Wie kommt Gusseisen aufs Dach – und der Pumuckl zu RTL?

Die kommenden Pumuckl-Geschichten wird nicht mehr der Bayerische Rundfunk ausstrahlen, sondern RTL. Wie kam es dazu, fragt man sich, wo der Pumuckl doch im Bayerischen Rundfunk durch die Mitarbeiterin Ellis Kaut das Licht der Welt erblickte?
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Die Öffentlich-Rechtlichen Sender sind in Deutschland eigentlich sehr markenbewusst, was ihre jüngsten Hörer und Zuschauer betrifft: Ob Biene, Maus oder Maulwurf, alles wird manchmal noch weit schlimmer als bei den kommerziellen Sendern vermarktet und vermerchandised. Doch ausgerechnet der Pumuckl geht nun fremd und läuft zur „Konkurrenz“ über?

Pumuckl (Bild: Ellis Kaut, Barbara von Johnson, Infafilm GmbH, BR und Pumuckl Media GmbH)
Pumuckl (Bild: Ellis Kaut, Barbara von Johnson, Infafilm GmbH, BR und Pumuckl Media GmbH)

Ok, der Pumuckl machte ja ohnehin schon immer, was er wollte. Und die kommerziellen Sender sieht der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk auch gar nicht als die übelste Konkurrenz, sondern Print- und Online-Textjournalisten und Fotografen. Doch hier ist die Lage etwas komplexer:

Am Pumuckl sind ja viele verschiedene Personen beteiligt. Ellis Kaut erfand ihn 1961 als Mitarbeiterin in der Kinderfunkredaktion des Bayerischen Rundfunks, nachdem eine Kollegin gemeint hatte, man könnte etwas Neues gebrauchen. Sie hatte zuvor sieben Jahre die „Geschichten vom Kater Musch“ für den Bayerischen Rundfunk geschrieben und wollte jetzt eigentlich nicht mehr selbst weiter schreiben. Doch ein geplantes Autorenteam lieferte nichts, und so schlug sie im Sommer 1961 der Leiterin des Kinderfunks eine Reihe über einen Kobold namens „Pumuckl“ vor. Entstanden war dieser Name, als sie ihrem Mann bei einem Spaziergang Schnee von den Ästen in seinen Nacken geschüttelt hatte und der darauf sagte „Du bist ja ein rechter Pumuckl!“ und auf Nachfrage, was denn ein „Pumuckl“ sei, antwortete: „In erster Linie ist er frech“.

Der Pumuckl ist ein Kind des Radios und deshalb unsichtbar

Bereits die ersten beiden Manuskripte wurden angenommen und die Reihe vorerst auf ein Jahr, mit einer halbstündigen Sendung monatlich, angesetzt. Es lief dann „etwas“ länger: Die erste Folge Spuk in der Werkstatt wurde am 21. Februar 1962, die letzte Folge Pumuckl geht aufs Meer zurück am 30. Dezember 1973 ausgestrahlt.

Wie es so ist mit Figuren, die man nicht mehr los wird, war Ellis Kaut zeitweise von dem Kobold auch so genervt wie jene, die er neckt. Wurde sogar auf ihrem Landsitz einmal von einer Familie mit lärmendem Transistorradio gestört, und als sie fragte, was das solle, hieß es „aber der Pumuckl kommt doch gleich!“ – die Familie hatte das Radio laut gestellt, um den Beginn der Pumuckl-Sendung nicht zu verpassen.

Ja, der Vorteil des Pumuckl im Radio war: Er war unsichtbar, aber im Radio war das normal, da waren ja alle unsichtbar. Außer eines kleinen Geräuschs, wenn er mit Meister Eder alleine im Raum sichtbar wurde oder wenn er wieder unsichtbar wurde, war keinerlei besonderer Aufwand nötig, um ihn zu vertonen. Wobei das Wichtigste noch die Stimme von Hans Clarin war, der seine Stimmbänder ziemlich verbog, um den kleinen Kobold darzustellen, und die des Sprechers von „Meister Eder“. Alle anderen Figuren wurden nur gelegentlich benötigt. Deshalb konnten die Sender Hörspiele auch selbst in entsprechenden Studios im Haus produzieren, der finanzielle Aufwand war gering und außer den Sprechern mussten keine Fremdpersonen beteiligt werden.

