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hr1 – Reichweite mit Gefühl

Von Hendrik Leuker

hr-Eingangsschild vor dem Funkhaus
hr-Eingangsschild vor dem Funkhaus

Der Weg von hr1 zu einem Tagesbegleitprogramm eingeleitet durch eine große Programmreform zum Jahreswechsel 2004/2005 war steinig und schwer. Die mit der Reform verbundene Einstellung von etablierten Sendungen löste einen wahren Proteststurm aus, extern aber vor allem intern. Heute ist das Programmformat von hr1 sowohl bei den Hörern als auch in den funkhausinternen Reihen akzeptiert.

„Wir verfolgen im Hessischen Rundfunk (hr) eine Flottenstrategie mit unseren sechs Radioprogrammen, die natürlich nicht wechselseitig in Konkurrenz treten sollen.“, erklärt Programmleiter Andreas-Peter Weber (50). So ist hr3 die Rock- und Popwelle des Hauses; hr4 strahlt ein Heimat- und Schlagerformat aus; hr2 widmet sich kulturellen Themen, YOU FM ist das Jugendprogramm und hr info sendet rund um die Uhr tagesaktuelle Informationen.

Die Programmreform hatte seinerzeit die Auflösung der Fachredaktionen im Gemischtwarenladen hr1 zum Gegenstand hin zu einem durchhörbaren Tagesbegleitprogramm, noch eingeleitet unter Webers Vorgänger Christian Gramsch. Programmleiter Andreas-Peter Weber ist seit Juni 2006 bei hr1. Zuvor war er in gleicher Funktion bei Europawelle Saar von 1997-2006 tätig; zusätzlich baute er den SR-Ableger „103,7-Unser Ding“ (Jugendprogramm) mit auf (2000-2006).

Ziel einer solch einschneidenden Programmreform, wie sie vor rund sieben Jahren eingeleitet und im Laufe der Jahre verfeinert wurde, ist die Verbesserung der Ansprache der Hörer mit infolgedessen möglichst steigenden Quoten an Tagesreichweite (Höreranzahl) und Marktanteil (Hördauer) unter Wahrung eines aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu Bildung, Information und Unterhaltung folgenden Qualitätsmaßstabes.

Der Weg, wie die Konkurrenz der Privatsender zum Hörerfolg kommt, soll also nicht einfach nachgeahmt werden: „Wir machen ein journalistisch geprägtes Tagesbegleitprogramm. Unsere Moderatoren sind Journalisten. Die Information kommt bei einem Wortanteil von 40 %, zu dem natürlich auch das zentrale Informationselement des Senders, der ganztägige Wetter- und Verkehrsservice und Werbung gehört, nicht zu kurz. Unsere Textstrecken sind im Schnitt 3:30 bis-4:30 Minuten lang, mithin erheblich länger als bei vielen Privatsendern.“, hebt Weber den qualitativen Anspruch auch an ein populäres öffentlich-rechtliches Programm, wie es hr1 nach seinem Selbstverständnis ist, hervor.

hr1-Programmchef Andreas-Peter Weber (2006-2011) an seinem Schreibtisch
hr1-Programmchef Andreas-Peter Weber (2006-2011) an seinem Schreibtisch

Seiner Ansicht nach wurde auch die Ansprache der Hörer im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert. „Auf jeden Fall. Wir sind auf Augenhöhe mit unseren Hörern gegangen. Wir haben eine sprachliche Form gefunden, mit der sich die Menschen identifizieren können. Unsere Hörer erkennen, dass wir wissen, wovon wir reden.“, hebt Weber hervor.

Der in Zahlen messbare Erfolg blieb in der Tat- nach Anfangsschwierigkeiten- nicht aus: Bis zum Sommer 2004 war hr1 das Informationsprogramm des hr. Im Zeitraum von der Media Analyse (MA) 2004 /I zur MA 2005/I gingen nach der Programmreform 25 % der Hörer verloren. Seit 2007 ist aber ein solider Aufwärtstrend zu verzeichnen: hr1 steigerte seine Tagesreichweite von 260 000 Hörer auf 559 000 Hörer, um mehr als das Doppelte also, der Marktanteil beträgt aktuell 11 %.

Seit 2006 wird die etwas boulevardartige Beschreibung „hr1 – das Radiomagazin“ nicht mehr verwendet. Im Prinzip ist hr1 wieder ein Informationsprogramm jedoch in einer modernen Verpackung, die auf die heutigen Hörgewohnheiten verstärkt Rücksicht nimmt.

