Von Inge Seibel-Müller (Hörfunker.de)
Am Freitag ist offizieller Verkaufsstart für das iPad in Deutschland. Weil die Nachfrage in den USA nach diesem scheinbaren Wundergerät so groß war, hatte sich der internationale Start um einen Monat verschoben. Längst gewappnet für dessen Ankunft sind viele deutsche Radiostationen.
Welch ein Satz: „Jeder Verleger der Welt sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet“, zu dieser Aussage lies sich voller Begeisterung Springer-Chef Matthias Döpfner Anfang April in einem Fernsehinterview mit dem US-Journalisten Charlie Rose hinreißen. „Das iPad“ so Döpfner, „bringt das, auf was wir alle gewartet haben.“ Auch die Buchbranche setzt nicht minder große Hoffnungen auf das iPad als Lesegerät der Zukunft; Film- und Fernsehproduzenten erhoffen sich neue Absatzwege für ihre Kinostreifen und Serien.
Was ist das für ein Gerät, das nicht nur Verlagsmanager in der ganzen Welt zu solch euphorischen Aussagen hinreißen lässt? Blick ins Wikipedia-Lexikon: „Das iPad ist ein Tablet-Computer des amerikanischen Herstellers Apple, der sich durch einen berührungsempfindlichen Bildschirm bedienen lässt. Die Software basiert auf der des Apple iPhone, das bereits ein ähnliches Bedienkonzept hat.“
Seit dem Verkaufsstart Anfang April in den USA wurden bereits mehr als eine Million dieser Multi-Touch-Geräte verkauft, bis Ende des Jahres sollen es nach Expertenschätzungen über 8 Millionen werden. Laut Hersteller wurden in den ersten vier Wochen über 12 Millionen Apps und 1,5 Millionen eBooks aus dem AppStore heruntergeladen. Für den deutschen TV-Journalisten und bekennenden Apple-Fanboy Richard Gutjahr, der im April als weltweit erster iPad-Käufer Furore machte, ist es „eine gigantische Medien-Konsum-Maschine. Surfen, Lesen, Videos und Musikclips schauen, Spiele spielen – das alles macht so viel mehr Spaß, als auf dem Laptop oder am PC“.
Verschmäht wird es zurzeit lediglich vereinzelt – beispielsweise von Star-Blogger Jeff Jarvis. Der Medienprofessor und Autor des Buches „Was würde Google tun?“, hat sein Gerät demonstrativ wieder eingepackt und zurückgeschickt. Die Begründung des Internetvordenkers: Das iPad sei ein Rückschritt, da es nur zum Konsumieren und nicht zum Produzieren von Inhalten geeignet sei.
Das deutsche Medienecho kurz vor Verkaufsstart ist geprägt von einer Faszination gepaart mit Fragen, wie es unsere Mediennutzung verändern könnte. Deutschlands große Privatradiostationen sind bereits seit Wochen auf den Start des iPad-Verkaufs vorbereitet. Die meisten Radiosender bieten schon seit geraumer Zeit ihre Radio-Programme und Zusatz-Informationen wie Wetter, Verkehr und Blitzer, Staucam, Nachrichten, Horoskop, Twitter, etc. auf dem iPhone an sowie auch auf BlackBerry, Nokia, Android und anderen Smartphones. Die kostenlosen Radio-Apps in den jeweiligen App-Stores können ganz einfach von den Hörern heruntergeladen werden.
Um die technischen und optischen Möglichkeiten des Tablets optimal nutzen zu können, haben die dem DIGITAL 5 Konsortium angehörenden Sender Antenne Bayern, Radio FFH (Hessen), Hit-Radio Antenne (Niedersachsen), Radio Hamburg, Radio SAW (Schsen-Anhalt) und 104.6 RTL Berlin nun eigene Applikationen für das iPad entwickeln lassen. „Mit diesem Engagement wollen wir zeigen, dass auch wir bei Neuentwicklungen die Nase vorn haben und Radio dort hinbringen, wo die Hörer sind“, sagt DIGITAL 5-Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth. „Natürlich funktionieren generell alle iPhone-Apps auch auf dem iPad – sind aber nicht für den großen Bildschirm optimiert. Daher haben wir uns schon frühzeitig um die Entwicklung eigener, iPad-optimierter Apps gekümmert. Selbstverständlich auch, um Radio zukunftsfähig in der mobilen Welt zu positionieren.“
Ein weiterer Sender, der bereits seit vier Wochen in den Startlöchern steht, ist das niedersächsische radio ffn. Die neue App von radio ffn ist in deutsch und englisch verfügbar und ergänzt die ffn-iPhone-App um weitere Funktionen: Neben den Livestreams der ffn-Hörfunkprogramme finden sich hier nun auch der Eventkalender, die Webcam des Sendestudios sowie die aktuellsten News aus der Musikbranche.
Dass Geräte wie das iPad aber nicht nur die Technik oder irgendwelche Vertriebsmodelle verändern, sondern auch den Journalismus und die Inhalte, daran glaubt Richard Gutjahr. Für den einstigen Radioreporter und heutigen TV-Journalisten, der noch dazu über karikaturistisches Talent verfügt, könnte das iPad der Geburtshelfer des wahren Multimedia-Journalismus werden. Ein Gerät, auf dem attraktive Audio- und Videoinhalte, Print und Design in einer alles umfassenden und spannend erzählten Story zusammen fließen. Was lag da näher, als diese neue Art des Geschichtenerzählens gleich am neuen Gerät auszuprobieren. Zum Verkaufsstart des iPad Anfang April tauschte Gutjahr kurzentschlossen für einige Tage den Platz vor der Kamera im Nachrichtenstudio des Bayerischen Rundfunks mit der berühmtesten „Line“ der Welt. Vor dem Apple Flag Store in New York wartete der TV-Moderator auf die scheinbare Wunderwaffe und berichtete im eigenen „Gutjahr’s Blog“ unter anderem per Livestream und unter Zuhilfenahme von Plattformen wie „YouTube“, „Flickr“, „Facebook“ oder „Twitter“ multimedial über das Ereignis. Für Richard Gutjahr war das ein spannendes journalistisches Experiment: „Mit meinem Einsatz in der Warteschlange wollte ich ausprobieren, wie Soziale Netzwerke und multimediale Plattformen dabei helfen können, um das zu tun, was wir Journalisten immer getan haben: recherchieren, filtern, und Geschichten erzählen.“
Was Richard Gutjahr als große Chance sieht, macht manchem Medienmanager auch Angst. Sollten das iPad und ähnliche Tabletgeräte in der Zukunft dazu führen, dass die bisherigen medialen Plattformen ineinander fließen, dann gibt es irgendwann keine Unterscheidung mehr zwischen Radio und Fernsehen, zwischen Zeitung und Zeitschrift. So zumindest sieht es der amerikanische Radioberater Mark Ramsey. In einem Blogeintrag „What the iPad means for Radio…really“ warnt er: „Wer glaubt, das iPad sei gut für das Radio, weil man es mit sendereigenen Apps bestücken kann, der verkennt die Thematik.“ Ramseys Botschaft an die Radiosender: „Wenn alle Medien miteinander konkurrieren, wird es mehr denn je auf die Inhalte ankommen.“
So sieht das übrigens auch Zeitungsmann Christian Lindner, Chefredakteur der „Rhein-Zeitung“ in Koblenz. Vom Internetportal stern.de gefragt, wie das iPad die Medien verändern wird, antwortete Lindner: „Das iPad wird freilegen und fördern, was wirklich neu, wichtig, relevant und substanziell ist. Das iPad wird Verlagen Erfolg bescheren, die ihre Redaktionen als ihren Markenkern erkennen und bewahren, es wird Journalisten Aufwind geben, die mit Kompetenz und Netzreputation Marken werden und bleiben.“
Das sind gute Aussichten für Hörer, Zuschauer, Leser und Journalisten!
Quelle: www.hörfunker.de