DAB+ und die UKW-Abschaltung: „Es gibt kein Zurück mehr“

Willi Steul und das Digitalradio-Logo. Foto: © Deutschlandradio / Bettina Fürst-FastréDer Wettbewerb zwischen UKW und DAB+ soll nicht durch „Diktatur“ beendet werden, forderte Helmut Markwort auf dem Deutschen Radiopreis. Vielmehr sollten die Hörer entscheiden, wie sie Radio empfangen wollen. Damit äußerte er sich klar gegen die Pläne einiger deutscher Rundfunkmacher, die im Jahr 2025 das Ende des klassischen UKW-Radios sehen.

Deutschlandradio-Intendant Willi Steul ist einer derjenigen, die hinter diesem Datum stehen. „Das Medium Radio wird langfristig verlieren, wenn wir es nicht digitalisieren“, so der 63-Jährige im Interview mit RADIOSZENE. „Und das Rückgrat dieser Digitalisierung auf terrestrischem Wege wird DAB+ sein.“

DAB-Markterfolg als Abschaltvoraussetzung

Steul ist Vorsitzender des „Verein Digitalradio Deutschland e.V.“, der in den vergangenen Tagen ein Vorschlagspapier veröffentlicht hat, in dem die UKW-Abschaltung konkretisiert wird. Anders als Markworts Äußerungen auf dem Radiopreis vermuten lassen, will der Verein demnach aber den Analogfunk nicht mit der harten Hand abschalten. Voraussetzung für den Umstieg sei u.a., dass eine Marktdurchdringung an DAB-Radios von mindestens 50% erreicht werde. Dann hätten sich bereits einige Radiohörer von selbst umentschieden. Einen langen Parallelbetrieb von UKW und Digitalradio könne und wolle dann niemand finanzieren, schon gar nicht die privaten Veranstalter, für die der Digitalradio-Verein aber eine Förderung empfiehlt.

Willi Steul. Foto: Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré
Nutzt Zuhause DAB+ und Webradio zugleich: Deutschlandradio-Intendant Willi Steul. Foto: Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré

RBB und HR unterstützen DAB+ nicht

Damit der Übergang gelingt, wünscht sich der Deutschlandradio-Intendant noch mehr Unterstützung, auch aus den Reihen der Öffentlich-Rechtlichen: „Wir wollen den Schulterschluss mit der ARD – ohne die geht es nicht.“ Die ARD gehöre zu den Hauptakteuren in Sachen Umstieg auf DAB+, doch die Einigung sei nicht ganz einfach, meint Steul. „Wir werden im November der KEF ein UKW-Abschaltdatum nennen, die ARD wird da vermutlich aber nicht mitgehen“ – damit bezieht er sich auf die Forderung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), einen genauen Fahrplan zur Digitalradio-Entwicklung zu nennen. Tatsächlich sagte ARD-Vorsitzender Lutz Marmor im Rahmen der IFA Berlin, es werde „nicht von Erfolg gekrönt sein, einmal mehr eine konkrete Jahreszahl für eine UKW-Abschaltung zu nennen“. Die regulierenden Instanzen auf Bund- und Länderebene müssten den Umstieg auf DAB+ unterstützen. Zudem erwähnte Marmor, man sei „einen westentlichen Schritt weiter“, wenn in jedem Radio ein DAB-Empfangsteil integriert werden würde. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die „Smart Radio“-Initiative der Europäischen Rundfunkunion EBU, die auch Willi Steul ausdrücklich unterstützt. Der hofft aber erstmal darauf, dass in der ganzen ARD ein Umdenken in Sachen Digitalisierung stattfindet. ARD-Sender wie der SWR, MDR oder BR hätten bezüglich Digitalradio ähnliche Vorstellungen wie das Deutschlandradio, andere Anstalten wie RBB oder HR hingegen würden DAB+ nicht unterstützen, so der Chef des nationalen Hörfunks.

DAB+ bringt ungewollte Konkurrenz

Dazu kommen auch viele Privatsender, die in DAB+ derzeit keinen Sinn sehen. Programmveranstalter wie Alster Radio oder Radio Hamburg äußerten kürzlich dem Blog „radio-wird-digital.de“ gegenüber, sie hätten an einer DAB-Ausstrahlung kein Interesse. „Das kann ich auch nachvollziehen“, meint Willi Steul. Wer mit ausreichenden UKW-Frequenzen in seinem Sendegebiet versorgt sei, für den bringe DAB+ momentan keinen großen Mehrwert – sondern nur ungewollte Konkurrenz. Das sei bei manchen Privaten eine weitverbreitete Meinung, auch bei einigen öffentlich-rechtlichen Senderchefs sei dies der Fall, fügte Steul ausdrücklich hinzu.

2025? – „Ich bin nicht sicher, ob wir das hinkriegen“

Sollten sich alle Akteure einig werden, also die ARD, das Deutschlandradio und auch die Privatsender und Landesmedienanstalten, dann dauere es mindestens 10 Jahre, bis man bereit zur UKW-Abschaltung sei. „So kommt das Datum 2025 zustande“, sagte Steul im RADIOSZENE-Interview. „In der Schweiz ist die Planung ähnlich abgelaufen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir hier in Deutschland bis 2015 eine Einigung hinkriegen und die Jahreszahl 2025 bestehen bleibt.“

Das hält ihn aber nicht davon ab, trotzdem auf dieses Abschaltdatum hinzuweisen. Die Diskussion vorantreiben möchte Steul damit – und offenbar gelingt ihm das auch. Markworts Äußerungen auf dem Radiopreis einen Tag nach diesem Interview dürften das beweisen. Aus der deutschen Rundfunkszene gänzlich verbannt werden soll UKW aber nicht. „Lokale, private und nicht-kommerzielle Radioinitiativen“ könnten bei der zukünftigen Nutzung des UKW-Bandes berücksichtigt werden.

Zumindest auf dem Papier wollen Steul und seine Digitalradio-Mitstreiter das analoge Radio entgegen den Willen der Hörer nicht abschalten – sondern erst wenn eine ausreichende Marktdurchdringung erreicht ist. Wie schnell das klappt, weiß auch Willi Steul nicht, obwohl ihn die jüngst veröffentlichten Verkaufszahlen euphorisch stimmen (RADIOSZENE berichtete). Fragt man ihn, was denn passieren würde, sollte man nicht genügend Digitalradios verkaufen und müsste man DAB+ wieder abschalten, antwortet er nur knapp, aber dafür sehr eindeutig: „Der Point of no return ist längst überschritten“.

 

Titelfoto: © Deutschlandradio / Bettina Fürst-Fastré