Wunderwaffe „On Air Promotion“? – Ein Gespräch mit Radioberaterin Yvonne Malak

„Wir müssten uns weniger Sorgen um neue Techniken machen, wenn wir alle mehr an der emotionalen Bindung zu unseren Hörern arbeiten würden als an vermeintlich tollen Facebook-Postings und Aktionen, die unsere Hörer mit fremden Webseiten stärker verbinden als mit unserem Kerngeschäft, unserem Radioprogramm.“

Yvonne Malak (Bild: Deutscher Radiopreis)
Yvonne Malak gehört auch 2014 zur Grimme-Jury Deutscher Radiopreis. (© Deutscher Radiopreis GmbH)

Ein Zitat von Yvonne Malak, erfolgreiche Radiofrau. Ihre Radiokarriere begann Ende der 80er bei den Lokalradios in Bayern. In den 90ern war sie Co-Moderatorin bei „Arno und die Morgencrew“ sowie Chefmoderatorin des erfolgreichen Berliner Stadtradios 104.6 RTL. Seit Anfang 2006 ist Yvonne Malak selbständig und berät Geschäftsführer und Programmchefs in strategischen Fragen. Für das Nachschlagewerk „Radiojournalismus“ hat sie das Kapitel »On Air Promotion« geschrieben, ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt.

Für ihren Vortrag auf den Radiodays Europe in Dublin hat sie vor allem praktische Beispiele im Gepäck. Yvonne Malaks Thema: Wie man auch kleine Stationen erfolgreich und profitabel macht (»Making your small station successful and profitable«). Im Interview mit Inge Seibel-Müller von Hörfunker.de verrät sie mehr Details:

Wie bereiten Sie sich darauf vor, vor so vielen kompetenten Kolleg/innen aus ganz Europa zu sprechen?

Yvonne Malak: Ich bin aus meiner Zeit als Moderatorin gewohnt, mich 150 Prozent vorzubereiten, alles zu skripten und das Skript mehrfach zu prüfen. Also das Übliche: Konzept überlegen, Text schreiben, Studien von Kunden besorgen, O-Töne dazu, alles in eine Powerpoint-Präsentation bringen und dann natürlich übersetzen… Ganz ehrlich: Es war viel Arbeit, alles in ein gutes Englisch zu bringen und ich bin jetzt schon wahnsinnig nervös wegen des Vortrags in einer fremden Sprache vor so vielen Kollegen.

Welche Bedeutung haben die Radiodays Europe für Sie?

Das ist eine Veranstaltung mit Substanz. DER Treffpunkt in Europa 2014. Die »Radiodays Europe« sind auf dem Weg, einer der bedeutendsten Radiokongresse Europas zu werden, wenn nicht der bedeutendste überhaupt.

Was wollen Sie den Radiokollegen aus ganz Europa als Erfolgsrezept mit auf den Weg geben?

Die Kraft von On Air Promotion. Ich will zeigen, wie mächtig dieses Instrument ist, das in so vielen Märkten noch immer eine untergeordnete Rolle spielt. Und wie wichtig On Air Promotion in Zeiten neuer Konkurrenten und neuer Techniken ist. Dieses Thema liegt mir wirklich am Herzen. Denn wer jetzt nicht anfängt, eine sinnvolle On Air Promotion für sein Produkt zu betreiben, wird das sehr bald bereuen. Es ist DAS Tool gegen Spotify und Co – wenn man es rechtzeitig anwendet.

Wenn Sie heute Programmverantwortliche in einer lokalen Radiostation wären, welche Prioritäten würden Sie setzen?

