Medienkarriere NRW: Der Weg in die Medienwelt

Die Landesanstalt für Medien NRW (LfM NRW) hatte am 09. November 2023 Studierende und Medienunternehmen zum ersten Karrieretag nach Düsseldorf eingeladen. Mehr als 200 Nachwuchstalente informierten sich über einen möglichen Berufseinstieg bei Verlagen, Radio- und TV-Sendern und Distributionsunternehmen. Eine Jobbörse und Seminare verhalfen den jungen Besuchern zum Dialog mit Branchenvertretern. RADIOSZENE hat mit Medienmachern und den potentiellen Nachwuchstalenten gesprochen.

Medienkarriere NRW: Der Weg in die Medienwelt (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)
Medienkarriere NRW: Der Weg in die Medienwelt (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)

Der Einstieg in die Medienwelt führte früher häufig über die Presse, zum Hörfunk und dann zum Fernsehen. Wer sich ausprobieren wollte, begann häufig mit einem Praktikum oder freier Mitarbeiter bei der Lokalzeitung. Das Internet verhalf zur größeren Anbietervielfalt. Der Weg ist heute nicht automatisch vorgezeichnet. Alle Medienunternehmen konkurrieren heute miteinander um den Nachwuchs.

„VierNull“ ist ein digitales Onlinemagazin aus Düsseldorf. Das StartUp ist seit über zwei Jahren online. Mitbegründer Christian Herrendorf hofft, dass man eines Tages bei VierNull Karriere machen kann. Das Team aus freien Autoren wächst. Sie machen Lokaljournalismus auf neue Art. Nach dem Motto „Lieber eine gute, als 10 fast gute Geschichten“ berichten sie aus der Landeshauptstadt. Abonnenten finanzieren das Angebot. Kaffeekochen muss bei VierNull kein Praktikant, antwortet auf unsere Frage Herrendorf. „Wir wollen unseren Mitarbeiter*innen größtmögliche Freiheit geben. Das ist unser Grundsatz, dass wir versuchen, den Menschen das machen zu lassen, an dem sie Freude haben, denn so überträgt sich das auf die Leserinnen und Leser.“ VierNull hat einen Podcast und will im kommenden Jahr mit Video starten.

Jasmin und Vanessa informieren sich über Einstiegsmöglichkeiten auf dem Stand des Kölner Stadtanzeiger (KStA). Beide studieren Medienkulturwissenschaften und Medienmanagement an der Universität zu Köln und haben eine Menge Fragen zu redaktionellen Abläufen mitgebracht. Sie fragen nach der Work-Life-Balance, Sicherheit im Job und einer Festanstellung. Social-Media-Redakteurin Vera Westerfeld beantwortet geduldig jede Frage. Sie ist die einzige Social-Media-Redakteurin beim KStA und wird von Werkstudenten unterstützt.

Recruiter Daniel Jamann verteilt Kontaktdaten für mögliche spätere Fragen. Im Studium erfährt man gar nichts darüber, welche Voraussetzungen für die Berufswelt nötig sind, bemängelt Vanessa. Jasmin freut sich über den sehr guten Überblick über die verschiedenen Medienbranchen, die sich bei der LfM NRW präsentieren.

Medienkarriere NRW (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)
Nathanael Liminski und Dr. Tobias Schmid bei der „Medienkarriere NRW“ (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)

Der Stand von Media Broadcast passt auf den ersten Blick so gar nicht zu den Ständen der Content-Lieferanten. Vanessa Strack versucht Fachkräfte für ihr Unternehmen zu rekrutieren. Media Broadcast sorgt für die Medienübertragung vom Studio zu den Hörern und Zuschauern. „Wir sind eben für die technische Übertragung zuständig.“ Medientechniker*innen, Ingenieur*innen kümmern sich um die Produktpflege und probieren neue Übertragungswege aus, um neue Produkte für Kunden zu entwickeln. Auch Marketing- und Human Resources-Abteilungen gibt es bei Media Broadcast, aber keine Redaktion. Das Unternehmen fällt jedoch auf, weil es mit einer Vier-Tage-Woche um Fachkräfte wirbt. Arbeiten die Mitarbeiter nur montags bis donnerstags, fragen wir nach. Strack beruhigt, beim Ausfall kommen die Techniker auch am Wochenende raus. Sie haben Rufbereitschaft.