Journalistischer Tagesbegleiter für die Hörer

Schon am Morgen in „hr1-Start“ (6-10 Uhr) bringt das Frühredaktionsteam 3-4 Themen des Tages oder solche, denen man es zutraut, dass sie sich soweit entwickeln, mit unterschiedlichen Zugängen ins Programm. Dabei wird, soweit möglich, auf den Bezug zu Hessen und das alltägliche Leben der Hörer geachtet.

„Morgens hören uns unsere Hörer im Durchschnitt 40 Minuten zu. Innerhalb dieser 40 Minuten wollen wir die wichtigsten aktuellen Themen abgehandelt haben.“, legt Weber den Maßstab an die Morgensendung hoch. Jede Programmstrecke ist genau zwei Moderatoren zugeordnet, die sich wöchentlich abwechseln. In der meistgehörten Sendung „hr1-Start“ bildet das Eigengewächs Martin Woelke mit Dagmar Fulle das Morgenteam. „Wir setzen auf Persönlichkeiten bei der Moderation.“, macht Weber unmissverständlich klar.

Marion Kuchenny moderiert hr1-Meridian
Marion Kuchenny moderiert hr1-Meridian

Während „hr1-Vita“ (10-12 Uhr) eine eher serviceorientiertere Tagessstrecke ist und „hr1- Metro“ (12-14 Uhr) als Mittagsmagazin die Hörer konsequent weiter informiert, dringen in „hr1- Meridian“ (14-18 Uhr), abwechselnd von Marion Kuchenny und Marco Schreyl, letzterer bekannt als RTL-Moderator aus dem Fernsehen (DSDS), moderiert, eher emotionale Themen an das Ohr der Hörer. In „hr1-Prisma“ (18-20 Uhr) kehrt man dann zur Weltbühne und großen Politik zurück.

Insgesamt besteht die Redaktion von hr1, die täglich mehrere Dutzend Themen recherchiert und abarbeitet, aus 80 Personen, Teilzeitkräfte eingerechnet. „Zudem können wir jederzeit bei Bedarf auf das Korrespondentennetz der ARD zurückgreifen.“, ergänzt der Pressereferent von hr1, Hartmut Hoefer (42). Um 20 Uhr wartet hr1 mit „hr1- Lounge“ (20-24 Uhr) , einem musikjournalistischen Programm, auf.

Lohnt es sich hr1 auch am Wochenende einzuschalten? Am Samstag von 12-14 Uhr ist-jawohl-eine Kochsendung im Radio aufzunehmen. Sie heißt „Dolce Vita“: Mikel Pedrana gibt darin Kochtipps. Auch König Fußball macht samstags in „hr1 Arena“ (14-18 uhr) Station im Funkhaus am Dornbusch. „Ohne den geht es nicht.“, weiß Hoefer um die erste Informationsquelle des Fußball-Fans, und sei es um zu wissen, wie es in den anderen Stadien steht.

Prominente Studiogäste reden sonntags in „hr1-Talk“ (10-12 Uhr) über ihre neuen Projekte, Bücher und Filme und werden dabei zum Teil sehr persönlich. Den einzigen Jackpot, den man trinken kann, gibt es im sonntäglichen Hessen-Quiz „hr 1- Jackpot“ (16- 18 Uhr) zu gewinnen. Äppelwoi oder nach Wahl Apfelsaft. Zuvor kommen Hörer mit Fernweh im Reisemagazin „hr1-Globus“ (14-16 Uhr) auf ihre Kosten.Die Programmvielfalt bedingt es auch, dass neben den Hörern inzwischen auch kritische Geister im Funkhaus wieder versöhnt sind.

Diese waren mit ihrem Anliegen auch an die Öffentlichkeit vor allem per Internet gegangen (www.rettedeinradio.de). Diese Seite wird aber seit Jahren nicht mehr aktualisiert, was auch für das Abflauen des Protests spricht, der seinerzeit hauptsächlich von Gewerkschaftern im Haus und dem Frankfurter DGB ausging sowie von Fans der Abendsendungen.