Yvonne Malak (Bild: privat)
Yvonne Malak hat einen Lehrauftrag für „Radiomarketing“ an der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Foto: privat

Erstens würde ich nach der optimalen Marktnische für meinen Sender suchen, statt den Wettbewerb zu kopieren. Dann natürlich mein Thema: On Air Marketing bzw. On Air Promotion als bestes Mittel, um den so genannten „Weitesten Hörerkreis“ in Stammhörer umzuwandeln und die Marktposition auszubauen bzw. zu halten. Drittens, aber gewiss nicht am unwichtigsten, wäre für mich der Aufbau einer Morgensendung, die mit geringen Mitteln ihre Alleinstellungsmerkmale findet und den Wettbewerb in die Schranken weist. Ich kann Ihnen versprechen, das funktioniert….! Es ist schade, dass viele Lokalstationen ihr Potential verschenken, indem sie darauf verzichten, eine eigene strategische Nische zu finden und stattdessen einfach den Wettbewerb kopieren. Und das meistens nicht sehr erfolgreich.

In der Ankündigung Ihres Vortrags werden Fallstudien und vor allem konkrete Erfolgsbeispiele versprochen. Verraten Sie uns schon mehr?

Gerne. Ich zeige z.B. wie man negative Imagewerte innerhalb von nur sechs Monaten an den Wettbewerb abgeben kann, wenn man gute On Air Promotion betreibt und konsequent ist. Mein Kunde BB Radio in Potsdam hat mir erlaubt zu zeigen, welchen wunden Punkt der Sender vor einigen Jahren plötzlich hatte und wie es aussah, nachdem wir diese Wunde mit On Air Promotion „zugeklebt“ haben.

Stört Sie auch was am Radio?

Was wir nicht nötig haben sind Fakes, das Inszenieren von Realitäten. Gewinnspiele durch Fakes aufblasen, Aktionen durch erfundene Geschichten spektakulärer machen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Hörer so etwas auf Dauer spüren. Dass sie merken, dass etwas nicht stimmt und sie im wahrsten Sinne des Wortes für blöd verkauft werden, nach dem Motto: Der Hörer merkt es doch eh nicht. Hörer spüren Fakes. Und wenn eine Masse an Hörern dauerhaft das Gefühl hat, nicht ernst genommen, für blöd verkauft zu werden, braucht ein Sender einen langen Atem und eine Menge Geld für Werbung, um diesen Schaden wieder gut zu machen. Diese Inszenierungen schaden uns wahrscheinlich mehr als sie nützen.

Wagen Sie eine Prognose zur Zukunft des Radios?

Das Radio wird weiterleben. Sicher über andere Verbreitungswege und ganz sicher mit neuen Ideen. Wichtig ist, dass wir uns für unsere Hörer und unsere Region engagieren. Dass wir emotional mit unseren Hörern verbunden sind. Lassen Sie mich noch eine Geschichte erzählen, die das anschaulich macht: Ich war kürzlich bei Radio Hamburg und da erzählte mir der Herr am Empfang, dass immer wieder Fundstücke im Sender abgegeben würden: Tablet- PCs, die im Bus vergessen wurden, Personalausweise, Schlüssel und alles, was man so verlieren kann. Der arme Mann war ganz unglücklich, der Sender sei ja kein Fundbüro. Aber diese Geschichte zeigt eine der Stärken des Radios. Die Leute bringen die Fundstücke eben lieber zu den Menschen, denen sie vertrauen und zu denen sie eine Bindung hergestellt haben, als in ein anonymes Fundbüro.

Dieser Artikel ist erstmalig erschienen bei Bundeszentrale für politische Bildung am 19.03.2014

Inge Seibel (Bild: Privat)
Inge Seibel (Bild: Privat)

Inge Seibel gehört zu den Privatradiopionieren in Deutschland. 1986 war sie Mitarbeiterin der ersten Stunde beim Lokalradio Charivari München. Von 1995 bis zur Geburt ihrer Tochter 1998 leitete sie als Programmchefin und Chefredakteurin Antenne Thüringen. Heute lebt die freie Journalistin in Hamburg und arbeitet unter anderem für die Bundeszentrale für politische Bildung. Sie ist Mitglied der Grimme-Jury für den Deutschen Radiopreis 2013.