Ein Radio – was ist das überhaupt? Und was ist ein Smart Speaker?

James Cridland's Radio FutureVor kurzem stieß ich auf diesen Tweet des britischen Privatsender-Branchenverbandes Radiocentre, der mir ziemlich gut gefiel, illustriert er doch ziemlich gut das Naturel von Radio als Multiplattform-Medium:

https://twitter.com/Radiocentre/status/886952768644231168

Ein prägnantes Statement, welches besagt, dass das Wort Radio in meiner Muttersprache (dem Englischen) dem Medium eigentlich nicht mehr gerecht wird. Bei uns hat das Wort Radio drei Bedeutungen: (Funk-)Empfänger, Technologie und eine Form der Darbietung von Audio-Inhalten.

Nun ist Radio heute auf einer Vielzahl von verschiedenen Plattformen vertreten, zum Beispiel auf UKW oder DAB+, über IP-Livestreams oder auch auf Abruf über Podcasts und ähnliches.

In den meisten Radioumfragen wird dies berücksichtigt. Man kann hier durchaus eine Parallele zum Lesen und Schreiben ziehen: So altmodisch ein Papierkalender und so neumodisch ein Web-Formular auch sein mag – geschrieben wird überall. Und so ist auch Radio nicht auf klassische Empfangsgeräte beschränkt.

Allerdings kaufen die Leute eben diese klassischen Empfangsgeräte immer weniger. Und dennoch: in den meisten Märkten wird mehr Radio gehört als je zuvor. Weil Radio eben keine Plattform ist, sondern ein Gegenstand. Ich definiere Radio als „Audio mit einer geteilten Erfahrung und einer menschlichen Verbindung“.

Aber wenn wir schon Probleme mit der Definition des Begriffs „Radio“ haben, wie sieht es dann wohl mit dem „Smart Speaker“ aus?

Im 1. Quartal 2018 verkaufte sich der Amazon Echo weltweit mit 2,5 Mio. Exemplaren, wurde dabei allerdings vom Google Home mit 3,2 Exemplaren im gleichen Zeitraum übertroffen. Damit liegt Google im Bereich Smart Speaker erstmals vor Amazon.

Ist das ein Radio? (Bild: ©James Cridland)
Ist das ein Radio? (Bild: ©James Cridland)

Aber das ist noch längst nicht alles: Googles Voice-Assistent funktioniert mit über 5.000 Geräten. Mein JBL Link-Lautsprecher auf meiner Terrasse hat einen eingebauten Google Assistant, ist aber kein Google Home. Wo wird der dann in der Statistik ausgewiesen?

Das Navi in meinem Auto hat einen eingebauten Google Assistant (sehr sinnvoll zum Versand von Textnachrichten). Die Bose-Kopfhörer, die ich auf Reisen dabei habe, oder die kleineren Ohrhörer, die ich im Bus trage, sind jetzt beide mit Google Assistant bestückt. Während ich in Brisbane über die Jolly Bridge spaziere, frage ich bei Google meine Termine für morgen ab.

Und natürlich hat auch mein Handy Google Assistant. Wenn es – scheinbar ausgeschaltet – auf dem Tisch liegt und ich sage “OK, Google, was ist in den Nachrichten?”, dann werden mir Kurznachrichten vorgespielt. Oder ich sage “Hey, Google, was geht bei Podnews ab” und trete in Dialog mit meiner Podcasting-Nachrichtenwebsite Podnews.

Man kann also die Verkaufszahlen von Amazon Echo und Google Home gegeneinander halten, verpasst aber die riesigen Schwaden, die das intelligente Lautsprecher-Ökosystem nach sich zieht.

So kann man Radio als einen Lautsprecher in einem Gehäuse definieren, mit dem man UKW empfangen kann, aber damit übergeht man all das, was von der Öffentlichkeit – deiner Öffentlichkeit – schon so alles als Radio bezeichnet wird.

Deine Herausforderung besteht darin, dass das, was aus diesem Radio – in welcher Gestalt auch immer – herauskommt, optimal klingt.

 


James CridlandDer Radio-Futurologe James Cridland spricht auf Radio-Kongressen über die Zukunft des Radios, schreibt regelmäßig für Fachmagazine und berät eine Vielzahl von Radiosendern immer mit dem Ziel, dass Radio auch in Zukunft noch relevant bleibt. Er betreibt den Medieninformationsdienst media.info und hilft bei der Organisation der jährlichen Next Radio conference in Großbritannien. Er veröffentlicht auch podnews.net mit Kurznews aus der Podcast-Welt. Sein wöchentlicher Newsletter (in Englisch) beinhaltet wertvolle Links, News und Meinungen für Radiomacher und kann hier kostenlos bestellt werden: james.crid.land.

Lokalrundfunktage NürnbergAktueller Hinweis:
James Cridland können Sie übrigens im Juli persönlich treffen, denn er wird auf den Lokalrundfunktagen 2018 in Nürnberg die Keynote halten.