Gleich fünf Hörfunksender werben um die Aufmerksamkeit der Studierenden, stellvertretend für die NRW-Lokalradios sind die Chefredakteure Christian Zeelen (Antenne Düsseldorf), Tatjana Pioschyk (Radio Neandertal) und Radio RSG-Programmchef Thorsten Kabitz am Stand. Sie haben den Stand neben Radio NRW bezogen. Das Audio Center NRW ist mit Antenne NRW am entgegengesetzten Ende der Stände vertreten.

Jacqueline Fegers bei Medienkarriere NRW (Bild: ?)
Jacqueline Fegers bei Medienkarriere NRW (Bild: ?)

Jacqueline Fegers macht ein journalistisches Volontariat (Print und Online) beim Kolpingwerk Deutschland. Ihr Volontariat endet im kommenden Jahr, sie möchte zum Radio. Erste Erfahrungen mit dem Medium sammelte sie beim Bürgerfunk. Das ist das Mitmachradio auf den Frequenzen der NRW-Lokalradios. „Ich könnte mir grundsätzlich vorstellen multimedial zu arbeiten, aber Radio da schlägt mein Herz für.“ Sie ist begeistert vom super netten Gespräch mit der Moderatorin Nina Tenhaef. Tenhaef ist Ausbildungsbeauftragte bei Radio NRW. „Die hat mich super beraten.“ Nächstes Jahr stehen für Fegers noch zwei Praktika an und deswegen konnte sie ein bisschen die Fühler ausstrecken und auch mal herausfinden worauf es bei der Bewerbung ankommt.

Niclas Rademacher wurde mit dem Radiovirus als Praktikant bei Radio NRW infiziert. Schon in seiner Schulzeit schrieb der angehender Politik-Wissenschaftler für die Tageszeitung. Nach der Schule machte er ein Praktikum bei Radio NRW und schaute den professionellen Kollegen über die Schulter. Während seines Studiums probierte er sich bei Unifunk ‚Radio Q‘ in Münster aus. „Da kann man sich austoben, selber mal moderieren, selber mal Themen aufgreifen.“ Nach dem Studium würde er gerne zum Radio oder Fernsehen wechseln, daran ist er besonders interessiert, doch noch „werkelt“ er an seiner Masterarbeit.

Der Weg zum Radio führt über das altbewährte Praktikum, erzählt Christian Zeelen. Das ist der gängige Weg, dass man ein sechs- oder zwölfwöchiges Praktikum macht. Man lernt die Aufgaben kennen, gewinnt Einblicke und guckt, ob es menschlich passt. Man lernt redaktionelle Abläufe kennen, Texte schreiben und sprechen. Das gehört halt eben auch mit dazu, dass man sich selber mal am Mikrofon versuchen kann, recherchieren ist ein ganz großes Thema. Viele verbinden Radio eben noch mit dem klassischen UKW-Radio, das ist aber heutzutage viel mehr, auch soziale Medien gehört natürlich mit dazu, Homepages etc., auch das ist alles Teil des Praktikums.

Bei Antenne Düsseldorf dauert ein Praktikum sechs Wochen. Zwei Praktikant*innen sind parallel da, die Praktika überlappen sich um drei Wochen. „Wenn man sich natürlich im Praktikum ganz gut anstellt, auch einen guten Eindruck hinterlässt und für sich selber sagt, ‚im Kreise der Redakteur*innen fühle ich mich wohl‘ könnte eine Win-WIn-Situation entstehen, aus der eine freie Mitarbeit resultieren kann. Man übernimmt dann regelmäßig auf Honorarbasis Dienste und baut Beiträge,“ erläutert Zeelen. Vielleicht eröffnet sich danach die Möglichkeit für ein Volontariat. Das hänge von der Stellensituation ab.

Nicht nur der Einstieg ist für die Besucher spannend, sondern auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung. Die Karriereleiter führt beim Lokalradio vom Volontariat, über eine heißbegehrte Redakteursstelle zum/zur Chefredakteur*in. Tatjana Pioschyk erklomm die Karriereleiter in ca. sieben Jahre, bei Zeelen waren es 21 Jahre, weil er zwischendurch Redaktionsleiter beim Fernsehsender center.tv in Düsseldorf war. Pioschyk wechselte den Sender um aufzusteigen. Seit 23 Jahren ist sie nun Chefredakteuren in Mettmann. „Radio ist meine große Leidenschaft, sonst würde ich nicht seit 30 Jahren Radio machen,“ ergänzt Zeelen. Die Bewerberzahl habe sich aber verringert.

