PR-Tipps für Radiomacher: Warum überhaupt PR?

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Heute startet eine neue Kolumne auf RADIOSZENE. Radiomacher und PR-Experte Johannes Boos gibt ab jetzt regelmäßig Anregungen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hörfunk.

„Das ist die Nina*. Sie macht bei uns den ganzen Tag nur PR“, erklärt mir der leitende Angestellte eines Stadtradios bei einem Besuch im Studio. Und ich? Hand aufs Herz: Ich bin einigermaßen überrascht, dass sich ein lokaler Anbieter den Luxus professioneller Pressearbeit leistet. Positionen wie „Leiter Unternehmenskommunikation“ oder „Pressesprecher“ findet man ja gewöhnlich – wenn überhaupt – nur bei landesweiten Anbietern und öffentlich-rechtlichen Anstalten. Doch Nina macht gar keine PR im eigentlichen Sinne, also Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für das Unternehmen Radio. Stattdessen bastelt sie fürs eigene Programm sendefertige PR-Beiträge zu Produkten und Dienstleistungen, um bestehende Werbekunden bei Laune zu halten und potentiell neuen Partnern mit einer Platzierung im redaktionellen Umfeld zu schmeicheln.

In nahezu allen Branchen ist Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zentrales Instrument im Marketing-Mix, nicht selten als strategische Führungsaufgabe im obersten Management angesiedelt. Doch die beschriebene Szene zeigt: Die Hörfunkbranche tut sich – mit Verlaub – etwas schwer mit der eigenen PR. Meine Aussage ist vielleicht etwas überspitzt, doch ich behaupte, dass die meisten Sender im Schnitt nur zwei Mal pro Jahr in Sachen Pressearbeit aktiv werden. Dann nämlich, wenn die aktuellen Zahlen der Reichweiten-Erhebungen in die Runde geschickt werden. Und das, obwohl selbst kleinere und mittelgroße Stationen die Vorteile professioneller PR mit verhältnismäßig geringem Einsatz für sich nutzen können.

Die Gründe für die dürftige Beschäftigung mit Pressearbeit sind mannigfaltig: In den meisten Fällen fehlt es schlicht am Personal und der Zeit, sich in der nötigen Ausführlichkeit mit dem Thema PR auseinanderzusetzen – oftmals aber auch schlicht am operativen Know-How oder dem Verständnis dafür, dass Öffentlichkeitsarbeit nicht nur schmückendes Beiwerk im Marketing-Mix, sondern einer der entscheidenden Faktoren für die Imagebildung und das Reputationsmanagement eines Senders ist.

Ein Beispiel: Der Sendestart eines Hörfunkprogramms im lokalen DAB+ Paket einer deutschen Großstadt im vergangenen Jahr. Der Name des Senders hat bereits eine mehrjährige Geschichte in der lokalen Radiolandschaft. Das geplante Programm: Anspruchsvoll in Sachen Wort. Das Geschäftsmodell: Ein gemeinnütziges Unternehmen, das sich nicht vorrangig durch klassische Werbung finanziert, sondern über finanzielle Zuwendungen von Gönnern und Mäzenen. Kurzum: Ein bisschen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hilft nicht nur, die Sichtbarkeit der Marke bei potentiellen Hörern zu erhöhen, sondern auch bei möglichen Finanzpartnern, die für den langfristigen, wirtschaftlichen Erfolg des – zugegeben nicht ganz unspannenden – Projekts unerlässlich sind.

Und offenbar ist die Einschätzung, dass ein neues Radioformat im lokalen Äther – wenn auch nur über DAB – für entsprechende mediale Resonanz sorgt, nicht ganz falsch. Denn auf die Pressemitteilung der zuständigen Landesmedienanstalt nach Erteilung der Lizenz ist in einzelnen Tageszeitungen und Online-Blogs tatsächlich über das Projekt zu lesen. Nur: Seither ist nichts passiert! Und das, obwohl es gleich mehrfach durchaus einen Anlass für Pressearbeit gegeben hätte – mindestens für eine einfache Mitteilung.

Mittlerweile ist der Sender nämlich auf Sendung – doch kaum jemand weiß es. Denn weder zum Start der Testphase, als einmal pro Woche bereits ein stellenweise recht aufwändig produziertes Programm über den Äther ging, noch zu Beginn des regulären, täglichen Sendebetriebs gab es eine entsprechende Information – geschweigedenn eine kleinen Presse-Event mit obligatorischem Drücken eines fotogenen roten Startknopfs, Prosecco und ein paar Schnittchen. Fragt man heute im Bekannten- und Freundeskreis nach dem Sender, erntet man Kopfschütteln und Blicke mit einem großen Fragezeichen: „Kenne ich nicht. Ist das gut?“. Selbst Freunde, die im Besitz eines DAB+ Empfängers und eingefleischte Digitalradiofans sind, haben den Anbieter bislang noch nicht auf dem Schirm. Und auch auf Social Media Kanälen kann das neue Programm aktuell nicht viel reißen: Seit der Welle mit Berichterstattungen zur Lizenzerteilung verharrt beispielsweise die Zahl der Facebook-Fans auf einigermaßen konstantem Level.

Dass der Start der Testsendungen nicht an die große Glocke gehängt wird, ist noch verschmerz- und nachvollziehbar. „No second chance for a first impression“, heißt es. Und kein Sender will gerne potentiell pannenbehaftete Tests publik machen. Warum aber nicht der offizielle Sendestart dazu genutzt wurde, mit einer Pressemitteilung für erneute Aufmerksamkeit zu sorgen, ist nicht nachvollziehbar – hat es gerade ein digitales Spartenradio mit hohem Wortanteil und unkonventioneller Musikzusammenstellung vergleichsweise schwer, beim Zappen durch die Kanäle zufällig entdeckt zu werden.

Der vorliegende Fall zeigt außerdem sehr schön, warum es meist nicht besonders sinnvoll ist, das Zepter für die PR-Arbeit komplett aus der Hand zu geben und sich beispielsweise auf die Pressearbeit der Landesmedienanstalt zu verlassen. Die erreicht zwar durchaus die bekanntesten Standortmedien sowie Medienfachtitel. Doch sind das auch die Zielgruppen für ein neues, anspruchsvolles Spartenradio mit gemeinnützigem Hintergrund? In einschlägigen Magazinen und Online-Blogs für Investoren zum Beispiel oder sogenannte „Familiy Offices“, die sich mit der Verwaltung großer Familienvermögen beschäftigen, war nämlich leider nichts von dem Projekt zu lesen. Genau die Zielgruppe potentieller Gönner des Projekts und Investoren, die sich zu einer Geldspritze für den Sender verführen lassen, wären in der Finanzierungsphase des Projekts aber fast spannender gewesen als die Standortpresse.

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Johannes Boos (Bild: privat)

Über den Autor:

Johannes Boos (Jg. 1978) ist seit 1994 Moderator und Redakteur bei lokalen, regionalen und landesweiten Stationen. Darüber hinaus berät er in erster Linie Fluggesellschaften bei der Medienarbeit, schwerpunktmäßig in der Krisenkommunikation. Sie haben Anmerkungen oder Fragen zum Thema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Schreiben Sie an johannes@radioszene.de.