Warum verzichten Radiosender auf Autoren, Produzenten und Regisseure?

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Stellen Sie sich folgende Situation im Fernsehen vor. Ein Sendeplatz für ein Unterhaltungsformat ist neu zu besetzen. Der Moderator der Sendung ist schnell gefunden. Einen Redakteur gibt es nicht, dafür redaktionelle Unterstützung vom Volontär, der eine vage Vorstellung davon hat, was in der Sendung passieren soll: Studiogäste, die über vergangene Hits im Radio und alte Zeiten reden sollen. Die neue Sendung geht live auf Sendung: ohne Autor, Produzent und Regisseur.

Undenkbar im Fernsehen, aber so funktioniert Radio! „Das kann man doch gar nicht vergleichen!“, werden jetzt einige Leser sagen. Natürlich kann man es, behaupte ich.

Radio braucht zwar keine Bühnentechniker, Kameramänner oder Maskenbildner. Aber warum sollen Radiosender auf Autoren verzichten, die Ideen für Sendungen entwickeln und spannende Geschichten Moderatoren in den Mund legen können?

Ich rede hier nicht von einem „wäre schön zu haben“, sondern von einem must-have für ein erfolgreiches Radio. 3 Beispiele?

Werbekunden kommen nicht selten mit kruden Ideen und langen Worthülsen ins Programm. Gute Autoren verwandeln die sperrige PR in einen Hinhörer. Einfach mit einer guten Idee, der richtigen Sprache und einer geschickten Umsetzung. Das freut die Werbekunden, den Verkauf, die Programmmacher und die Hörer.

Oder: Morningshows entstehen meistens so: Die Moderatoren und Redakteure treffen sich gemeinsam mit dem Programmchef und Berater im Konferenzraum eines schicken Hotels. Nach 2 Tagen stehen dann die Charakterbeschreibungen der Moderatoren auf dem Flipchart. Er ist 40, single, Macho und trinkt gerne Bier. Sie ist 30, verheiratet, 2 Kinder, familienmensch und trinkt gerne Wein.

Ein Anfang. Dabei bleibt es. Keine Autoren, die witzige, spannende, relevante und lebensnahe Geschichten entwickeln. Ein Redakteur plant die Sendung, ein Moderator präsentiert sie. Das ist ihr Job. Warum sollen sie auch kreative Autoren sein?

Und noch ein Beispiel: Hörer drehen den Lautstärkeregler immer etwas lauter, wenn Überraschendes passiert, bspw. die Live-Schalte zum Reporter, ein Malheur im Studio oder wenn ein witziger Hörer am Telefon ist. Solche Sendungen gibt es natürlich. Immer wieder. Sie sind aber oftmals nur dem Zufall geschuldet.

Für einen Moderator im Selbstfahrerstudio, der Verkehrscomputer, Maileingänge, Facebook-Postings, Nachrichtenticker und Hörertelefon im Blick hat, ist es praktisch unmöglich sich auch um die Dramaturgie der Sendung Gedanken zu machen. Wie würde die tägliche Sendung klingen, wenn ein Produzent oder Regisseur sie kreativ steuern würde?

Zurück zum Anfangsbeispiel der Chart-Show im Fernsehen. Sie werden es gemerkt haben. Ich habe das Beispiel ist nicht zufällig gewählt. „Die ultimative Chart-Show“ von RTL ist nur eine simple Idee, die aber perfekt umgesetzt wurde. Warum eine solche Chart-Show nicht in adaptierter Form im Radio läuft? Na? Sie ahnen es schon.

Sascha Baron 120

Sascha Baron ist Radiojournalist und arbeitet seit 15 Jahren für öffentlich-rechtliche und private Sender als Moderator, Coach und Berater.

Kontakt: baron@radioszene.de