Auch als aus dem Hörspielen die Pumuckl-Schallplatten produziert wurden mit je einer der Geschichten auf Vorder- und Rückseite, war nur wenig zusätzlicher Aufwand notwendig. Es wurden lediglich die Hörspiele noch einmal mit Hans Clarin und Alfred Pongratz und etwas weniger bayerischem Dialekt für einen deutschlandweiten Verkauf eingesprochen anstelle des 1964 verstorbenen ursprünglichen „Meister Eders“, Franz Fröhlich. Hier wurden parallel zur Radiohörspielreihe von 1969 bis 1978 insgesamt 78 Geschichten zur Veröffentlichung auf Tonträger aufgenommen, 66 Folgen mit Alfred Pongratz und als dieser 1977 starb, die letzten 12 Folgen dann mit Gustl Bayrhammer als „Meister Eder“.

Bücher: Nun brauchte es ein Bild des Pumuckl

Ab 1965 erschienen auch Pumuckl-Bücher. Bis 1978 zunächst zehn Bände mit 60 Geschichten im Stuttgarter Herold-Verlag, 1991 ein elfter Band mit sechs weiteren Geschichten. Und hierfür musste Pumuckl nun erstmals sichtbar werden. Für diese Bücher schuf deshalb Barbara von Johnson die Illustrationen und damit das Aussehen von Pumuckl. Ab 2017 erscheinen im Kosmos-Verlag Vorlesebücher, die außer den alten Geschichten auch neue im Stile der am 24. September 2015 verstorbenen Ellis Kaut enthalten. Autorin dieser neuen Geschichten ist Ulrike (Uli) Leistenschneider.

Ab 1978 wurden die Fernsehserien und ein Kinofilm mit Szenen der Fernsehserien produziert. Nun war der Pumuckl endgültig sichtbar geworden. Die Schallplatten wurden noch einmal neu mit Gustl Bayrhammer aufgenommen, damit sie zu den Filmen passten.

Wenn Kobolde sichtbar werden, gibt es Ärger

Mit dem gezeichneten Pumuckl ging nun der Ärger los. Ellis Kaut hat die Pumuckl-Geschichten erfunden, sein Aussehen jedoch Barbara von Johnson, die den Pumuckl 1963 bei einem Wettbewerb entworfen und später im Auftrag von Ellis Kaut gezeichnet hat. 2006 wurde Barbara von Johnson rückwirkend eine Vergütung für die gezeichneten Auftritte des Pumuckls zugesprochen.

In einem weiteren Rechtsstreit zwischen Ellis Kaut und Barbara von Johnson ging es dann darum, ob jene einen Malwettbewerb unterstützen darf, bei dem Kinder eine Freundin für Pumuckl zeichnen sollten, oder ob dieses nicht das Urheberpersönlichkeitsrecht von Ellis Kaut an der literarischen Figur Pumuckl verletze, zumal auch Ellis Kauts Schwiegersohn Brian Bagnall den Pumuckl gezeichnet hatte.

So ging es leider noch eine Weile weiter, bis 2012 dann endlich die Aussöhnung der beiden Pumuckl-Erfinderinnen verkündet wurde. Diese Streitereien hatten die DVD-Produktion und auch die Ausstrahlung etliche Jahre blockiert, erst 2019 (DVD/BluRay) und 2020 (Fernsehausstrahlung) wurden diese fortgesetzt.

