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Radioforschung goes online

Von Dr. Florian Kerkau

radioforschungonline-topReichweitendaten für Hörfunksender erscheinen nur zweimal im Jahr. Vielen Radiomanagern ist das zu wenig, um den Erfolg ihrer Sender optimal zu steuern. Gerade größere Sender beauftragen daher regelmäßig Marktforschungsunternehmen mit der Durchführung eigener Studien, die deutlich tiefergehendes Zahlenmaterial liefern als die MA. Üblicherweise werden diese Hörerbefragungen telefonisch durchgeführt. Man möchte möglichst nah an der Methodik der MA bleiben, denn diese Werte gilt es schließlich nach oben zu bringen. Die telefonische Erhebungsweise liefert verlässliche Daten, hat aber zwei entscheidende Nachteile: Zum einen dauert sie verhältnismäßig lang, zum anderen ist sie recht kostenintensiv. Vor allem kleinere Stationen können sich die Durchführung eigener Studien deshalb oft nicht leisten.

Sind Online-Befragungen eine Alternative?

In der Marktforschung jenseits der Radioforschung erleben Online-Befragungen derzeit einen Boom. Im Vergleich zur Telefonbefragung fallen hier nur etwa die Hälfte der Kosten an. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 nutzen 69,4 Prozent der Menschen in Deutschland ab 14 Jahren das Internet. Betrachtet man lediglich jüngere Alterscluster, liegt dieser Anteil noch deutlich darüber: 100 Prozent bei den 14-19-Jährigen und 98,4 Prozent bei den 20-29-Jährigen. Fällt es da noch ins Gewicht, wenn man die „Offliner“ bei der Datenerhebung systematisch ausklammert – erst recht dann, wenn die jungen Zielgruppen der Privatradiosender befragt werden sollen? Die Goldmedia Custom Research GmbH ist als unabhängiges Institut dieser Frage mit einer Vergleichsstudie auf den Grund gegangen. Dazu wurden im Frühjahr 2010 die Daten für eine Marktstudie im Raum Berlin parallel mit je 800 Teilnehmern sowohl online als auch telefonisch erhoben. Sowohl Befragungsgebiet als auch Stichprobengröße und Altersschichtung waren bei der Befragung identisch. Das Studienfazit ist eindeutig: Die Unterschiede zwischen den Ergebnissen aus Telefon- und Onlinebefragung sind (überraschend) gering und bewegen sich überwiegend im Bereich der statistischen Schwankung.

radioforschungonline-chartGoldmedia-Vergleichsstudie zum Berliner Radiomarkt: Zur Methodik und wichtigen Ergebnissen

Bei einer telefonischen Datenerhebung (CATI) hat theoretisch jeder Haushalt die gleiche Chance, befragt zu werden. Allerdings stimmt dies nur bis zu jenem Zeitpunkt, an dem der Telefonhörer abgenommen wird. Erfahrungen belegen, dass der Anteil der CATI-Verweigerer recht hoch ist. In der Online-Befragung wurden die Nutzer am Ende gefragt, ob sie an dem Interview auch telefonisch teilgenommen hätten. Zwei Drittel der Befragten gaben dabei an, dass sie dies „eher nicht“ (30 Prozent) bzw. „in keinem Fall“ (37 Prozent) getan hätten. Personen, die Telefoninterviews kritisch gegenüberstehen, sind also in Telefonbefragungen unterrepräsentiert.

Stichprobenverzerrungen gibt es jedoch auch bei Online-Befragungen. Denn hier werden nur Personen, die bei einem Panel registriert sind, zur Teilnahme aufgefordert. Es ist daher besonders interessant zu analysieren, ob sich die systematischen Verzerrungen sowohl bei CATIs als auch bei Online-Befragungen in unterschiedlichem Antwortverhalten widerspiegeln.

Bei der soziodemographischen Zusammensetzung der Stichprobe gab es in der Studie keine Unterschiede, beide Stichproben wurden nach dem ADM Mastersample geschichtet.

Die gewonnenen Daten aus Telefon- und Online-Befragung liegen überraschend eng beieinander. Fast alle Unterschiede zwischen Telefon- und Online-Befragung waren so ähnlich, dass sie statistisch unbedeutend sind. Bei den P1-Anteilen (höchste Präferenz für den Sender) etwa liegen die Unterschiede mit Ausnahme von zwei Sendern alle im statistischen Schwankungsbereich. Die Ergebnisse unterschieden sich also – rein statistisch gesehen – nicht. Das gilt auch für die meisten anderen Indikatoren wie Moderatoren- und Musikbewertung, Senderimage, Hinzugewinne und Verluste, etc.

radioforschungonline_bekanntheitEtwas anders sieht es dagegen bei der „ungestützten Bekanntheit“ aus: Den CATI-Befragten fallen im Schnitt etwas mehr Sender ein (5,2 Sender statt 4,9 Sender bei der Online-Befragung). Diese Differenz ist den unterschiedlichen Erhebungsweisen geschuldet: Bei der Telefonbefragung kann der Interviewer Kontrolle und Motivation ausüben. Dies ist bei der Online-Befragung nicht der Fall und es ist den Befragten wohl auch weniger “unangenehm“, nicht ganz so viele Sender aufzählen zu können. Allerdings: Die ermittelten Rankings der Sender sind bei Telefon- und Online-Befragung wieder gut miteinander vergleichbar.

Gemessen an einem Außenkriterium (etwa einer anderen Studie – z.B. anderen Markt-Media-Studien oder amtlichen Statistiken) zeigen beide Methoden ähnlich hohe Ähnlichkeiten zu diesen. Interessant ist auch ein genereller Effekt bei der Bewertung der Musikmontagen. Hier bewerteten die Onlineteilnehmer die Musik mit durchschnittlich 0,16 Punkten auf einer 5-Punkte-Skala besser, als die Telefonteilnehmer. Ein Grund dafür könnte in der besseren Audioqualität der Computer im Gegensatz zum Telefon liegen.

Doch wie sieht es bei Fragen aus, die internetspezifisch sind? Hier zeigte sich zwar ein Unterschied, allerdings war dieser weit weniger auffällig als angenommen: Bei der Frage nach den Werbemitteln für Radiosendergaben 8,2 Prozent der Online-Befragten an, dass ihnen Bannerwerbung im Internet aufgefallen sei. Bei den telefonisch Befragten beläuft sich dieser Anteil nur auf 6,3 Prozent. Bei den anderen Werbemittelfragen waren die Unterschiede wieder marginal (z.B. Kinowerbung: 3,3 Prozent CATI vs. 3,7 Prozent Online-Befragung; Printanzeigen: 12,7 Prozent CATI vs. 12,6 Prozent Online-Befragung).

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Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer der Goldmedia Custom Research GmbH
Dr. Florian Kerkau ist Geschäftsführer der Goldmedia Custom Research GmbH

Onlinebefragungen bieten eine gute Alternative vor allem für kleine Sender

Eine adäquat durchgeführte Online-Befragung erreicht heute ein ähnliches Datenqualitätsniveau wie eine Telefonbefragung. Gerade für kleinere und mittlere Sender öffnen sich dadurch neue Möglichkeiten, auch mit geringen Mitteln verlässlich an empirische Daten für die strategische Planung und Ausrichtung ihres Senders zu gelangen. Ob für Einzeluntersuchungen oder Trackingstudien – Onlinebefragungen sind ein adäquates Tool, die Hörergunst schnell und preisbewusst zu beobachten.

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