„Natürlich war die Situation früher eine andere. Da konnte man in der Tat aus mehr Bewerbungen aussuchen, aber nichtsdestotrotz ist Radio nach wie vor – und das sage ich aus voller Überzeugung – immer noch ein super-attraktiver Arbeitgeber.“ (Christian Zeelen, Antenne Düsseldorf)

Das Jahrzehnte lange Duopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten Deutschlandradio und WDR, sowie der kommerziellen NRW-Lokalradios wurden mit dem Start von DAB+ durchbrochen. In den vergangen zwei Jahren kamen neue Hörfunkanbieter nach NRW. Antenne NRW und NRW1 haben am 24. August 2023 ihre neuen Studios in Köln eröffnet.

Julia Schutz, Programmchefin von Antenne NRW hat viele Dialoge mit der s.g. Generation Z geführt. Sie war gespannt, wie Sie auf Radio zukommen: „Ob sie an unserem Stand vorbei gehen und sagen‚ ist ja uncool‘ oder, ob sie in den Dialog kommen. Und sie kommen in den Dialog. Sie sind beeindruckt von den vielen Jobprofilen, die wir zu bieten haben, dass es eben nicht nur Moderatoren und Redakteure gibt und wir nicht nur Influencer für Musik sind, sondern bei uns so viel mehr dahintersteckt.“

Man sagt ihnen oft hinterher, sie kommunizieren so schlecht. Sie schicken zwar eine Stunde lang Sprachnachrichten, aber scheuen den persönlichen Dialog. Ich habe heute das Gegenteil erfahren und ich freue mich darüber sehr, fasst Schutz den Medienkarriere-Tag zusammen.

Medienkarriere NRW (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)
Alicia (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)

Alicia hatte ganz anderen Weg gewählt, um in die Medien zu kommen. Sie macht ein Bundesfreiwilligenjahr bei der Jungen Presse NRW e.V. Das ist ein Verein für junge Medienschaffende. Da lernt man alle Grundlagen. Das ist eigentlich ein ganz guter Start in die Medienwelt, erzählt sie und findet den Fernsehjournalismus sehr spannend.

„Studio 47“ ist ein regionaler Fernsehsender für den Niederrhein, der vor 17 Jahren von Duisburg aus das erste Mal auf Sendung ging. Vier Volontäre werden bei „Studio 47“ gleichzeitig ausgebildet, erzählt Geschäftsführer Sascha Devigne. Der Sender ist mit anderen regionalen Fernsehsendern vernetzt, Volos werden in der Medienakademie ausgebildet und dürfen auch beim Europäischen Parlament hospitieren. Studio 47 bietet Volontariate regelmäßig an, im zweiten Halbjahr 2024 startet ein neuer Jahrgang.

Bei Maria Lorenz-Bokelberg produziert sogar ein Schreiner Podcasts. Von „Do it yourself“ spricht die Berliner Podcast-Produzentin im RADIOSZENE-Interview. Das kommt hauptsächlich daher, dass die Podcast-Branche noch so jung ist, dass man gar nicht nach Arbeitserfahrung fragen darf, weil es die gar nicht geben kann. Zu ihrem Team gehören Quereinsteiger, die ihr Hobby zum Beruf machten. Aktuell ist das Team voll, aber die Firma wächst Jahr für Jahr. Ungewöhnlich sind die Voraussetzungen, um bei Ihr zu arbeiten.

Die Bewerber werden nach ihrer Liebe zum Podcast gefragt und wie misst man diese? In dem man mit den Leuten in den Gesprächen darüber spricht, was sind ihre Lieblingspodcasts. Seit wann hören Sie schon? Was gefällt Ihnen an Podcast und dann merkt man ja schon, ob das eine echte Liebe ist oder eine für ein Gespräch ausgedachte. Sie selbst hat klassisch als Hörerin angefangen, Podcast zu konsumieren, dann begann sie selbst gemeinsam mit Frida Morische einen Podcast und später auch für Andere zu produzieren.

„Irgendwann habe ich gedacht, jetzt muss ich Geld dafür nehmen.“  (Maria Lorenz-Bokelberg)

Ihr Unternehmen produziert heute Podcasts für Verlage und Unternehmen. Sie selbst schreibt gerne Konzepte und begeistert gerne Menschen für ihr Medium, das bei Länge und Format weniger Zwängen unterliegt im Vergleich zu klassischen Medien. Wer in einer Podcast-Schmiede arbeiten möchte, sollte wissen, was auf dem Podcast-Markt gerade angesagt ist und welche Genres gerade gut funktionieren.

