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Prof. Wolfgang Hünnekens über die Zukunft des Radios

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Von Prof. Wolfgang Hünnekens

Fast 80 Prozent der Deutschen hören täglich Radio, die Verweildauer ist mit täglich vier Stunden auf hohem Niveau und auch die Jungen schalten weiterhin kräftig ein (71,6 Prozent der 10- bis 29-Jährigen). Die Erkenntnisse der Medienanalyse 2014 Radio II belegen eindrucksvoll: der Mediengattung Radio geht’s gut. Und das bleibt auch so, wenn das schon heute digitale Medium noch digitaler wird, wenn es noch mehr Relevanz für sich schafft, wenn es dem gesellschaftlichen Kommunikationswandel folgt und sich durchsetzt gegen neue, starke Kontrahenten.

Während Print weiterhin in der Krise steckt, überall Zeitungen und Magazine eingestellt werden, sendet das Radio bislang nahezu unbeschadet weiter. Die Mediengattung schafft sich neue Verbreitungswege, nutzt soziale Medien, streamt das Programm für alle hörbar durch das World-Wide-Web. Mehr und mehr Kommunikation erfolgt über Apps, sie versuchen nach und nach das Radio unabhängig von UKW-Frequenzen zu machen. Gerade im Mobilfunk scheint die Zukunft des Radios zu liegen. Eine Zukunft, in der allerdings neue Konkurrenten und neue Anbieter auf den Markt drängen.

Wenn diese Technologie weiter voranschreitet, wird auch das Radio vor echte Herausforderungen gestellt: Dann nämlich, wenn es leichter wird eine Mobilfunkfrequenz zu nutzen, als eine UKW-Frequenz. Noch ist die Mobilfunkabdeckung nur in Ballungsräumen von hoher Qualität. Studien haben ergeben, dass das Hören via Smartphone, die grundsätzlichen Hörgewohnheiten nicht verändert. Das passiert erst, wenn es leichter wird sich sein individuelles Radioprogramm via Smartphone zusammenzustellen.

Die Technologie ändert dann das Radiohören. Erst dadurch wird es auch eine Diskussion über die Inhalte des Radios geben. Denn, wenn der Hörer sich sein eigenes Programm zusammenstellt, braucht er dann wirklich noch alle Inhalte? Und wenn ja, welche? Nur ein Beispiel: Eine Wetter-App ist auf jedem Mobiltelefon installiert. Braucht das Radio der Zukunft dann noch ein Wetter-update? Die Hörer werden mit immer mehr und neuen technologischen Gadgets die gewohnten Pfade verlassen. CarPlay – ein Infotainmentsystem auf das Mercedes, Volvo und Ferrari derzeit setzen – soll, analog zu Geräten wie Airplay, das Web ins Auto holen. Auch Google, so heißt es, arbeitet an einem eigenen Infotainmentsystem für Fahrzeuge. Kooperationspartner ist hier der Volkswagen-Konzern. Autofahrer werden, gut funktionierende Mobilfunktechnologie vorausgesetzt, schon sehr bald komplett auf das Radio verzichten können oder wollen, weil sie via Apps ihre eigenen Inhalte auf der Wetter App, auf der Musik App und auf der Navi App bestimmen können, sie sind dann ihr eigener Programmdirektor. Dann erst entscheidet sich die Zukunft des Radios.

Darauf müssen sich die Sender heute bereits vorbereiten. Das gilt für Private wie Öffentlich-Rechtliche Sender und fängt schon beim Personal an. Mit Blick auf den digitalen Wandel ist in meinen Augen als erstes ein digitaler Manager notwendig. Er oder sie sollte allen On- und Off-Air-Mitarbeitern beibringen, wie digitale Kommunikation funktioniert oder was das auf Dauer bedeutet. Der digitale Manager wird Kollaborations-Plattformen für die hausinterne digitale Kommunikation einrichten. Alle Mitarbeiter sollten gleichermaßen mitgenommen werden auf die Reise in die digitale Zukunft. Der digitale Manager muss aber auch Strategien entwickeln, wie sich das Radio im Kopf der Konsumenten noch stärker verankert.

Neben dem Haupteinschaltgrund des Radios, der Musik, geht es dann auch darum, die Inhalte zu schärfen. Um zielgruppenspezifischen Content zu erzeugen, braucht das Radio qualifiziertes Personal. Also ist ein Digital Change-Manager von Nöten. Einer, der im Interesse des Senders vermittelt und auslotet zwischen den Redakteuren und Moderatoren. Denen kommt künftig eine neue, zentrale Rolle zu. Denn wenn auch die Inhalte das Radio zur Marke machen, dann wird der Redakteur / Moderator zum kommunizierten Leistungsträger. Der Digital Change-Manager begleitet die Prozesse und die Akteure. Er muss die Qualifikationen der Mitarbeiter für den Sender nutzen und die gut ausgebildeten Journalisten in die Geldverwertungskette des Hauses integrieren. Da ist eine Menge Kreativität gefordert.

Die brauchen auch der Programmdirektor, der Morning Host oder der Chefredakteur. Wer immer auch den Job macht, muss digital sein. Was im Radio passiert, wird auf Facebook und Twitter weiter vorangetrieben, findet auf der Webseite Berücksichtigung und wird, selbst wenn es eigentlich ein Medienbruch ist, vielleicht via Instagram oder Snapchat verbreitet. Alle Angebote sind natürlich mobilfähig. Wenn dann auch noch bewegte Bilder einbezogen werden können, dann ist ein ganzes Wegstück bereits erledigt. Die Programmverantwortlichen müssen all das im Blick behalten und geeignete Strategien entwickeln.

Doch Digitalität im Produkt reicht noch lange nicht aus, um das Radio zukunftsfähig zu machen. Das Geld holen andere rein: Die digitalen Media-Berater. Ja, auch die Vermarktung muss künftig noch ein bisschen digitaler denken. Das wird in vielen Medienhäusern bereits heute gelebt und umgesetzt, aber die Unternehmen, die ihr Geld investieren, wollen künftig noch genauer wissen, wie alles ineinander greift. Wie ihre Marke, ihr Produkt über alle Kanäle des Senders beworben wird. Der klassische Media-Berater als quasi Vertreter hat dann endgültig ausgedient.

Prof. Wolfgang Hünnekens hat sich Gedanken gemacht um die Zukunft des Radios
Prof. Wolfgang Hünnekens

Die Zukunft des Radios hat schon begonnen. Setzen sich die Sender weiterhin mutig mit der digitalen Zukunft auseinander, muss sich die Mediengattung keine großen Sorgen vor Morgen und Übermorgen machen.

 

Über den Autor

Prof. Wolfgang Hünnekens ist Direktor von iDeers Consulting, Gründer des Institute of Electronic Business e.V. und Professor für Digitale Kommunikation an der Universität der Künste Berlin (UdK) im Studiengang Leadership in digitaler Kommunikation.

 

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