Rundfunk, Marken und Internet sind leider absolut unverträglich. Das Ganze ist aber noch steigerungsfähig, wenn Smart Speaker im Spiel sind.
Am Anfang des für Privatleute zugänglich werdenden Internets kam die Hoffnung auf, dass hier nun endlich jeder seine eigene Radiostation aufmachen könne, ohne Lizenz, ohne Frequenzknappheit.
Das erwies sich schnell als Irrtum: Nicht nur war in den Modemzeiten mit dem Streamen von zuhause schon bei spätestens drei Hörern Schluss, meist war sogar nur einer möglich. Da der Hobbysender nun weltweit empfangbar war, nicht nur wie ein Piratensender nur in begrenztem Umfeld, meldeten sich aber auch die Inhaber der Musikrechte. Und es ging der Kampf um Sendernamen los – selbst, wenn von der Gegenpartei gar kein Rundfunk beabsichtigt war. Doch es ist einfach zu verlockend, über das Markenrecht den Zugriff auf die persönlichen E-Mails anderer, damit deren Online-Accounts und so sogar derer Kreditkarten zu erhalten und so auf deren Kosten agieren zu können.
Das Problem der Gleichnamigen
Es ist allerdings auch ein Problem mit den Namen von Rundfunkstationen. Radio 724 oder Radio 4711 will niemand heißen, und wenn doch, gäbe es Ärger mit der Duftwasserfirma aus Köln, die sogar die Telefonnummer der Berliner Taxizentrale (030/4711) gerichtlich einkassieren ließ. Radio 1 gibt es dafür dutzendweise. Wenn dann auch noch das Schweizer Radio 1 von Roger Schawinski den Slogan „Nur für Erwachsene“ von Beate Uhse dem deutschen öffentlich-rechtlichen Radio 1 kopiert, ist klar, dass es Ärger gibt.
Trotzdem, solange es um normalen Rundfunkempfang über Funk geht, sind Namensgleichheiten kein echtes Problem. Die Empfangsgebiete der beiden Sender sind weit genug voneinander entfernt, niemand wird versehentlich den falschen Sender hören.
Zensur leicht gemacht
Im Internet ist es schon anders, wobei es dafür dann ja Top Level Domains mit Landeskennungen gibt. Das interessiert Juristen zwar nicht, wenn sie für ihren Sender eine fremde Adresse einkassieren wollen, aber zumindest für die Hörer macht es die Stationen klar unterscheidbar. Sofern sie sie überhaupt empfangen können – hier braucht es keine Störsender, wie einst beim RIAS, um dessen Empfang in der DDR und auch in der BRD zu unterbinden, unliebsame „Feindsender“ können vielmehr direkt „ausgeknipst“ werden.
Doch was passiert bei Smart Speakern? Hier werden weitere Schichten eingezogen, wenn es um die sprachgesteuerte Senderwahl geht. Zunächst einmal müssen Alexa bzw. Google das Sprachkommando verstehen. Sind diese auf deutsch eingestellt, so führt ein Ok Google – spiele Radio Caroline meist nicht zum Erfolg, wenn man diesen englischen Sender auch englisch (also „Cärolein“) ausspricht. Es wird eine an sich falsche, deutsche Aussprache erwartet („Radio Karoline“) und der Smart Speaker antwortet auch entsprechend: Ok, verstanden, Radio Karoline wird von Tune-In gespielt. Spricht man englisch, so spielt der Smart Speaker dagehen andere Stationen oder obskure Bands von Spotify.
Smart Speaker sind einfach kompliziert
Von was? Von Tune-In? Ja, das ist die nächste, zwischengeschaltete Instanz. Es wird nicht direkt auf den Internetstream des Senders zugegriffen, sondern auf den Dienst Tune-In – und erst dieser schaltet dann die Musik ein. Oder auch nicht: Meist wird von Tune-In und auch anderen Diensten wie Laut.fm zuerst noch eine „Pre-Roll“-Werbung abgespielt. Das ärgert, wenn man schnell die Nachrichten hören will – die sind dann halb vorbei, bis die Werbung abgelaufen ist. Und ist lästig, wenn man wegen Werbung den Sender wechselt und dann erst recht Werbung vorgesetzt bekommt. Besonders, da es tagelang immer dieselbe ist – mal Ikea, mal SUV-Werbung eines lokalen Autohauses, mal Vodafone. Bei letzterer ist es mit dem Werbespot dann leider auch schon wieder vorbei mit dem Radiohören: Irgendein Scherzkeks hat in den Vodafone-Werbespot nämlich hineingetextet Für weitere Informationen sagen Smart Speaker-Nutzer jetzt „Ok Google…“ – und ab diesem Moment ist der Smart Speaker wieder stumm, weil er nun auf das Sprachkommando wartet. Zumindest bestellt er so aber kein Puppenhaus bzw. Vodafone-Handy.
