Die Anbieter von privatem Hörfunk und lokalem/regionalem Fernsehen bedürfen zur Bewältigung der Corona-Krise staatlicher Unterstützung in Form von Beihilfen. Das ist der Kern eines Positionspapiers, das die APR den Medienanstalten, den Ländern und dem Bund vorgelegt hat. Sie differenziert dabei zwischen der Betroffenheit der Medienanbieter als Wirtschaftsunternehmen, die die Liquiditätshilfen des Bundes und der Länder wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer auch in Anspruch nehmen können. Daneben haben die privaten Rundfunkveranstalter eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen, sie sind kritische Infrastruktur bei der Information der Bevölkerung insbesondere im lokalen und regionalen Bereich. Der Staat hat ein jederzeit aktivierbares Recht amtlicher Durchsagen, sollten die Medien nicht von sich aus diese Aufgabe erfüllen. Eine Reduzierung der Kosten für die Ausstrahlung ist nicht möglich und die Inanspruchnahme von Kurzarbeit für Redaktionen schwierig.
„Wir erhalten in diesen Tagen große Anerkennung für unsere redaktionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem für ihre Berichterstattung vor Ort. Wir schalten aus Kostengründen keine Sender in der Fläche ab. Dagegen verzeichnen wir massive Ausfälle von Werbung als Folge des allgemeinen wirtschaftlichen Stillstandes“, beschreibt APR-Vorsitzende Olaf Hopp die Situation. Die lizenzrechtlichen Vorgaben an die privaten Veranstalter gelten unverändert fort und würden von den Medienanstalten im Kern kontrolliert, ergänzt die APR.
Die Interessenvertretung der privaten Rundfunkanbieter regt gegenüber den Ländern und dem Bund an, die durch die Aussetzung wesentlicher Insolvenzpflichten zur Verfügung stehende Zeit dafür zu nutzen, im Rahmen der allgemeinen Unterstützung der Wirtschaft die Liquidität der Sendeunternehmen zu sichern. Ein Beitrag zur langfristigen Sicherung der Medienlandschaft sei es, wenn durch Beihilfen die Kosten für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe während der Zeit der Krise vom Staat übernommen würden. Das würde die Gefahr der Überschuldung bei einzelnen Unternehmen mindern. Die APR sieht im europäischen Beihilferecht keine Hindernisse. „Wir dürfen aber keine Zeit verlieren und müssen ein Konzept formulieren und der europäischen Kommission zur Kenntnis zu geben, um die vielfältige Landschaft von privatem Hörfunk und regionalem/lokalem Fernsehen zu erhalten“, so Olaf Hopp abschließend.
Positionsbeschreibung «Rundfunk in der Corona-Krise» als PDF
Erforderliche Beihilfen zum Ausgleich der Corona-Krise
2. April 2020
- Die Maßnahmen zur Eindämmung des SARS-CoV-2 verursachen enorme Schäden für die gesamte Wirtschaft. Bund und Länder haben Mittel zur Unterstützung bereitgestellt. Diese gelten für alle Branchen. Erkennbar wird das unternehmerische Risiko auch in dieser Krise nicht vollends vom Staat übernommen. Nur für die Bereiche, die Unternehmen nicht durch eigene Vorsorge absichern können, gilt der Ausgleich.
- Medien erfüllen eine besondere öffentliche Aufgabe. Sie sind kritische Infrastrukturen in dem Sinn, dass sie gerade in Zeiten der Krise rasch, auf redaktionellem hohem Niveau und insbesondere lokal und regional Informationen bereitstellen. Die privaten elektronischen Medien, zumal die vor Ort tätigen, erfüllen gegenwärtig diese Aufgabe in vollem Umfang, wie allgemein lobend anerkannt wird.
- Die besonderen Aufgaben der Medien sind durch lizenzrechtliche Aufgaben (Zulassung, Zuweisung) abgesichert. So gewährleistet der Staat gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, dass durchgehend und gerade auch in Krisenzeiten die öffentliche Informationsaufgabe erfüllt wird. Allen Ebenen des Staates stehen zudem gerade in diesen Zeiten jederzeit aktivierbare Ansprüche auf Drittsendezeiten (Durchsagen im Krisenfall) zur Verfügung, wenn die Medien von sich aus die erforderlichen Informationen nicht transportieren würden. Das bedeutet für die Medienunternehmen, dass die Produktion ihres Angebotes, also ihrer Sendungsinhalte nicht einstellen können; sie können den Kernbestand an redaktionellem Personal nicht in Kurzarbeit schicken, um so Kosten zu reduzieren. Ebenso wenig können die Medienunternehmen den Vertrieb ihrer Produkte einstellen, etwa indem sie in der Krise bestimmte Gebiete abschalten oder Sender kostengünstiger (mit geringerer Energie und somit weniger Leistung und Reichweite) betreiben; sie können sich nicht auf einzelne Teilgebiete beschränken, sondern haben eine Versorgungspflicht für die gesamte Fläche. Sowohl die Einhaltung der grundlegenden Bestimmungen der Programmauflagen als auch die fortdauernde Einhaltung der Werbebestimmungen (Ablehnung von Anfragen etwa im Bereich des Glücksspiels) als auch die Versorgungspflichten werden auch in Zeiten der Krise von Medienanstalten kontrolliert und gegebenenfalls angemahnt beziehungsweise sanktioniert.
- Dem gegenüber sind die Werbeeinnahmen bereits März 2020 deutlich reduziert worden, im Bereich von minus 17 bis 30 gegenüber der Planung. In den Monaten April und Mai liegen die Einbußen an Werbung je nach Format, Wettbewerbssituation und anderen Randbedingungen bei Rückgängen von 50 bis 70 Prozent (vorläufige Werte Stand Ende März 2020). Allgemein wird in der Branche damit gerechnet, dass auch bei einer raschen Lockerung der gegenwärtigen Situation die Werbung im Juni nur geringfügig steigt und erst nach den Sommerferien zum vierten Quartal 2020 wieder auf ein normales Niveau des Vorjahres kommen kann.