Der Protest machte sich hauptsächlich daran fest, dass das Radio-Feuilleton „Der Tag“ von hr1 2004 zum Kulturprogramm hr2 überwechseln musste. Heute befindet es sich bei hr-info. In der Abendschiene musste die musikjournalistische Sendung „Schwarz-Weiß- Musik in Farbe“ der „hr1-Lounge“ weichen. „Der Musikjournalismus ist sicher geblieben. Der Abend hat durchaus Anspruch. Es wird aber nicht mehr soviel Musik abseits des Mainstreams gespielt wie vorher.“, merkt Hoefer hierzu an.

Gefühl und emotionale Bindung

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Im Internetzeitalter muss ein Sender neue Wege der Hörerbindung gehen. „In diesem Zusammenhang gewinnt das Netzwerk Facebook und unsere hr1-Website zunehmend an Bedeutung. Einen Hörerklub unterhält hr1 nicht. Der Aufwand wäre zu groß und die Relevanz eines solchen Clubs heutzutage fraglich.“, wirft Hoefer ein.

„Wir bei hr1 sind – im Gegensatz zu den jüngeren Programmen unseres Hauses – in der glücklichen Lage, dass unsere Hörer, die meistens jenseits der 40 sind, noch ein Verhältnis zum klassischen Medium Radio haben. Gleichwohl stellen wir auf die hr1-Website inzwischen fast eine Million Zugriffe im Monat fest und verzeichnen auch schon eine rege Nachfrage nach der von unserer Website herunterladbaren hr1-App.“, zeigt sich Programmleiter Weber erfreut.

Ein Gefühl zu schaffen, emotionale Bindung herzustellen – dieses Anliegen des Senders kommt auch im Claim von hr1 zum Ausdruck. Dieser lautet einprägsam: „ ich hör´(hr) 1- und das Gefühl ist wieder da“.

„Hörer verbinden mit im Programm gespielter Musik emotionsbildende Erlebnisse wie den ersten Kuss, die erste Liebe, Partys, Studium oder das erste Auto. Wir möchten mit unserem Programm dieses Gefühl transportieren. Wenn der Hörer hr1 einschaltet, wenn er ein bestimmtes Musikstück hört, dann sollen bei ihm bewusst diese Gefühle geweckt werden.“, erklärt Weber

Auch inhaltlich lässt sich das Motto greifen, immer dann nämlich, wenn Hörer bei Musikstücken über ihre damit verbundenen Erlebnisse andere Hörer teilhaben lassen. Die Musik setzt sich bei hr1 aus Oldies der 60er, 70er und 80er Jahre zusammen kombiniert mit durchaus aktuellen Softpop-Titeln (oldiebased AC – Format).

„Wir leben im heute.“, merkt Weber dazu an. Nicht zuletzt wirkt das Programm dadurch auch jünger und frischer. Damit man am Hörer nicht vorbeisendet, wertet man bei hr1 den „Trend“ aus, so heißt eine hauseigene Meinungsforschungsuntersuchung der ARD, die einmal im Quartal erhoben wird. Einmal im Jahr beauftragt man das Marktforschungsinstitut SAW mit Sitz in Oberhausen.

Nicht zuletzt treffen bei hr1- Außenveranstaltungen Programmmacher auf Hörer. Wenn sich die Hörgewohnheiten ändern, wird auch das Programm behutsam nachjustiert. Der positive Effekt dieser Marktforschung in Form des Erreichens attraktiver gebildeter Hörerschichten und gestiegener Werbebuchungen hat sich bereits eingestellt.

Vor dem hr- Funkhaus in Frankfurt-Dornbusch
Vor dem hr- Funkhaus in Frankfurt-Dornbusch

Profiteam , Wetterpiloten und Preise

Als Programm konzipiert für ältere Erwachsene unterhält hr1 Kontakte zu Spezialisten auf bestimmten Gebieten , die das hr1- Profiteam des Senders bilden:

Unter den 10 Experten befinden sich zum Beispiel ein Gärtner, ein Personaltrainer, ein Börsianer bis hin zum Psychologen. Expertentum gilt als klassisches Aushängeschild eines modernen Radios für Erwachsene.

Aber auch die Hörer können sich aktiv am Programm von hr1 beteiligen: 500 Hörerinnen und Hörer fungieren als Wetterpiloten. Diese unterhalten meist zu privaten Zwecken Wetterstationen in ganz Hessen und haben einen Zugangscode für die Seite der Wetterpiloten auf der hr1-Website. Diese Seite wird zweimal am Tag aktualisiert.

