Wir wollen auch was von der Krise!

Bitter Lemmer

Zur Wirtschaftskrise ein Vorschlag: Ein staatliches Hilfsprogramm für notleidende Radiosender, und zwar in Höhe von 64,5 Millionen Euro. Dieses Geld sollte in einen Radio-Rettungsfonds eingebracht werden. Ich weiß, in diesen Zeiten ist dieser Vorschlag total unoriginell. Also versuche ich wenigstens eine originelle Begründung.

1. Die Krise bedroht sogenannte systemische Sender. Das duale Rundfunksystem mit seiner zartgliedrigen Struktur könnte unabsehbaren Schaden erleiden, sollten einzelne Sender notleidend wegbrechen. Bedenken wir nur den intellektuellen Wettbewerb der Bundesländer um die richtige Funklandschaft: Da gibt es welche, die Privatsender nur auf lokaler Ebene zulassen, andere, die Privatsender nur landesweit lizensieren, dann die, die zwar keine landesweiten, aber durchaus größere Bereichssender für das richtige Maß halten und schließlich die Länder mit einer multidimensionalen Struktur mit einem bunten Strauß aus lokalen und landesweiten Angeboten. Dieses sensible Medien-Ökosystem ist akut bedroht. Jeder Zusammenbruch auch des kleinsten Lokalfunkers könnte eine Kettenreaktion mit unabsehbaren Folgen nach sich ziehen. Ganze Landstriche könnten schlagartig allein mit sogenannter Grundversorgung dastehen.

2. Zu Recht erwägt die Politik wieder die Ausrufung einer sogenannten Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, wie auch schon in früheren Jahren mit guter Konjunktur. Selbstverständlich ist auch die Radiobranche von dieser Störung betroffen. Die aufziehende Krise schädigt schon jetzt einige der wichtigsten Umsatzbringer im Werbemarkt wie Auto oder Media-Markt. Radiosender tragen dafür nicht die Verantwortung, wohl aber die Folgen. Das unterscheidet sie von Firmen, die ihre schlechte Lage selber herbeigeführt haben – Stichwort: Gier -, aber dennoch auf staatliche Hilfe rechnen. Wie die Commerzbank, die sich beim Kauf der Dresdner verhob. Wie Schrott- und Dacia-Händler, die in den letzten Jahren Überkapazitäten aufgebaut haben und jetzt dank staatlicher Zuschüsse ihre Preise kräftig senken können. Wie Familie Schaeffler, für die Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer einen Zuschuss für die Übernahme von Continental befürwortet und alles andere schnoddrig findet. Auch die berechtigte Forderung nach dem Radio-Rettungsfonds sollte nicht schnoddrig abgeschmettert werden.

3. Nicht zuletzt würde der Staat damit seine Verantwortung für eigenes Handeln im Radiomarkt einlösen. Da sitzen Aufsichtsbeamte mit der Stoppuhr vor dem Radiogerät und kontrollieren sekundengenau die Einhaltung der vorgeschriebenen Wortanteile. Da verbietet ein Gesetz Glücksspiele, hält aber andererseits die dann notgedrungen gestellten grenzdebilen sogenannten Quizfragen für Geschicklichkeitsspiele. Staatliches Handeln liegt auch vor, wenn jetzt das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Centrale Marketinggesellschaft der Deutschen Landwirtschaft stoppt. Skandal: Deutsche Bauern werden jetzt nicht mehr zwangsweise zur Kasse gebeten, um ihren Beitrag zum Gedeihen der Radiobranche zu leisten. Da staatliches Handeln die wirtschaftliche Lage der Radiosender also nachhaltig beeinträchtigt, sollte der Staat sich auf seine Verantwortung besinnen.

Die Ausstattung des Radio-Rettungsfonds mit 64,5 Millionen Euro wäre durch einfache sogenannte Umschichtung von Geldmitteln ohne jeglichen sogenannten Mehraufwand zu finanzieren. Exakt auf diesen Betrag belaufen sich die bei der sogenannten Kommisison zur Ermittlung des sogenannten Finanzbedarfs für dieses Jahr eingeplanten sogenannten Finanzbedarf von ARD und Deutschlandfunk für digitales Radio und DAB. Bekanntlich handelt es sich bei diesen Posten um sogenannte Investitionsruinen, die aber noch nicht unter Denkmalschutz stehen. Bisher hat die Finanzbedarfskommission diesen Betrag nicht freigegeben, und ARD und Deutschlandradio haben ihn auch noch nicht angefordert. Gleichwohl wird er, weil als Finanzbedarf anerkannt, mit den zum 1. Januar erhöhten sogenannten GEZ-Gebühren beim sogenannten GEZ-Bürger sozusagen eingezockt. Das Geld ist also da.

Zur Wahrung der verfassungsmäßigen sogenannten Rundfunkfreiheit sollte der Radio-Rettungsfonds als sogenannte staatsferne sogenannte Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet und im sogenannten Staatsvertrag der Bundesländer festgeschrieben werden. Die sogenannte Kommission des sogenannten Finanzbedarfs sollte zusätzlich mit der Ermittlung des sogenannten Rettungsbedarfs beauftragt werden und das Geld an die sogenannten notleidenden Sender verteilen.

Ich räume ein, dass mein Vorschlag zwei Schwächen aufweist: Die von mir geforderte Summe ist um mindestens fünf Nullen zu klein, um von den Parteien ernst genommen zu werden. Und der aufkommensneutrale Finanzierungsvorschlag liefert keine der gefragten Begründungen für die Aufstockung der beliebten sogenannten Staatsschulden.

Vermutlich wird er darum abgelehnt werden.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de