Französische Invasion
Man ist also darauf angewiesen, dass Tune-In nicht nur die Werbung, sondern anschließend gnädigerweise auch den richtigen Sender abspielt. Und das klappt nicht immer: Via Alexa wird statt dem Hauptsender Radio Caroline gerne der Oldie-Ableger Radio Caroline Flashback abgespielt. Via Google ist es seit Wochen nicht das englische Radio Caroline, sondern eine französische Station, die zwar auch keine schlechte Musik spielt, aber ganz andere Moderatoren und ständige Verkehrshinweise für die Bretagne liefert.
Auch eine genauere Spracheingabe (Ok Google – spiele Radio Karoline, Vereinigtes Königreich) hilft nicht weiter, weil bei Tune-in schlicht der falsche Sender hinterlegt ist. Natürlich versucht Radio Caroline UK immer wieder, den Eintrag auf sich zurücksetzen zu lassen, doch zwei Tage später ertönt wieder der Sender aus der Bretagne, von der anderen Seite des Kanals. Sicherlich nicht zufällig – der französische Sender antwortete uns auch auf mehrfache Nachfrage nicht.
Wer einen Smart Speaker von Sonos besitzt, kann wiederum keinen der beiden Sender hören: Auf Ok, verstanden, Radio Karoline wird von Tune-In gespielt folgt hier ein zerknirschtes Ich kann die angegebenen Inhalte leider nicht finden. Ursache ist eine weitere bei Sonos zwischengeschaltete Softwareinstanz, und die Behebung des Fehlers ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, weil Sonos gerade an größeren Softwareupdates arbeitet.
Funk ist und bleibt besser als Internet
Wer seine Lieblingssender normal über Funk empfangen kann, ohne Internet, kann froh sein. Denn so modern und praktisch Smart Speaker zu sein scheinen, die jedes Kind bedienen und so Puppenhäuser bestellen kann, so fehleranfällig ist ein System, das so viele zwischengeschaltete Dienste und Softwareschichten nutzt und über das der Benutzer keine wirkliche Kontrolle hat. Auch wenn es hier nur Satire ist, man kann nicht wirklich sicher sein, ob der Smart Speaker statt einen Radiosender abzuspielen, nicht etwas falsch versteht und plötzlich die Polizei ruft….
Update 3. Dezember 2021: Der französische Sender bekam zwar mittlerweile die Kennung „101 Radio Caroline“ verpasst, legt jedoch weiterhin Wert darauf, auch „Radio Caroline Vereinigtes Königreich“ zu sein. Vermutlich, weil es so wesentlich mehr Zugriffe gibt. Das echte Radio Caroline hat deshalb nun seine gerade auch in der Leistung erhöhte Mittelwellenfrequenz 648 kHz in den Sendenamen aufnehmen lassen – ab sofort ist es mit „Ok Google, spiele Radio Caroline 648“ bzw. „Alexa, spiele Radio Caroline 648“ auf Smartspeakern erreichbar.
Das Problem mit den Schlüsselbegriffen bleibt. Schwarzwaldradio ist über Alexa beispielsweise nicht mehr mit „Alexa, spiele Schwarzwaldradio“ erreichbar, hier wird nun Radio Regenbogen gespielt, das sich auch als „Schwarzwaldradio“ ansieht. Es muss stattdessen der Radioplayer per „Alexa, öffne den Radioplayer und spiele Schwarzwaldradio“ aktiviert werden – bis auch hier wieder ein anderer Sender „dazwischenfunkt“.
Leider kein ungewöhnlicher Vorfall, es gibt ja auch den Sender in Köln, der per einstweiliger Verfügung und Klage auf dem Rechtsweg den Zugriff auf an mich gerichtete Webzugriffe, E-Mails und meine Kreditkarte sichern wollte. Alles, was sich auf Namen und Suchbegriffe bezieht, ist angreifbar und kann von Dritten übernommen werden. Nur terrestrische Ausstrahlungen sind halbwegs sicher, wobei Senderkennung, TP, RDS & Co. hier auch Angriffspunkte darstellen können, dem Hörer ein anderes Programm als das gewünschte unterzujubeln…