So wird der hr-Wetterbericht im Radioprogramm mit den Daten von Ortskundigen aus der gesamten Fläche Hessens ergänzt und es werden zudem mitunter auf der hr1-Website Bilder von Wetterphänomenen veröffentlicht.

Events spielen nicht die Rolle wie bei vielen Privatsendern – aber es gibt sie: So ist der „hr1-Dancefloor“ , eine Art Ü 30-Party, regelmäßig unterwegs in Hessen, in festen Locations ist er in Kassel, Wiesbaden und Bad Homburg von der Höhe anzutreffen; mit den restlichen Veranstaltungen tingelt man durchs ganze Land.

Im Schnitt verzeichnen diese Partys, die oft bis 4 Uhr am nächsten Morgen gehen, 1000 Besucher. Außerdem präsentiert hr1 Konzerte in Hessen, die zum im Programm gespielten Musiksegment passen. Zuletzt von den Eagles in Wiesbaden, den Scorpions („Farewell Tour“) am Hessentag 2011 in Oberursel (Südhessen) und von Joe Cocker in Fulda. Medienpartnerschaften geht hr1 wohlüberlegt nicht ein: „Wir wollen uns eine unabhängige Berichterstattung erhalten.“, entgegnet Weber.

Gewinnspiele zu veranstalten ist den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht verwehrt wie vielfach angenommen. „Diese spielen bei uns aber nicht die zentrale Rolle. Das darf man als öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch nicht übertreiben. Der Hörer soll um des Programms willen einschalten. Wir setzen Gewinnspiele daher nur dosiert ein, “ gibt Programmleiter Weber zu bedenken. „Auch legen wir bei unseren Gewinnspielen Wert darauf, anspruchsvolle Preise auszuloben.“, ergänzt Hoefer.

Programmerneuerungen stehen in nächster Zeit nach dem Austausch der Moderatoren der Morgensendung nicht im großen Stil an. „Wir überlegen uns mittelfristig die Einführung von Regionalnachrichten“, lässt sich Weber ein wenig in die Karten blicken.

Aktuelle Ergänzung:

Nach Abfassen des Berichts erreichte mich von der hr1- Pressestelle die Nachricht, dass Andreas-Peter Weber ab 01.September 2011 zum Deutschlandradio als Programmdirektor wechseln wird. Sein Nachfolger als Wellenchef von hr1 wird Martin Lauer.

Mein persönliches Fazit

Mit einem journalistisch geprägten Tagesprogramm balanciert hr1 das Spannungsfeld von Qualität und Quote, das der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk wesensmäßig erzeugt, überzeugend aus. Auch entsteht mit Oldies aus den 60er, 70er und 80er Jahren geschickt mit stimmigen Softpop-Titel kombiniert, eine durchaus zeitgemäße und gefällige Musikauswahl.

Die teilweise in Beiträgen gekleideten Querverweise zu Fernsehprogrammen, fast ausschließlich zum Ersten (ARD) und zum Hessischen Fernsehen (III. Programm), erfolgen mir zu oft und zu einseitig. Hier sollte Radio mehr Souveränität beweisen: Das könnte sich so äußern, dass Fernsehen im Programm nur beiläufig erwähnt wird, schließlich sollen die Hörer doch weiter zuhören, oder?- oder aber, dass nicht nur die Studiogäste das ZDF und die Privaten ins Spiel bringen.

So lebt der mündige Hörer in eben dieser Gesellschaft, in der auch das ZDF, RTL und ProSiebenSat1 präsent sind.

Hendrik Leuker ist Redakteur des RADIO KURIER; der Bericht wurde am 10.06.11 recherchiert und erschien in der November-Ausgabe des RADIO KURIER; Fotos: Hendrik Leuker- 06/11.

Das hr- Funkhaus in Frankfurt von außen
Das hr- Funkhaus in Frankfurt von außen

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Leistungsstärkste UKW-Frequenzen von hr1:

Biedenkopf (Mittelhessen) 91,0 MHz (100 kW)
Gr. Feldberg (Taunus) 94,4 MHz (100 kW)
Hoher Meißner (Nordhessen) 99,0 MHz (100 kW)
Hardberg (Südhessen) 90,6 MHz (50 kW)
Rhön (Osthessen) 104,8 MHz (50 kW)

Weitere Frequenzen gehören zu Füllsendern. Diese stehen auf der hr-Website. Empfangsberichte werden mit einer QSL- Karte bestätigt.

XPLR: MEDIA Radio-Report