Radio Delmenhorst: Lokalfunk-Appetithäppchen

Radio-Delmenhorst-small„Ich würde es mal Delmenhorster Format nennen!“ Programm-und Musikchef Ralf Hohn hatte für die erste Sendestaffel des Eventsenders „Radio Delmenhorst“ ein Musikmix ersonnen, das so im deutschen Äther kaum zu finden sein wird. Neben aktuellen AC-Titeln der internationalen Produktion standen auf der Playlist hohe Anteile von deutschen Popschlagern derer von Fischer, Berg oder Egli.

Jürgen R. Grobbin (Bild: IDEE MEDIEN Ltd.)
Jürgen R. Grobbin (Bild: IDEE MEDIEN Ltd.)

Hintergrund dieses Programmgerippes ist, dass Stationsbetreiber Jürgen R. Grobbin in seinem Sender natürlich auch seine Musik hören wollte. Der Delmenhorster Medienunternehmer hat nicht nur das „Deutsche Musikfernsehen“ gegründet. Er ist auch über sein Plattenlabel in Promotion und Talentsuche fest in der deutschen Schlagerszene vernetzt.

Eigentlicher Anlass für die Lizenzierung des Eventsenders waren aber zwei Ereignisse in der 80.000 Einwohnerstadt, die die bisher bei Veranstaltungsradios nicht gerade allzu übliche journalistische Kombination von Politik und Business ergab. Denn am letzten Maiwochenende fielen in der Bremer Nachbarstadt die grosse lokale Wirtschafts-Leistungsschau „delmeexpo“ mit der Kommunalwahl zusammen.

Und so gehörte der erste Sendetag der Staffel komplett der Lokalpolitik. Sämtliche Delmenhorster Ratsfraktionen und ihre Spitzenkandidaten für das OB-Amt kamen ins Studio und ausführlich zu Wort. Mit Ausnahme des späteren Wahlsiegers allerdings, der es vorzog, durch Abwesenheit zu glänzen.

Erst der zweite Tag gehörte der eigentlichen „Expo“, die mit ihren Besuchern, Ausstellern und Produkten in Quasi-Liveschaltungen durch den Chronisten auf den Sender gebracht wurde. Die 3 km-lange Distanz zwischen Studio im Süden der Stadt und dem Ausstellungsgelände wurde per Smartphone überwunden. Die Interviews und O-Töne wurden mit Flashrecorder aufgezeichnet, am Notebook bearbeitet und per Smartphone in Studioqualität überspielt. Zeitversatz: kaum 10 Minuten. Eine empfehlenswerte, kostengünstige Alternative für kleine Sender zu leitungs- oder satgebundenen Liveschalten.

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Da auf dem Freigelände die Bühnenshow des Stationsbetreibers mit seinen Schlager-Schützlingen ablief, gehörten Nach-Interviews mit diesen fürs Radio zum Programm des Messestand-Moderators. Dabei gelangen dem Chronisten solche Meilensteine der Radiokunst wie Interviews mit Ulf Vegas, dem „Gentleman des Popschlagers“, oder mit der „Nana Mouskouri von Ostfriesland“.

Aber auch sonst zeigten sich bei diesem Lokalfunk-Appetithäppchen schon erste Ansätze von echtem Radio, das dicht bei den Menschen ist. So ergab sich bei einem Gespräch am Messestand mit einem Senior-Literaten der kritische Ansatz, wie er von der lokalen Kultur-und Buchhändlerszene boykottiert werde. Wäre die Sendestaffel länger gewesen, wäre derartiges gleich ein vollgültiges Thema.

Im Vorfeld des Sendekonzepts „Radio Delmenhorst“ hätte Initiator Grobbin doch einige dicke Bretter zu bohren gehabt, stöhnte er. Die Zurückhaltung aller Betroffenen diesem neuen Medium gegenüber war sichtlich groß, sagte er. Wat de Boor nit kennt…

Doch das Grundkonzept des Berliner Programmdienstleisters „Hohn Media“ schnaggelte sofort. Begeisterte Stimmen aus der Geschäftswelt und von der Politik lassen für die nächste Sendestaffel Mitte Juni während des Stadtfestes auf Grosses hoffen.

Es wurde aber auch von Anfang nicht gekleckert, sondern geklotzt – mit grösstmöglichem Ansatz an Professionalität, soweit in so einem kleinen Rahmen möglich. Es wurde von vorneherein vollmoderiertes Programm bis Mitternacht geboten. Weltnachrichten kamen vom Anbieter „n-audio“ in Brauweiler, der auch die Lokalnachrichten lieferte, die wiederum im Delmenhorster Studio vorbereitet waren.

Ungefähres Sendegebiet von Radio Delmenhorst
Ungefähres Sendegebiet von Radio Delmenhorst

Save the best vor last: Einer der Höhepunkte der Sendestaffel kam erst kurz vor Sendeschluss – das Ergebnis der Kommunalwahl. Hier konnte Radio -auch in so kleinem Umfang- wieder einmal seine Spitzenstellung an Aktualität beweisen. Obwohl mit den lokalen Gegebenheiten kaum vertraut fand sich der Chronist nach Schliessung der „Expo“ und der Wahllokale doch rechtzeitig bis zur kleinen Wahlparty im Rathaus ein. Alsbald zeichnete sich ab, dass der OB-Herausforderer -der zuvor im Studio nicht erschienen war – den Amtsinhaber mit 50 Prozent-Abstand vom Platz fegen würde. Kleinen Zwischenberichten folgte pünktlich im Rahmen der 20 Uhr-Nachrichten der Ausruf des Rathausreporters :“Delmenhorst hat einen neuen Oberbürgermeister!“. Einige atemlose Dankesworte des völlig überwältigten Wahlsiegers konnten wenig später über die besagte Flashrekorder-Smartphone-Strecke in Studioqualität überspielt werden. So schnell kann’s kein anderer.

Doch schon vier Stunden später musste auch die traurige Seite des Eventradios wiedererstehen: der Closedown. Pünktlich um Mitternacht schaltete der Dienstleister „Media Broadcast“ den zwanzig Watt-Sender auf dem Telekomturm am Hauptbahnhof ab. Ganz nach der Tradition, die „Hohn Media“ schon bei früheren Veranstaltungsradios seit den Neunziger Jahren pflegt, läuft dabei der Titel „Niemals geht man so ganz“ von Trude Herr. Der Sender erstirbt, weisses Rauschen, Kloß im Hals. Aber niemals geht man so ganz, ab 12. Juni geht’s weiter.

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www.radiodelmenhorst.com