Um zukünftig nicht mehr die Pumuckl-Filme mit solchen Scharmützeln zu blockieren und gemeinsam nach außen auftreten zu können, taten sich nun die beteiligten Künstler bzw. im Fall von Ellis Kaut ihre Erben und die Produktionsgesellschaft Infafilm GmbH zusammen und gründeten die Pumuckl Media GmbH. Wer dabei außen vor blieb, ist der Bayrische Rundfunk: Er hat abgesehen von den eigenen Produktionen gar keine Rechte am Pumuckl. Natürlich hätte man gerne weitere Filme im Sinne von Ellis Kaut produziert, alleine, Filme sind weit teurer als Hörspiele und die Rechte waren ja nun auch zu zahlen. Es war nicht mehr bezahlbar:

Über ein Jahr lang hatte der BR federführend für die ARD mit der NEUESUPER über eine Neuverfilmung der Pumuckl-Serie verhandelt. Zu diesem Zeitpunkt war noch ein anderer Finanzierungspartner im Boot, der schließlich ausstieg. Eine alleinige Finanzierung der neuen Pumuckl-Serie war der ARD dann aus Kostengründen nicht möglich. Als Produktionsfirma steht es der NEUESUPER selbstverständlich frei, sich ihre Partner für die Ausstrahlung zu suchen. (Bayerischer Rundfunk)

Aber es besteht kein Grund zur Sorge, dass der neue Pumuckl nun eine Enttäuschung wird. Nur wird er halt nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen sein.

Die Regie wird der preisgekrönte Regisseur Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“, „Beste Zeit“, „Trautmann“) übernehmen, der unter anderem auch für erfolgreiche Kinderfilme wie „Unheimlich perfekte Freunde“ verantwortlich zeichnete. Die Dreharbeiten sind für Frühjahr 2022 in München geplant. Beta Film hat die Neuverfilmungsrechte am „Pumuckl“ über die Pumuckl Media GmbH (Geschäftsführerin: Cornelia Liebig) erworben und wird die Serie weltweit vertreiben.

Henning Tewes, Geschäftsführer RTL Television & Co-Geschäftsleiter TVNOW: „Mit den Geschichten vom Pumuckl sind viele Menschen in Deutschland aufgewachsen. Sie stehen für Heimat und Zusammenhalt, aber natürlich auch für Humor und liebenswürdige Missetaten. Wir freuen uns sehr, dass der Pumuckl jetzt bei uns eine neue Senderheimat gefunden hat und wir unseren Zuschaurinnen und Zuschauer zusammen mit NEUESUPER bald von seinen neuen Abenteuern rund um die Schreinerwerkstatt von Meister Eder erzählen dürfen – hochwertig und liebevoll inszeniert. Denn das ist die Form von Familienunterhaltung, für die wir mit der Marke RTL stehen wollen.“

Korbinian Dufter, Geschäftsführer und Produzent von NEUESUPER: „Pumuckl ist für uns vor allem eines: wunderbare Kindheitserinnerung. Ellis Kaut hat eine von Generationen geliebte Figur geschaffen. Pumuckl ins Hier und Heute zu holen, ist uns eine große Ehre. Mit Marcus H. Rosenmüller, der für warmherzig, humorvoll und liebenswert inszenierte Filme steht, wollen wir die Geschichten des Kobolds mit dem roten Haar für Kinder und Erwachsene von heute weitererzählen. Bei der Pumuckl Media GmbH bedanken wir uns für das Vertrauen, das sie uns bei der Umsetzung schenkt. Wir freuen uns, mit RTL einen Partner zu haben, der wie wir die bayerische Seele der Pumuckl-Geschichten bewahren und gleichzeitig eine zeitgemäße Unterhaltungsserie für die ganze Familie schaffen will.“ (Mediengruppe RTL)

Nur im Radio, wo er „geboren“ wurde, wird der „neue“ Pumuckl nun leider wohl nicht mehr spuken, obwohl RTL mit dem Kinderradio-Kanal Toggo Radio ja durchaus den passenden Sendekanal hierfür hätte. Wie gut, dass die 3 ??? nie verfilmt wurden, sie wären sonst wohl als Hörspiel längst vergessen…

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