol, wo sie legal waren, die Radiolandschaft veränderten und dann ein echtes duales Rundfunksystem auslösten. Wie auch jene Sender, die sich durch ihre Revolution selbst überflüssig machten, weil schließlich im Land entsprechende Programme auf Sendung gingen, hat sich auch Radio Luxemburg so schließlich überflüssig gemacht. Doch zuvor über viele Jahrzehnte erfolgreich Geld gedruckt.

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Erscheinungsdatum: 1. Februar 2021
491 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag, 46,00 € (D), 47,30 € (A)
ISBN 978-3-8353-3534-9
Wallstein, Göttingen 2021