Wenn im letzten Jahr irgendetwas in aller Munde war, dann war es wohl 5G, die neue Technologie für mobile Breitband-Verbindungen.
5G ist für große öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten durchaus interessant, denn es könnte – nach meiner Einschätzung – ein Verbreitungsweg sein für all das, was in einer solchen Anstalt produziert wird: Radio, Fernsehen und Online-Content, sowohl live als auch on-demand. Da sollte man es schon auf ein Experiment ankommen lassen, wenn man am Ball bleiben will.
Aber was hat es mit 5G eigentlich auf sich?
Im Wesentlichen ist 5G eine schnelle Internetverbindung, die 3G und 4G auf Mobiltelefonen ersetzen kann. Allerdings eine Verbindung mit wesentlich höherer Kapazität, die potenziell auch ein vollwertiger Ersatz für die Breitbandverbindung zu Hause wäre.
Eine Funktion ist für Rundfunkmacher besonders interessant: 5G Broadcast. Denn bisher kann der Internet-Livestream eines Radiosenders ganz schön ins Geld gehen. Schließlich benötigt jeder Hörer seine eigene Verbindung zum Streaming-Server des Senders. Bei angenommenen 1000 Online-Hörern werden 1000 Mal dieselben Audiodaten über das Internet gesendet. Bei 5G Broadcast braucht man nur eine Verbindung, denn 5G nutzt Rundfunktechnik zur Signalübertragung. Dadurch ist das System belastbarer und netzwerkschonender.
4G bietet das übrigens auch. Allerdings besteht der Unterschied darin, dass ein 5G-Funknetz grundsätzlich auch vom Sender selbst betrieben werden könnte und man nicht – wie bislang – auf einen Mobilfunknetzbetreiber angewiesen ist. Denn für 5G Broadcast braucht man keine SIM-Karte, und grundsätzlich jeder Mobilfunkkunde hätte Zugang dazu.
Und sowohl Radio als auch Fernsehen können auf diese Weise übertragen werden.
Was ebenfalls getestet wurde, war die automatische Umstellung vom normalen Internet-Stream auf einen 5G-Broadcast-Stream. Wenn also ein Fußballspiel ansteht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder sehen will, kann das Netzwerk automatisch von einem normalen Internet-Stream auf 5G Broadcast umschalten, um so eine bessere Qualität zu ermöglichen.
Theoretisch könnte damit ein ganzes Netz an Radio- und Fernsehsendern ersetzt werden. Auch Satelliten-TV oder Kabelnetze wären grundsätzlich überflüssig.
Aus technologischer Sicht ist es also besonders für große Rundfunkanbieter durchaus interessant.
In Wirklichkeit wurden die Kapazitäten jedoch bereits an die Mobilfunknetzbetreiber verkauft. Und die wollen von den Rundfunk- und Fernsehanstalten Geld sehen, wenn diese die Netzinfrastruktur nutzen möchten. Wenn 5G Broadcast 10% der verfügbaren Kapazitäten in Anspruch nimmt, d. h. im Wesentlichen 10% der Einnahmen von Mobilfunknetzbetreibern, dann muss dies an die Rundfunkanstalten als Kosten weitergegeben werden. Plus die Kosten für die Installation zehntausender Basisstationen, damit alles zuverlässig funktioniert.
5G Broadcast ist darüber hinaus keine Standardfunktion in 5G-Telefonen. Die Mobilfunkbetreiber müssten also die Telefonhersteller soweit bekommen, dies zu tun. Deren Geschäftsmodell stützt sich jedoch auf den Datenverbrauch. Warum sollten sie also Wert auf eine Funktion in einem Handy legen, die ebendiesen Datenverbrauch reduziert und somit den Umsatz, den sie mit dem Verkauf dieser Daten machen könnten, schmälert?
Und der Vorteil, den 5G Broadcast darstellt, beschränkt sich auf Live-Übertragungen. 5G Broadcast bietet keinerlei Mehrwert für On-Demand, außer der 5G-eigenen größeren Übertragungskapazität.
Stellen wir die Frage noch einmal: Ist 5G die Zukunft?
Aus technologischer Sicht ist es sicherlich eine feine Sache. Aber in der Realität dürfte es wohl noch viele unbeantwortete Fragen geben. In der Zwischenzeit erreichen die Radiosender ihr Hörerpublikum immer noch hervorragend über Internet, UKW oder DAB+. Und im Gegensatz zu 5G bietet unsere Nutzung des normalen, öffentlichen Internets Vorteile für alle, egal mit welcher Technologie man darauf zugreift.
Ich denke, man sollte 5G schon im Auge behalten, aber den Schwerpunkt doch lieber bei der bestehenden Rundfunk-Infrastruktur setzen. UKW funktioniert für viele immer noch hervorragend, und auch DAB+ bietet interessante Zukunftsperspektiven.
Der Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine, berät eine Vielzahl von Radiosendern und veröffentlicht den täglichen Podcast-Newsletter podnews.net. James hat über 30 Jahre bei Radiosendern in Großbritannien, Australien und Kanada gearbeitet; bei Virgin Radio UK entwickelte er die weltweit erste Radio-Streaming-App. Er lebt in Brisbane, Australien. https://james.cridland.net