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Radiostationen versagen bei Eigenwerbung – bis auf diese

James Cridland's Radio Futrure

Ich bin immer fasziniert von Eigenwerbung der Radiosender.
Für mein Lebensunterhalt habe ich schon acht Jahre lang Texte für Radio-Werbespots geschrieben. Ich habe mit Kunden zusammengesessen und ihre Werbebotschaft zurechtgeschliffen, um sicherzustellen, dass alles funktioniert und auch wirklich gut funktioniert.

Schlussendlich würde ich sagen, dass ich Kunden gut einschätzen kann. Ich würde mich letztlich sagen hören: Es reicht einfach nicht, dass Sie „eine große Auswahl an Zimmern unter einem Dach“ anpreisen. So macht’s jeder Makler da draußen. Aus welchem Grund sollten sie gerade Sie auswählen, Herr Kunde?

Radiostationen arbeiten mit einigen ziemlich guten Werbestrategen zusammen, aber seltsamerweise sollen ausgerechnet die nicht für die Radiostation und deren Eigenwerbung tätig werden! Stattdessen bekommen wir Werbeplakate mit einem Logo und die gleichen Claims vorgesetzt, die auch on air verwendet werden  – sowas wie „Hitradios bester Musikmix! 98.5 Krakel FM“.

Diese Art mag on air funktionieren. Die Zuhörer sind sich bewusst, welche Art von Musik gespielt wird, weil sie Sie bereits hören. Zu hören, dass es ein „besserer Musikmix“ ist, verstärkt die Richtigkeit ihrer Stationswahl und ist ein Kompliment für ihren Musikgeschmack.

Aber es funktioniert nicht auf einem Werbeplakat. Man kann die Musik nicht hören, also bringt die Plakatwerbung praktisch nichts rüber. Aber was noch wichtiger ist: es sagt nicht aus, was das Besondere am Radioprogramm ist. Warum jemand sich die Mühe machen sollte, den Sender einzuschalten – bietet doch das Spotify-Konto eine viel bessere Mischung.

In Australien scheint Werbung für Radiostationen vor allem aus einem Logo mit einem Bild von einigen Frühstücks-Gastgebern zu bestehen, die ich nicht kenne und die wohl hauptsächlich aus einem Werbefolder der Radiostation stammen. „Dingo, Langweiler und Frau Quassel beim Frühstück!“ ist das Markenversprechen, begleitet von einem alten Kerl in einem schreienden Hemd, einer quasselnden Frau und dem Helden, der die Tasten drückt und die Uhrzeit verkündet. Ich bin sicher, es hilft der Markenbekanntheit und Erinnerung für die Media-Analyse, aber ich bin mir nicht sicher, ob es für viele neue Zuhörer sorgt.

In Großbritannien ist die Radiowerbung manchmal vielleicht ein bisschen zu clever, es geht schließlich um einen Multi-Plattform-Radiomarkt. Befreit von der Notwendigkeit, Frequenzen bekannter zu machen, macht aber nur ein Logo mit „Heart“ es den Nichthörern noch nicht ganz klar, dass es überhaupt um eine Radiostation geht. Ich sollte auf eine Anzeige nicht lange suchen müssen, um welches Produkt es sich handelt.

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Zeitungsanzeige von KISS 92 Singapur (Foto: James Cridland)

Es war also interessant, diese Zeitungsanzeige für Singapurs KISS 92 FM zu sehen. Ich denke, sie hat folgenden Fokus:

  1. Der ganze Stolz eines Platzhirsches geht an zwei Vorzeige-Hörer (mit Altersangabe), eine ist die „Chefin“ (in Ausbildung). Man zeigt die Familienfreundlichkeit dieser Station auf. Beide sind große illustrative Vorbilder.
  2. Der Stammhörer sagt: „Ich liebe KISS 92“ – nicht nur „ich mag“, sondern „ich liebe“ – „weil sie mir Freude bringen“. Keine Aussage zum Musikformat, stattdessen eine klare Markenposition, die mit unserer eigenen Beziehung zum Radiohören zusammenfällt: es hebt unsere Stimmung.
  3. Die Frühstücks-Gastgeber sind abgebildet – die meisten auch wie Vorzeigefiguren aus. Aber sie sind ein zufälliger Teil dieser Anzeige. Die Zuhörer bekommt den Promi-Status.
  4. Ganz unten werden zahlreiche soziale Verbindungen und Wege aufgezeigt, Kontakt mit der Station aufzunehmen. Nicht, dass Sie alle brauchen würden, aber sie bieten eine andere Art des Einschaltens anstatt nur die Sendefrequenz.
  5. Das Stationslogo ist vorhanden, scheint aber nicht das Wichtigste zu sein. (Ein Logo ist nur selten wichtig für eine Radiostation, denn wenn man einschaltet, sieht man es eh nicht!)

Die alte Drehbuchautorenregel, die ich immer gerne benutzt habe, war niemals sinnvoller als hier: „Mit wem reden wir, was wollen wir von ihnen und warum sollten sie das machen?“

Vielleicht ist es für einige Radiostationen höchste Zeit, Ihre Vermarktung nach diesen Grundsätzen neu zu überdenken.

XPLR: MEDIA Radio-Report