The Price Is High For Selling Low

Kommentar zur Meldung: BLR-Schwester Radiodienst wird eingestellt“ 

bitter lemmer klein

Eine alte Verkäufer-Wahrheit lautet: Wer allein über billige Preise verkauft, zahlt irgendwann bitter drauf. Genau das passiert gerade der BLR. Seit seiner Gründung hängt der Zulieferer der bayerischen Lokalsender in einer Schleife aus Billig-Erlösen, Format-Chaos und Hoffnungs-Produkten fest. Mit der Zwangsverkleinerung steht der Laden auf der Kippe – zwischen endgültigem Ende oder Befreiungsschlag.

Es ist nicht ohne Komik, dass ausgerechnet die BLR den „Preisdruck im Markt für Radionachrichten“ als Grund für die Schließung ihrer PR-Tochter Radiodienst hernimmt. Denn es war die BLR, die diesen Preisdruck angefangen hat, damals, in den 90er Jahren. Da sah die Rechnung noch so aus, dass die finanzielle Basis aus dem heimisch-bayerischen Markt kommen sollte, wofür der damalige Geschäftsführer mit ausdrücklichem Segen der Medienbehörde einen Deal mit den Werbe-Vermarktern schloss. Die garantierten ihm ein Fixum. Der Rest war dann „on Top“, wie es so schön hieß, und bestand darin, außerhalb Bayerns Nachrichten an Radiosender zu verticken, die monatlich kleine dreistellige Beträge kosteten – und zwar für 24-stündige Voll-Abdeckung, auf Wunsch mit kürzeren oder längeren Formaten, mit oder ohne O-Töne oder sonstigen Sonderwünschen. Schon damals war klar, dass diese Rechnung niemals aufgehen könnte, denn so viele Radiosender kann es in Deutschland gar nicht geben, als dass ein Unternehmen mit solchen Preisen überleben könnte.

Der erste Mitbewerber – das war damals die NSR der RTL-Gruppe – verzog sich dann auch freiwillig aus dem Markt. Auch andere versuchten ihr Glück und gingen ebenfalls nach kurzer Zeit, etwa die britische BBC. Sie alle scheiterten an den Discountpreisen der BLR. Die Münchner sahen sich dagegen auf der Siegerstraße. Jahrelang rühmten sie sich, der größte Radionachrichtenanbieter in Deutschland zu sein. Auch der eine oder andere Politiker im Medienrat fand es toll, dass Radionachrichten aus München bis Flensburg zu hören waren. Dass diese Nachrichten immer etwas verzagt klangen – geschenkt. Dass die Arbeit bei der BLR immer ein Knochenjob war – ebenfalls. In Höchstgeschwindigkeit tackern Redakteure aus Agentur-Material ihre Meldungen zusammen und basteln daraus ein für Außenstehende undurchschaubares Konvolut aus unterschiedlichen Nachrichtenformaten zusammen. Irgendwann kam dann auch noch jemand auf die grandiose Idee, die vorhandenen – freilich eh schon ausgelasteten – Ressourcen zur Produktion von sonstigem „Audio-Content“ heranzunehmen. Wieder so ein On-Top-Geschäft, das irgendwann mal das ganz große Geld bringen sollte.

Daraus wurde aber nie etwas, und das lag an einer strategischen Fehleinschätzung der BLR-Verantwortlichen, die von einer gewissen Verachtung für das eigene Produkt zeugt. Für Product Placement und PR hatten sich seit Beginn der Nuller Jahre einige spezialisierte Agenturen mit guten Industrie- und Agenturkontakten gegründet. Die saßen an den Geldtöpfen, zu denen die BLR nie fand. Die BLR glaubte, ihr Name, ihre Nähe zur BLM und ihre Reichweitenbasis würden die Geldtöpfe ohne aktives Zutun öffnen. Tatsächlich gestaltete sich die Akquise derart schwierig, dass die BLR für ihr Mantelprogramm oder ihre Webseite selber kostenlose PR-Beiträge anderer Agenturen übernahm – an denen sie selber gar nichts verdiente. Die BLR fungierte streckenweise nur als Durchreichestation. Einen eigenen Anstrich und ein eigenes Profil legte sich das Unternehmen nie zu, weder als PR-Produzent noch als Nachrichtennetworker. Alles blieb immer low Profile.

Darum findet sich auch kaum jemand, der die BLR-Nachrichten heiß und innig liebt. Sie gelten im besten Fall als solide. Aber Abnehmer, die genauer hinhören – in Bayern wie anderswo – meckern viel – über die oft unverständliche Themenauswahl, unverständliche Texte, kraftlose Stimmen. Vermutlich wird kaum jemand der Einschätzung widersprechen, die BLR sei ein Unternehmen mit eher wenig Stolz oder Leidenschaft.

Aber vielleicht kommt ja jetzt, wo der Radiodienst vor dem Ende steht, jemand auf die Idee, dass das ewige Weiter so nicht weiterhilft. Die Grundidee ist ja immer noch richtig – warum sollte es nicht Networker geben, die möglichst vielen Radiosendern für erträgliches Geld wirklich professionelle Nachrichten und andere Beiträge liefern? Am Ende zählt halt doch die Qualität und nicht der Preis allein.

 

Christoph Lemmer Portrait 2012 100
Kommentar von Christoph Lemmer (Freier Journalist).

E-Mail: christoph@radioszene.de