Billiglohn

bitter lemmer klein

Im Radio-Oberhaus mag man sich nicht vorstellen können, wie es im Radio-Unterhaus zugeht. Da bekommen Moderatoren pro Moderationsstunde unter 20 Euro, fahren damit vier oder fünf Stunden Sendung plus Vorbereitung. Da zahlen Sender freien Reportern für Nachrichtenaufsager zehn Euro. Redakteure erhalten Tagessätze von 74 Euro. Am Monatsende kommen dann Summen von ein paar Hundert Euro zusammen, im besten Fall mal ein bis zwei Tausend. Die Kassiererin bei Aldi verdient besser.

Besonders kurios ist, dass derart kurz gehaltene Billiglöhner als Nachrichtenautoren auch über Themen wie staatlich verordneten Mindestlohn oder Tarifverhandlungen berichten. Da reden sie dann über Leute, deren Lage sie als bejammernswert darstellen, obwohl die Bejammerten oft mit mehr Geld nach Hause gehen als die, die sie on Air bejammern.

Etwa bei Radio XY, einer landesweiten Station in Westdeutschland. Dort sickerten soeben die für das neue Jahr aktualisierten und teilweise gesenkten Honorarsätze durch. Redakteure bekommen demnach 14 Euro pro Stunde. Gebaute Beiträge bringen 30 Euro. Mehr Geld gibt es nur, wenn der Vertrieb ein bezahltes Stück für einen Werbekunden in Auftrag gibt. Dafür bekommt der Redakteur dann 55 Euro. So jedenfalls hört man es aus dem Sender.

Die Geschäftsleitung reagiert auf Nachfragen mit üblichen allgemeinen Formulierungen. Zu „unternehmensinternen Daten bzgl. unserer Mitarbeiter“ wolle man sich „nicht äußern“, schreibt Sprecherin Z. Außerdem würden freie Mitarbeiter als „Springer“ eingesetzt. „Die Tätigkeit als freier Mitarbeiter dienst also einem Zusatzverdienst“, so Z. „Das ist übrigens nicht nur bei RADIO XY so, sondern in der Radiobranche durchaus üblich“.

Stimmt – leider. Radiomachen verkommt zum Nebenjob. Das liegt wohl auch an der Lage auf dem Arbeitsmarkt. „Es gibt nicht annähernd so viele Stellen wie es Nachwuchsjournalisten gibt“, stellt DJV-Sprecher Hendrik Zörner fest. Mehr als solche wohlfeilen Aussagen und den Ruf nach Vaters Staats gesetzlichem Mindestlohn fällt den Gewerkschaften freilich nicht ein. Das Aushandeln von Tarifverträgen scheint für die Funktionäre offenbar nicht mehr lukrativ genug.

Allein die Sender für die Lage verantwortlich zu machen greift freilich auch zu kurz. In manchen Bundesländern haben die Medienbehörden dafür gesorgt, dass die Landschaft derart verworren oder kleinteilig ist, dass einfach kein lohnendes Geschäft und damit kaum ein auskömmlicher Arbeitsplatz möglich ist. In Bayern etwa knapst ein wesentlicher Teil der Branche mit Kleinstbudgets vor sich hin, was im Wesentlichen eine Folge der staatlichen Radio-Planwirtschaft im Freistaat ist.

Freilich gibt es in Bayern auch Lokalstationen, die dennoch besser zahlen als das landesweite Radio XY. Und da darf man dann wohl schon fragen, ob die Eigentümer und Gutverdiener der Station mit Dienstwagen und Gewinnbeteiligung wenigstens rot werden, wenn in ihrer Nähe über das sprichwörtliche Auseinanderklaffen von arm und reich diskutiert wird.


Christoph Lemmer Portrait 2012 100
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist.

E-Mail: christoph@radioszene.de