Die Journalistinnen und Journalisten – die ich kenne – haben mit nicht alle Journalismus studiert, sagt Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesmedienanstalt NRW. Viele wählen den Weg über eine Spezialisierung: Ökonomie, Umwelttechnik, Jura, Geschichte, Politologie. Peter Kloeppel hatte Agrar-Wissenschaften studiert. Es gibt sehr unterschiedliche Werdegänge. Am Ende ist Journalismus ja nicht nur das journalistische Handwerk, sondern auch die Leidenschaft für Denkansätze und Ideen. Deswegen führen ganz viele Wege in diesen schönen Beruf.

Julia Schutz, Nathanael Liminski und Dr. Tobias Schmid (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)
Julia Schutz, Nathanael Liminski und Dr. Tobias Schmid (Bild: © Marek Schirmer / RADIOSZENE)

Nathanael Liminski, Medienminister und Chef der Staatskanzlei NRW schwankte zwischen Medien und Politik. Über Praktika führte sein Weg in die Politik. Er begann als Redenschreiber und ist dabeigeblieben.

„Der journalistische Beruf hat eine Faszination auf mich ausgeübt.“ (Nathanael Liminski, Staatskanzlei NRW)

Am Ende geht es natürlich darum, dort zu sein, wo man gebraucht wird, dort wo man auch Sinnerfüllung findet – neben einer ordentlichen Entlohnung. Dafür muss man einerseits das Handwerk erlernen und andererseits die richtigen Menschen treffen. Das Thema Medien war bei uns Zuhause ständig ein Thema. Mein Vater war Zeitungsjournalist, später Rundfunkjournalist und wir haben viel darüber gesprochen, auch über die Rolle und Entwicklung von Medien. Insofern hat mich das persönlich auch immer interessiert, sagt Liminski.

Ein ebenfalls seltener Beruf ist der Beruf des Direktors bzw. der Direktorin einer Landesmedienanstalt. Nur 11 Personen in Deutschland tragen diese Berufsbezeichnung. Die gesetzlichen Voraussetzungen in NRW sind besonders anspruchsvoll, denn der Gesetzgeber setzt die Befähigung zum Richteramt voraus. Dr. Tobias Schmid: „Ich glaube, das überlegt man sich nicht mit 22, dass man das machen möchte. Zu dem Beruf kommt man, wenn man für drei Dinge eine gewisse Leidenschaft entwickeln kann, in meinem Fall für eine funktionierende Rechtsordnung, zum zweiten für Medien als Branche, die die Demokratie fördert und zum dritten für die Frage, wie man diese beiden Dinge sozusagen zusammenbringen kann. Also wie sorgen wir dafür, dass Medien agieren können, damit sie das tun, was sie tun soll, nämlich Vielfalt erzeugen und wie können wir das ganze gleichzeitig auch als Aufsichts- und Förderinstitution begleiten. Wenn man daran Freude hat, dann ist es ein wunderschöner Job. Es gibt auch nicht sehr viele Jobs davon. Meiner wäre dann ungefähr in fünf Jahren wieder frei.“

Der neue Veranstaltungsreihe „Medienkarriere NRW“ der Landesmedienanstalt richtet sich gezielter an die Zielgruppe, als es das Medienbürgerfest und das Medienfest NRW getan haben. Die meisten jungen Besucher haben schon erste Erfahrungen in der Medienwelt gemacht. RTL und SAT1 schicken ihre Reporter vorbei, selbst vertreten mit einem Stand sind sie nicht. Die Branche und der Journalismus insgesamt hat ein riesengroßes Nachwuchsproblem, bestätigt Sascha Devigne.

Wir brauchen dringend gute Journalist*innen. Wir müssen ganze Menge tun, nicht nur die kleinen Medien – wie wir das sind – sondern auch gerade die großen überregionalen und nationalen Titel. Über Probleme der Branche erfahren angehende Medienmacher eher etwas auf den Journalistentagen der Gewerkschaften. Würde der Medienminister seinen Kindern abraten den Journalisten-Beruf zu ergreifen? Wenn eines meiner vier Kinder sagen würde, sie können eine Leidenschaft für den Beruf Journalismus entwickeln, dann würde ich ihn davon ganz sicher auch nicht abraten, sagt Liminski.

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