UKW-Auktion Niederlande: 9 Sender zahlen insgesamt 153 Millionen Euro

Talpa Network, zwei Verlage (DPG Media und Mediahuis), und gleich zwei Nachrichtensender sind die Gewinner der niederländischen UKW Frequenz-Auktion für kommerzielle Radiobetreiber. 

UKW-Auktion Niederlande – Der Gerbrandy Turm, auch bekannt als Sendeturm Lopik, ist mit 372 Metern das höchste Bauwerk der Niederlande (Bild: © Saval.nl)
Der Gerbrandy Turm, auch bekannt als Sendeturm Lopik, ist mit 372 Metern das höchste Bauwerk der Niederlande (Bild: © Saval.nl)

Das bedeutet, dass 9 Radiosendern, davon nur 2 Newcomer, in den nächsten 12 Jahren ein Platz im UKW-Band gesichert ist. Doch welche Konsequenzen wird dies für die niederländische Radiolandschaft haben ab dem 1. September 2023, wenn die neuen Lizenzen in Kraft treten? Eine Analyse von Thomas Giger, ein Radiokenner aus den Niederlanden.


UKW-Auktion Niederlande: 9 Sender von 5 Firmen

Im Vorfeld des Auktionsverfahrens hatte sich die Regierung das Ziel gesetzt, mindestens 74 Millionen Euro einzusammeln. Da sich die Parteien in einer mehrtägigen und blinden Auktion bewarben, wurde der Erlös am Ende mehr als doppelt so hoch. Das ist es, was die 5 mitbietenden Parteien letztendlich pro Frequenz-Los bezahlt haben und was dort aktuell und demnächst on air ist:

  • DPG Media (Qmusic-Paket), bleibt Qmusic – 27,3 Millionen Euro
  • DPG Media (Radio 10-Paket), wird möglicherweise JOE – 20 Millionen Euro
  • Mediahuis (SLAM!-Paket), wird Radio Veronica – 21,8 Millionen Euro
  • Mediahuis (100% NL-Paket), bleibt 100% NL – 11 Millionen Euro
  • Talpa Network (Radio 538-Paket), bleibt Radio 538 – 21,4 Millionen Euro
  • Talpa Network (Sky Radio-Paket) bleibt Sky Radio – 20 Millionen Euro
  • Talpa Network (Radio Veronica-Paket) wird Radio 10 – 17,8 Millionen Euro
  • BNR Nieuwsradio (BNR-Paket), bleibt BNR – 7,4 Millionen Euro
  • Financial News Radio (Sublime-Paket) wird Financial News Radio – 6,1 Millionen Euro

BNR Nieuwsradio

Beim Paket von BNR sind für einen bestimmten Prozentsatz Nachrichten vorgeschrieben und bei 100% NL muss ein bestimmte Anteil des Programms aus niederländischer Musik bestehen, aber bei den sieben anderen Paketen steht es den Betreibern völlig frei, ohne Vorgaben alles zu senden, was sie wollen. Bei den Paketen ohne Bedingungen ist es daher gut möglich, dass ggf. zwischen Sendern desselben Eigentümers die Programme ausgetauscht werden, wenn beispielsweise die stärkste Marke auf den besten Frequenzen senden soll.

DPG Media – Qmusic und JOE?

DPG Media-LogoÜber 27 Millionen Euro für einen Sender zu zahlen, hat einen guten Grund. Damit behält DPG media das beste landesweite, kommerzielle Frequenz-Paket – die Kombi UKW 100,7 MHz & 100,4 MHz – für ihr Kronjuwel Qmusic. Der Hot-AC-Sender mit einer beliebten Morningshow, einzigartigen Benchmarks und auffallenden Promotions hat sich in 18 Jahren erfolgreich die aktuelle Nummer-1-Position erarbeitet. (Ab und zu im Wechsel mit dem öffentlich-rechtlichen NPO Radio 2.)

JOE 70s 80s-Logo

Ein weiterer Gewinn für DPG ist die Akquise eines zweiten Pakets für eine neue, ergänzende Radiomarke. Dies wird eventuell ein Classic-Hits-Format mit dem Namen JOE. Damit kann man dann endlich auch kombinierte Werbeverträge anbieten und ist man also stärker als mit nur einem Sender, auch wenn es der Marktführer ist. Da auf den möglichen JOE-Frequenzen derzeit der direkte Konkurrent Radio 10 zu hören ist, ist der musikalische Übergang für den Hörer minimal.

Talpa Network – Radio 10, Radio 538 und Sky Radio

talpa network-Logo

Das legendäre Radio 10 bleibt für die Niederlande erhalten, muss aber die Frequenz wechseln. Talpa erwarb außerdem Plätze für seinen CHR/Hot AC-Sender Radio 538 und seine Modern AC-Brand Sky Radio; möglicherweise der profitabelste Sender der Gruppe. Der gezahlte Gesamtbetrag von über 59 Millionen ist übrigens deutlich geringer als die mehr als 80 Millionen, die Eigentümer John de Mol in 2003 in die 100,7 MHz & 100,4 MHz investierte für das damalige Noordzee FM.

Mit 3 Sendern bleibt Talpa dominant und erreicht sein Werbenetzwerk immer noch die wichtigen Zielgruppen: Radio 538 mit jungem Profil in Kombination mit Radio 10 (Schwerpunkt erwachsene Männer) und Sky Radio (Schwerpunkt erwachsene Frauen). Es gibt auch keine Kannibalisierung mehr mit Radio Veronica (wie Radio 10 mit einem Classic-Hits-Format), das aus Wettbewerbsgründen verkauft werden musste: ein Unternehmen darf ab jetzt nur noch 3 Radiosender besitzen.