- Medienunternehmen können in dem Bereich ihrer öffentlichen Aufgabe nichts einsparen. Dagegen sind sie im Bereich anderer wirtschaftlicher Tätigkeiten wie etwa der Produktion von Audio-/Videomaterial für Dritte, bei der Durchführung von Events im allgemeinen Wirtschaftsbereich vergleichbar. Im Bereich der öffentlichen Aufgabe können die erstellten Informationen nicht zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gesendet oder vermarktet werden, auch nicht zu „Sonderpreisen“. Auch Werbung für wirtschaftliche Aktivitäten Dritter ist nicht nachholbar; sollte eine solcher Effekt im vierten Quartal durch erhöhte Nachfrage eintreten, steht – aus programmlichen Gründen sowie regulatorischen Vorgaben – nicht hinreichend Werbefläche zur Verfügung, denn diese ist in normalen Jahren zum Jahresende regelmäßig ausgebucht.
- Gerade im Bereich der Infrastruktur ist der Rundfunk eng vernetzt. Senderbetreiber sind für eine Vielzahl von Programmveranstaltern tätig, auch für öffentlich-rechtliche Anstalten. Würde sich ein Dienstleister mit nennenswerten Ausfällen in Folge der Schieflage von Programmveranstaltern konfrontiert sehen, hätte das Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit für viele Programangebote. Es ist daher angezeigt, das gesamte System in Zeiten der Krise auf der Ebene der einzelnen Programmanbieter abzusichern.
- Damit ist eine Unterstützung der Medienbranche im Bereich ihrer öffentlichen Aufgabe notwendig(klarstellend: nicht in anderen Bereichen ihrer wirtschaftlichen Aktivität). Das meint ausdrücklich nicht einen großen Schadenersatz entsprechend Art. 50 AGVO (Beihilferegelungen zur Bewältigung der Folgen bestimmter Naturkatastrophen nach der Verordnung EU Nr. 651/2014 vom 7. Juni 2014 in der Fassung vom 14. Juni 2017). Es geht also nicht um die Kompensation von Werbeausfällen. Dies steht Umsatzausfällen anderer Branchen gleich und ist Gegenstand der allgemeinen Wirtschaftshilfe, wie sie inzwischen beschlossen oder zukünftig noch zu beschließen sind.
Die besondere Unterstützung für die während der Krise erfüllte öffentliche Aufgabe der Medien hat wettbewerbsneutral zu erfolgen. Das bedeutet innerhalb der Branche, dass kein Wettbewerber durch die Krise besser gestellt werden darf als andere. Wirtschaftlich starke und wirtschaftlich schwache Unternehmen sind im Verhältnis zueinander nicht besser oder schlechter zu stellen.
Auch der Wettbewerb zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf nicht tangiert werden. Allerdings spricht dies aus Sicht der privaten Veranstalter für die Notwendigkeit einer Unterstützung für sie, denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhält europarechtlich gesprochen eine Beihilfe für seine besondere Aufgabenerfüllung, um ihn dabei auch in Zeiten außerhalb der Krise vom Risiko des Werbemarktes frei zu stellen. Soweit für den privaten Rundfunk gegenwärtig Werbung als das einzig zur Verfügung stehende Finanzierungsmittel weitgehend wegfällt, ist zur Absicherung des dualen Rundfunks eine Unterstützung zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, die auch der Privatfunk zu erfüllen hat, erforderlich.
Der Wunsch nach Unterstützung bezieht sich ausschließlich auf den Ausgleich der besonderen, nicht reduzierbaren Aufwendungen für die beschriebene und fortlaufend erfüllte öffentliche Aufgabe der privaten Veranstalter. Das sind zwei Kostenarten, die sich von anderen Wirtschaftsunternehmen unterscheiden:
- die Vertriebskosten für den terrestrischen Bereich, also UKW und DAB+, dies schließt auch die Technikkosten im Studio einschließlich der Mehraufwendungen der Anbindung der in diesem Bereich notwendigen Mitarbeitern im Home-Office ein,
- die Kosten für das redaktionelle Personal, soweit es für die Aufgabenerfüllung notwendig ist und daher Kurzarbeit nicht erfolgen kann, also entsprechende Mittel aus dem Bereich arbeits- und sozialrechtlicher Unterstützung nicht abgerufen werden können.
- Die vorstehend beschriebene Unterstützung erfordert Mittel der Länder und des Bundes. Es ist ein Konzept im Sinne Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV zu formulieren und alsbald der Kommission zur Überprüfung gemäß Art. 108 AEUV vorzulegen.
- Im Rahmen des angestrebte Gesamtkonzepts muss die Liquidität der Sendeunternehmen entsprechend den allgemeinen zur Verfügung gestellten Mitteln für alle Branchen gesichert werden. Die Zeit der Freistellung von bestimmten Insolvenzpflichten (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG) kann so genutzt werden. Allerdings schließt sich dieses Zeitfenster am 30. September 2020. Mit entsprechendem Vorlauf muss den (persönlich in der Haftung stehenden) Geschäftsführern der Stationen spätestens klar sein, in welchem Gesamtkonzept sie eine Fortführung ihrer Unternehmen unter Einschluss der Unterstützung für die in der Zeit der Krise erbrachten öffentlichen Leistungen zur Verfügung haben. Ist ihnen dies nicht möglich, werden sie nicht umhinkönnen, die sich aus der Insolvenzordnung ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen.