80er Tage, Black Friday oder „Bienen-Tag“ – Thementage haben sich bei den Hörern als beliebtes Stil-Mittel durchgesetzt. Zahlreiche Sender nutzen inzwischen das Instrument in Form gelegentlicher Abwechslung durch musikalische Dekaden-Tage, Genre-Specials oder redaktionelle Schwerpunktthemen. Die Frequenz dieser Aktionen ist nach Beobachtung von RADIOSZENE in den letzten Jahren weiter steigend – und die Inhalte werden zunehmend kreativer. Allerdings verzichtet umgekehrt auch eine gute Zahl an Sendern komplett auf Mottoevents dieser Art. Oft gehörtes Argument: „Wir befürchten den Absprung nicht interessierter Hörer wegen mangelnder Durchhörbarkeit.“
Eine These, die eine aktuelle Marktforschungsstudie eines großen Senders nicht stützen kann. Über Befragungen im Sendegebiet während mehrerer Aktionstage wurde ermittelt, dass die Hörerschaft dieser Form von Abwechslung weit überwiegend sehr positiv entgegensteht.
RADIOSZENE hat in einer kleinen Umfrage zum Thema Verantwortlichen verschiedener Programme folgende Fragen gestellt:
- Wie viele und welche Art von Thementagen haben Sie im Programm?
- Wie viele dieser Aktionen verträgt der Hörer und welche Reize setzen sie?
- Wie intensiv werden die Aktionen von den Hörern angenommen?
- Haben Sie neben Musiktagen auch redaktionelle Themen-Schwerpunkte im Programm?
„Es ist der schmale Grat zwischen wiedererkennbarer Tagesbegleitung, dem verlässlichen Soundtrack, den sich Hörerinnen und Hörer von ihrem Lieblingssender wünschen und der Überraschung, die begeistert“
Thomas Jung, Programmchef SWR3
01) Wir haben 8 bis 10 solcher Thementage pro Jahr im Programm. Den Rocktag, Made in Germany, dann einen Gitarrentag, Black Friday (Soul, HipHop und R&B), SWR3 spielt verrückt, SWR3 Lyrix und so weiter. Das sind Specials, die durchweg den ganzen Tag prägen. Darüber hinaus setzt SWR3 als Popwelle musikalisch oft weitere Akzente und bricht bewusst Korsett und Format. Für das SWR3 Sommerradio hatten Star-DJ´s wie David Guetta, Robin Schulz, Felix Jaehn, Alle Farben und so weiter exklusiv für unser Programm Sets geliefert. Wir würdigen die großen Stars und legendäre Alben und gehen darauf in 60minütigen Specials redaktionell mit exklusiven O-Tönen im Popshop oder Club ein. Es geht um Überraschung in der Programmierung und um den deutlichen musikalische Stempel als Popwelle. Neue Musik für die Hörerinnen und Hörer zu kuratieren und zu unterstützen gehört genauso zu unserem popkulturellen Auftrag wie im linearen Programm immer wieder musikalische Highlights zu setzen.
02) Es ist der schmale Grat zwischen wiedererkennbarer Tagesbegleitung, dem verlässlichen Soundtrack, den sich Hörerinnen und Hörer von ihrem Lieblingssender wünschen und der Überraschung, die begeistert. Es gilt, auch bei musikalischen Thementagen Songs zu entdecken, die kleinen Geschichten drumherum mit zu nehmen und Anreize zu schaffen, sich emotional mit der Musik und damit mit dem Programmangebot zu befassen. Im Idealfall erkennen die Menschen Songs, die wichtige Momente in ihrem Leben begleitet haben. Wir verlängern diese Thementage dann auch ins digitale Bouquet von SWR3.
03) Die Hörerinnen und Hörer fahren auf solche Specials ab. Wir erhalten sehr viel Zuspruch auf den Social Media Kanälen oder über unser Studiofeedback. Bei „SWR3 spielt verrückt“ hatten wir auf dem Simulcast-Webstream 30 Prozent mehr Zugriffe als an einem normalen Mittwoch. Wir schaffen damit einen großen Unterhaltungs- und Gesprächswert. Egal ob an Wochentagen oder bewusst am Wochenende. Dass solche Special-Tage sehr gut laufen, haben auch andere Sender in der Republik erkannt. Selbst unsere ausgefallensten Musik-Tage werden kopiert, mitunter sogar die Aktionstitel übernommen. Aber genau wie im Musik-Eventing kennt auch im Programming unsere Kreativität keine Grenzen.
04) Mindestens einmal im Monat senden wir einen journalistischen Thementag, facettenreich aufbereitet: mit Reportagen, Expertentalks, Hörer-Interaktion, intensiver Begleitung im Netz.
Oder wir setzen einen SWR3 Report verstreut über mehrere Tage oder gar eine Woche. Aktuelle Themen, die unsere User bewegen oder Schwerpunkte aus dem Servicebereich mit großem Mehrwert. So war ein Reporter in der Woche vor Weihnachten drei Tage lang mit der Deutschen Bahn unterwegs. Nicht nur eine Art „Stresstest“. Es ging auch um Menschen in der Bahn, kleine Geschichten und Begegnungen. Wir hatten einen Schwerpunkt zur Vermeidung von Plastik im Alltag, zum Thema „Geld sparen durch Vertrags-Hopping“, zur Sicherheit im Netz, zu Organspende. In Vorbereitung ist ein SWR3 Report zu fake news und eine SWR3 Reportagereihe über Menschen in Großbritannien vor dem Brexit. Alles in allem Themen mit hohem Nutz- oder Gesprächswert. Denn auch das gehört aus meiner Sicht zum öffentlich-rechtlichen Auftrag einer Popwelle. Der ein oder andere SWR3 Report wurde auch preisgekrönt.
„Die Aktionen werden gut von unseren Hörern angenommen. Das kann man zum Beispiel auch an den User-Zahlen unseres Streams ablesen. Am 90er-Tag hatten wir über 30 Prozent mehr Sessions“
Ina Tenz, Programmchefin ANTENNE BAYERN
01) Im vergangenen Jahr hatten wir bei ANTENNE BAYERN unterschiedliche Thementage: Neben „Halli Galli-Gaudi“ an Pfingsten (Countdown von 800 Songs, von denen die meisten nicht in der Rotation laufen) gab es noch einen 90er-Tag im September und ein Weihnachtsspecial mit ausschließlich Weihnachtshits am dritten Adventssonntag. Das Weihnachtsspecial lief von 17.00 bis 22.00 Uhr parallel zu einem Off Air-Event in Regenburg, dem ersten offiziellen ANTENNE BAYERN Adventssingen.
02) Das sollte jeder Sender für sich entscheiden. Wir setzen uns intensiv im Vorfeld damit auseinander, welche Akzente wir wann setzen – und welche besser nicht. An unserem 90er-Tag waren wir zum Beispiel Partner eines großen 90er-Festivals in Regensburg. Mit diesem Aufhänger machte der Thementag für uns Sinn, den wir im Programm mit 90er typischen Studiogästen wie Angelo Kelly, Mola Adebisi oder auch Rednex gefeiert haben. 03) Die Aktionen werden gut von unseren Hörern angenommen. Das kann man zum Beispiel auch an den User-Zahlen unseres Streams ablesen. Am 90er-Tag hatten wir über 30 Prozent mehr Sessions.
04) Die inhaltlichen Thementage in 2018 waren der ANTENNE BAYERN Spendentag vor Weihnachten, ein Special zum Thema „Bienen“ (mittlerweile wurden 1000 Gläser der hauseigenen Bienen geerntet), eine Hypnose zum Thema Spinnenphobie und ein Thementag zur Smartphone-Sucht.
„AC ist ein Musik-Format des Kompromisses zwischen den vielen Zielgruppen. Keiner ist hier so richtig zufrieden. Ein Thementag ist für einen AC-Sender deswegen eine tolle Möglichkeit, bestimmte Zielgruppen mal so richtig musikalisch zu verwöhnen, abseits vom ‚Alltag‘“
Roel Oosthout, Programmchef HIT RADIO FFH
01) Wir legen die Anzahl der Thementage nicht fest. Wir schauen vielmehr, was wir jeweils aktuell strategisch brauchen. Meistens sind das fünf bis sechs musikalische Thementage im Jahr. Die letzten Jahre waren das vor allem 90er Tage (die 90er sind halt die neuen 80er). Manchmal kombiniert mit der Durchführung von unserem Off-Air-Event „FFH-Just 90s“.
Ansonsten gibt es Faschings- und Party-Musik am Rosenmontag und natürlich Weihnachtshits an Weihnachten. Beliebt ist auch der „Leider geil-Tag“. Die FFH-Hörer können sich hierbei auf FFH.de oder in der FFH-App zwischen zwei Kulthits entscheiden, die normalerweise nicht gespielt werden. Auf diese Weise bestimmen sie den ganzen Tag unser Musikprogramm.
02) Oft genug, damit es wahrgenommen wird, aber nicht so häufig, dass viele denken „nicht schon wieder“. AC ist ein Musik-Format des Kompromisses zwischen den vielen Zielgruppen. Keiner ist hier so richtig zufrieden. Ein Thementag ist für einen AC-Sender deswegen eine tolle Möglichkeit, bestimmte Zielgruppen mal so richtig musikalisch zu verwöhnen, abseits vom „Alltag“. Die Hörer, die es nicht mögen, schalten dann einfach auf einen anderen Sender um, wissen aber, dass am nächsten Tag alles wieder „normal“ ist.
03) Die Reaktionen sind da meistens herausragend. Im Vorfeld kommen sehr viele Vorschläge und an diesem Tag kriegen wir Feedback über alle Kanäle: Lob, Wünsche, Videos und so weiter. Natürlich melden sich vor allem die Hörer, die es mögen. Mit solchen Aktionen kann man schon die Images für bestimmte Musikstile und die Abwechslung positiv beeinflussen.
04) Wir setzen manchmal „Schwerpunkte“, vor allem bei Service-Themen. Dann berichten wir verstärkt über ein bestimmtes Thema, wie zum Beispiel „Geld sparen“. Aber nie monothematisch, das wäre zu langweilig. Die Reaktionen sind dann auch immer gut, aber nicht zu vergleichen mit unseren musikalischen Thementagen.
„Das ist wie in einem Club: Da ist es auch schön, wenn mal nicht der Resident DJ, sondern ein Gast auflegt und neue Impulse und Abwechslung reinbringt. Aber dann freut man sich wieder auf den Resident DJ, bei dem man weiß, was man hat“
Thomas Linke-Weiser, Programmchef BAYERN 3
01) Im Normalfall haben wir zwei bis drei musikalische Thementage pro Jahr. Wir wählen hier sehr gezielt aus, welche Musik wir positionieren. Das kann im Fasching oder zum ersten April der „BAYERN 3 dreht durch-Tag“ sein, bei dem wirklich alles läuft von Volksmusik über Klassik und Hits bis Heavy Metal. Es kann aber auch ein Nummer-Eins-Hits-Tag oder ein 90er-Tag sein. Wir entscheiden auch danach, was sich unser Publikum von uns wünscht.
02) Wir können nicht entscheiden, was der Hörer „verträgt“. Aber wir stellen fest, dass gelegentliche Thementage sehr gut ankommen. Das ist wie in einem Club: Da ist es auch schön, wenn mal nicht der Resident DJ, sondern ein Gast auflegt und neue Impulse und Abwechslung reinbringt. Aber dann freut man sich wieder auf den Resident DJ, bei dem man weiß, was man hat.
03) Sehr, sehr intensiv. Wir haben zum Teil mehr als 100.000 WhatsApps, Mails, Anrufe an einem Tag. Das Feedback ist im Normalfall sehr positiv.
04) Ja, BAYERN 3 setzt auch stark auf redaktionelle Inhalte und setzt immer wieder Thementage mit aktuellen oder Serviceinhalten wie zum Beispiel Kinderbetreuung, Lehrermangel und Essstörungen. Zudem beteiligen wir uns als öffentlich-rechtliches Programm natürlich an der jährlichen ARD-Themenwoche – im Jahr 2019 dreht sie sich ganz um das Thema Bildung.
„Das Feedback unserer Hörer auf unsere Specials ist immer positiv“
Tanja Ötvös, Leitung Musikredaktion Radio Hamburg und HAMBURG ZWEI
01) Bei HAMBURG ZWEI steht jedes Wochenende unter einem anderen musikalischen Aspekt wie beispielsweise OneHitWonder, Nr.1-Hits, 90er-Wochenende. In der Weihnachtszeit spielen wir an allen Adventswochenenden ausschliesslich Weihnachtsmusik. Zusätzlich haben wir über das erste Septemberwochenende regelmässig eine von unseren Hörern gewählte Top 1000 on air und an einzelnen Feiertagen gibt es oftmals auch ein spezielles Musikprogramm, zum Beispiel einen Boygroup-Tag.
02) Neben der eh schon grossen Abwechslung im Musikprogramm bei HAMBURG ZWEI zeigen wir unseren Hörern, dass wir auch mal abseits der „normalen“ Rotation Titel auskramen, die Spass machen, die man aber vielleicht nicht immer regelmässig hören möchte.
03) Das Feedback unserer Hörer auf unsere Specials ist immer positiv.
04) Bei HAMBURG ZWEI haben wir schon mehrfach Themenwochen gemacht – wie beispielsweise zu Organspenden, Probleme mit Versandunternehmen, Reisebuchungen online / Tipps.