Mediahuis – 100% NL und Radio Veronica

MEDIAHUIS-Logo

Der Käufer von Radio Veronica ist ursprünglich ein flämischer Verlag, Mediahuis, dem bereits Sublime (Rhythmic AC mit einer Mischung aus Funk, Soul und Jazz) gehörte. Sie kauften auch die RadioCorp, den Betreiber von SLAM! (Rhythmic CHR) und 100% NL (AC mit Schwerpunkt auf niederländischer Musik). Da Mediahuis bei der Auktion zwei Frequenz-Lose erworben hat, mussten strategische Entscheidungen getroffen werden. Die zwei kleineren Sender, SLAM! und Sublime, werden daher (vorerst) nicht mehr auf UKW sein.

Sublime FMSublime wird voraussichtlich in einer abgespeckten bzw. Non-Stop-Version über DAB+ weitergeführt. Das Programm SLAM! mit einer junge Zielgruppe hat gutes Potenzial als Online-Marke in Kombination mit Live-Events und einer Audio-Komponente auf DAB+ und digitalem Fernsehen. Mediahuis und auch DPG könnten einem anderen Gewinner theoretisch jeweils einen anderen landesweiten Sender abkaufen. Und es besteht die Möglichkeit, regionale Frequenzen rund um Großstädte zu übernehmen, wo allerdings ein von der Medienbehörde ein Regional-Programm  vorgeschrieben ist.

Zwei Finanznachrichtensender, vier Classic Hits-Sender

Financial News Radio

Bemerkenswert ist der Plan des einzigen Newcomer-Unternehmens, Financial News Radio des Online- und Tech-Investors Joost Zuurbier. Es gibt nämlich bereits einen etablierten Sender, der viele Finanznachrichten bringt: BNR Nieuwsradio (ursprünglich Business News Radio), der auch eine Lizenz erworben hat. BNR bringt aber auch andere News – wie seine öffentlich-rechtliche Konkurrenz bei NPO Radio 1. Zuurbier richtet sich daher vielleicht vor allem auf die Nische innerhalb der Nische: die Entscheidungsträger mit hohen Einkommen.

Radio VeronicaInteressant ist auch, dass es im Markt bald vier Classic-Hits-Sender geben könnte. Radio 10 und Radio Veronica haben viele Gemeinsamkeiten, obwohl sich Veronicas Playlist mehr handverlesen und eklektisch anfühlt – vergleichbar mit dem Jack FM-Format (das Amerikanische „Wir spielen, was wir wollen“-Konzept). Darüber hinaus gibt es NPO Radio 5 (Oldie-based AC mit 60er, 70er und 80er) und möglicherweise also JOE, das bereits auf lokalen UKW-Frequenzen und DAB+ mit derzeit einem 70er- und 80er-Format sendet.

Kein Glück für Auktion-Initiator

KINK-Logo

Ein bemerkenswertes Detail ist, dass die Regierung selbst keine Eile mit der Auktion hatte. Die sollte ursprünglich erst im September 2025 stattfinden. Der Alternative-Sender KINK ging jedoch erfolgreich vor Gericht, um eine frühere Auktion durchzusetzen. Nachdem sie jahrelang via DAB+ gesendet hatten, wollten sie nun so schnell wie möglich auch im analogen Äther funken. Ausgerechnet KINK musste während der Auktion aussteigen, da sie nicht gegen die anderen Parteien mitbieten konnten.

Im Vorfeld der Auktion gab es Gerüchte, dass ausländische Unternehmen mitbieten und sogar ein niederländisches Unternehmen komplett übernehmen würden. Am niederländischen Radiomarkt seien unter anderem das britische Global und das deutsche Bauer interessiert gewesen. Talpa Network wurde als Kandidat genannt. John de Mol (68) wolle sein Imperium vor seinem 70. Geburtstag verkaufen und seine Radio- und TV-Sender „im Schaufenster haben“, so hieß es. Die Teilnahme großer ausländischer Parteien wie Bauer, die in ganz Europa für  große Übernahmen bekannt sind, hätte den Wettbewerb noch spannender machen können.

Kapital-Rendite und Talent-Transfer

Die 12-jährige Lizenzlaufzeit helfe, ein Return on Investment zu ermöglichen, argumentierte die Regierung. Das scheint auf dem gesunden niederländischen Markt auch tatsächlich möglich. Mit mehr als 225 Millionen Euro waren die Nettoinvestitionen in Radiowerbung noch nie so hoch wie in 2022, sagt die Interessengemeinschaft Audify, die von 7,8 % mehr Umsatz als 2021 und 33 % mehr Umsatz als im Corona-Jahr 2020 spricht. Trotzdem werden viele Sender in der kommenden Zeit auf Sparkurs sein, bzw. sehr safe programmieren.

Wenn Formate (weiter) in die Mitte rücken, um eine (noch) breitere Zielgruppe zu bedienen, kommt es auf ein starkes Branding und engagiertes Markenerlebnis an, um die nötige Differenzierung zu erzielen. Und trotz des Aufstiegs der Künstlichen Intelligenz sind es die Menschen, die den Unterschied machen. Vor allem beim Aufbau eines neuen Teams ggf. für JOE und für Financial News Radio. Es wird also erwartet, dass in den nächsten Wochen eine Reihe erfolgreicher Persönlichkeiten zu einem anderen Sender wechseln. Es bleibt damit spannend in den Niederlanden.


Über den Autor

Thomas Giger

Thomas Giger ist ursprünglich Radiomacher und Medienjournalist. Er verfolgt den internationalen Markt und ist aus seiner Position bei PURE Jingles weltweit tätig als Branding-Berater. Thomas schreibt Fachartikel und spricht auf Events über Audio Branding und Format Flow.